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# taz.de -- Die Wahrheit: Sprudelndes Schiff
> Kältesommer 2012: Der brühwarme Schoß von Mutter Kirche.
Das hatte er nicht gewollt! Immer wieder war es diese Gewissheit, die
Monsignore Morgenstund durch den Kopf ging, während der gepanzerte
Gefangenentransporter über das römische Kopfsteinpflaster dahinrumpelte,
der ihn aus seiner Gemeinde in der Westeifel vor die Glaubenskongregation
des Vatikans bringen sollte.
Dabei hatte alles so vielversprechend begonnen, als noch so viele
Spendengelder für die Neugestaltung der Johannesbasilika in Sankt
Apollinaris übrig waren, dass ihm, Morgenstund, die Idee gekommen war, das
neue Taufbecken etwas größer als das alte zu gestalten. Am Ende war es dann
eine marmorverkleidete Doppelsitzwanne geworden, die ins Zentrum des
gottesdienstlichen Geschehens rückte.
Die ersten darin ausgeführten Taufen waren allgemein als Höhepunkte
katholischen Gemeindelebens gepriesen worden. Der Trierer Bischof Ackermann
war eigens zur Einweihung gekommen und hatte bei der ersten Taufe
eigenhändig den Wasserhahn geöffnet. Viele sprachen sogar vom „feuchten
Wunder von Sankt Apollinaris“.
Dass es bei so viel Zuspruch mit ihm und seiner Innovationsfreude
durchging, war eigentlich nur verständlich, auch wenn zugegebenermaßen aus
heutiger Sicht der Whirlpool, den Morgenstund danach im großen Taufbecken
einbauen ließ, des Guten ein wenig zu viel war. Obwohl sich nicht nur die
Täuflinge, sondern die gesamte Gemeinde pudelwohl fühlte, wenn alle bei der
Taufe gemeinsam ins Becken sprangen, nachdem der Monsignore den
Sprudelknopf betätigt und die Massagedüsen angeworfen hatte. Wer hätte aber
auch ahnen können, dass sich im Milieu der stets handwarmen Apparaturen und
Zuleitungen gefährliche Denunzianten ansiedelten, die dem Bischofsamt
heimlich vom geradezu urchristlichen Treiben in Sankt Apollinaris berichten
sollten? Bald darauf fand sich Monsignore Morgenstund durch die regionale
Presse an den Pranger gestellt. So titelte etwa der Trierische Volksfreund:
„Der Priester, der aus dem Jacuzzi kam.“ Aber da hatte die Trierer
Kirchenleitung noch schützend ihre Hand über ihn gelegt, ganz so, wie es
auch bei jeder Taufe sein sollte, wenn der Geistliche das heilige Nass über
das Haupt des Täuflings tröpfeln lässt.
Zuletzt aber hatte er tatsächlich etwas übertrieben, als er, der immer
Frierende, den es in diesen unleidlich kalten Winkel Deutschlands
verschlagen hatte, das Kirchenschiff vollkommen umgestalten ließ. Die alten
modrigen braunen Kirchenbänke kamen hinaus und wurden durch helle
skandinavische Kiefernbänke ersetzt. Die Fugen im Gemäuer wurden
abgedichtet, und die ausgedienten Weihrauchschwenker zusammengeschweißt zu
einem großen Metallofen, auf dem die heißen Steine vor sich hin brutzelten.
Ach, wie herrlich war die Gemeinde anzuschauen, wenn sie – nur in weiße
Badetücher gehüllt – da hockte und die biblisch heißen Aufgüsse über sich
ergehen ließ.
Selbst für den liturgischen Ablauf fanden sich nun ganz neue Zyklen. Musste
doch die Andacht dem Zehnminutenrhythmus des Saunagangs angepasst werden.
Und das dampfende Kirchenschiff von Sankt Apollinaris wurde zu einer
apollinischen Schwitzstube des Glaubens. Jeder rinnende Tropfen Schweiß
verband die Gemeinde enger mit dem Herrn der Hitze. Morgenstund war
glücklich.
Bis, ja, bis es kam, wie es kommen musste. Aber man hätte auch mit dem
regen Zuspruch für Morgenstunds erfrischend neue Kirche des Schweißes
rechnen können. War doch die Johanneskirche direkt an einem Wanderweg
gelegen. Der Publikumsverkehr nahm immer mehr zu, und wenn der Küster zu
Morgenstund gelaufen kam und von „fremden Eindringlingen“ berichtete, dass
nackige Männlein und Weiblein in der sprudelnden Taufwanne mit Champagner
und allerlei anderem Teufelswerk Feste feierten, dann hörte der innovative
Monsignore schon gar nicht mehr hin und träumte lieber von einer
friedvollen Wellnesswelt, geeint in Schwaden wabernden Glücks.
Und so bekam der heilige Stuhl warmen Wind von der Sache und sandte den
Großinquisitor höchstpersönlich hinaus in die Eifel. Mit Schaudern
erinnerte sich Monsignore Morgenstund an den frostigen Hauch, der sein Werk
durchwehte, als der Präfekt der Glaubenskongregation das „unheilige Feuer“,
wie er es nannte, persönlich besichtigte und durch Sankt Apollinaris
schritt. Kaum ein Wort brachte Morgenstund heraus, und als er stotternd dem
hohen Herrn erklären wollte, dass der verregnete und kalte Sommer anno 2012
geradezu nach der Wärme der Mutter Kirche geschrien habe – da unterbrach
ihn mit einem Wink abrupt der eisig schweigende Inquisitor. Also blieb dem
stets fröstelnden Monsignore Morgenstund nur ein letzter Trost hier auf
seinem Weg in die dunklen Verliese des Vatikans: Bald schon würde ihn der
lodernde Scheiterhaufen ein letztes Mal wärmen …
17 Jul 2012
## AUTOREN
Reinhard Umbach
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