# taz.de -- Biografie Mark Twain: Haudrauf, Gentleman und Klassiker | |
> Weil er witzig war: eine Biografie des großen Schriftstellers und | |
> Aufsteigers Mark Twain schaut mit literarischer Verve und Humor auf | |
> dessen Werk und Leben. | |
Bild: Mit ihm begann die US-amerikanische Literatur: Mark Twain auf einer undat… | |
Dass aus dem ungebildeten Südstaaten-Landei Samuel Langhorne Clemens der | |
archetypische US-Schriftsteller und erste literarische Weltstar Mark Twain | |
werden sollte, hatte niemand wirklich auf dem Zettel. Und der Weg dahin war | |
denn auch reich an Umwegen, die Thomas Fuchs in seiner Biografie „Ein Mann | |
von Welt“ mit Übersicht und erzählerischer Verve nachzeichnet. | |
Mit zwölf Jahren musste er die Schule verlassen, um sich als Drucker, | |
später als Lotse auf Mississippi-Raddampfern zu verdingen. Der Ausbruch des | |
Bürgerkriegs 1861 vertrieb ihn dann endgültig aus seiner Heimat. Nach einem | |
kurzen Gastspiel bei der konföderierten Armee setzte er sich nach Nevada | |
ab, um nach Silber zu graben und ernsthaft als Journalist zu arbeiten. | |
Seit seiner Jugend hat er immer wieder Käseblätter hinterm Wald mit | |
Artikeln beliefert, jetzt merkt eine größere Öffentlichkeit auf und beginnt | |
die Qualitäten dieses liquiden und witzigen Zeitungsschreibers zu feiern, | |
der sich das Pseudonym Mark Twain gibt, nach dem Ausdruck der Lotsen für | |
die gerade noch sichere Wassertiefe von zwei Faden. | |
## Entertainerqualitäten | |
Man schickt ihn nach Hawaii, und seine zupackenden Reisebriefe von dort | |
machen ihn landesweit berühmt. Sein darauffolgendes Reportagebuch „Die | |
Arglosen im Ausland“, für das er eine Reisegruppe nach Europa und Palästina | |
begleitet, begründet schließlich seinen Weltruhm. Und sein Biograf stellt | |
ein für allemal klar: „Man macht nicht zwangsläufig als Humorist Karriere, | |
weil man beim Fußball immer als Letzter gewählt wurde und keinen anderen | |
Weg wusste, um Frauen zu imponieren. Man kann auch Humorist werden, weil | |
man einfach witzig ist.“ | |
Mitte der 1860er Jahre entdeckt er zudem seine enormen | |
Entertainerqualitäten. Twain arbeitet seine Aufsätze zu unterhaltsamen, | |
pointenreichen populärwissenschaftlichen Vorträgen aus und tingelt mit | |
ihnen sehr erfolgreich durch die USA. In guten Zeiten kommt er auf über | |
hundert Vorträge pro Saison – eine Einnahmequelle, die er auch in späteren | |
Jahren, als gefeierter Romancier, gelegentlich anzapfen musste, wenn er | |
wieder einmal als Unternehmer gescheitert war, wie bei seinem eigenen | |
Verlag oder bei der horrende Summen verbrennenden Entwicklung einer | |
Schriftsetzmaschine, die dann nie funktionieren sollte. | |
Mit dem schriftstellerischen Erfolg einher geht der gesellschaftliche | |
Aufstieg. Er heiratet nach langem, geduldigem Werben die Millionärstochter | |
Olivia Langdon und erhält nun Einlass in die gutbürgerlichen | |
Intellektuellenkreise der Ostküste. Aus dem fluchenden, saufenden und gern | |
auch mal zotigen Haudrauf soll ein soignierter, integrer Gentleman werden, | |
so will es seine gottesfürchtige, moralisch gefestigte Braut Livy, die | |
Twain bis zu ihrem Tod leidenschaftlich umschwärmte. | |
Aber dem Parvenü reicht sein Ruf als brillanter Journalist und Satiriker | |
nicht. Um als seriöser Schriftsteller zu reüssieren, brauchte es schon | |
damals einen Roman: „Tom Sawyers Abenteuer“, ein mit Selbsterlebtem | |
gesättigtes Panorama seiner Kindheit in Hannibal, Missouri, und zugleich, | |
indem er episodisch so gut wie alle erdenklichen Standardsituationen dieses | |
Lebensabschnitts durchspielt, der paradigmatische Kindheitsroman. Noch im | |
Erscheinungsjahr, 1876, wird er ins Deutsche übersetzt – einen solchen Ruhm | |
genießt der Autor mittlerweile. | |
Ein knappes Jahrzehnt später nimmt er den Stoff noch einmal auf. In | |
„Huckleberry Finns Abenteuer“ gibt Twain die humoristisch erprobte | |
auktoriale Erzählperspektive auf und lässt stattdessen den ungebildeten, | |
herumstromernden Huck, diesen hochmoralischen Prachtkerl von einem Jungen, | |
die Geschichte selbst erzählen. Ein ganzes Buch in Rollenprosa, noch dazu | |
räudigstem Südstaatenslang. Prompt sprachen ihm einige Ostküstenfeingeister | |
die literarische Qualität ab und riefen zum Schutz der unschuldigen | |
amerikanischen Jugend nach dem Zensor. | |
## Das Meisterstück | |
Thomas Fuchs nimmt sich zu Recht etwas Zeit für dieses Buch, obwohl er | |
sonst eher einen großen Bogen macht um so etwas wie Werkanalyse. Es ist | |
nicht nur Twains Meisterstück, für Hemingway begann gleich die ganze | |
amerikanische Literatur mit diesem Buch und für H. L. Mencken war es | |
„möglicherweise der größte Roman, der je auf Englisch geschrieben wurde“. | |
Irgendetwas in dieser Größenordnung. Und nicht zuletzt ist er, laut Fuchs, | |
„der erste Roman der Weltliteratur, in dem das Wort ’blue jeans‘ vorkommt… | |
„Mark Twain. Eine Mann von Welt“ ist eine liebevolle, zupackende, seinem | |
Gegenstand gemäß einigermaßen respektlose Einführung für Novizen. Wobei | |
sich Fuchs vor allem dem Leben des Autors widmet. Wer hier eine | |
detaillierte Werkbiografie erwartet, wird enttäuscht sein. Allerdings macht | |
gerade der Mangel an ausführlichen Inhaltsrekapitulationen und steilen | |
Interpretationen Lust auf weitere Lektüre. Nicht zuletzt auf die weniger | |
bekannten Tom-Sawyer-Sequels oder die späte „Reise um die Welt“. | |
Thomas Fuchs: „Mark Twain. Ein Mann von Welt“. Haffmans & Tolkemitt bei | |
Zweitausendeins, Berlin 2012, 221 Seiten, 14,95 Euro | |
14 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Frank Schäfer | |
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