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# taz.de -- Gendertrouble im Film: Mit einem Penis rumlaufen
> Die Dragking-Performerin Diane Torr macht Workshops für Frauen. Katharina
> Peters neuer Dokumentarfilm „Man for a Day“ schaut bei einem davon zu.
Bild: Wie ein Mann sitzen und trinken: Filmstill aus „Man for a day“.
Wir alle sind Performer. Jeden Tag. All unsere Verhaltensweisen sind
performativ. So sagt es Diane Torr. Torr ist Künstlerin,
Dragking-Performerin, Gender-Aktivistin. In ihrer Arbeit beschäftigt sich
die Schottin mit dem Körper und mit den Fragen: Was macht einen Mann zum
Mann? Und was eine Frau zur Frau? Also mit der Gender-Debatte.
In ihrem Workshop „Man for a Day“, den sie seit 23 Jahren weltweit
anbietet, lehrt sie, wie Frauen sich in den Mann ihrer Wahl verwandeln
können.
Die Regisseurin Katarina Peters ist seit über 30 Jahren mit Torr
befreundet; für ihren Dokumentarfilm „Man for a Day“ schaut sie bei einem
Workshop in Berlin zu. Es haben sich Frauen angemeldet, die
unterschiedlicher nicht sein können.
Susann Schönborn machte bei der „Miss Oberhavel“-Wahl mit, war Miss
Prenzlau, Miss Ostprignitz-Ruppin, Miss Havelland, Miss Uckermark und Miss
Spreewald. Theresa Theune ist alleinerziehend und hat drei Kinder. Sie mag
sich nicht mehr für Männer „dekorieren“.
Eva-Marie Torhost ist Politikberaterin bei den Grünen. Tal Peer ist
Modedesignerin, und wenn sie versucht, sich weiblich anzuziehen, fühlt sie
sich eher als Dragqueen denn als Frau. Und zu guter Letzt Rosa Maria Dos
Santos, die mit Männern schlechte Erfahrungen gemacht hat.
## Verstehen, wie es sich anfühlt
Peters erzählt die Geschichten dieser Frauen, die sich einmal als Mann
fühlen, einmal verstehen wollen, wie es sich anfühlt, mit einem Penis
rumzulaufen. Diane Torr hilft ihnen dabei. „Frausein ist eine Performance.
Mannsein auch. Gender ist eine wiederholte Serie von Gesten“, sagt sie.
Deshalb müssen die Frauen auch lernen, wie ein „richtiger“ Mann sitzt,
läuft, spricht. Auch wie er eine Hand schüttelt, wie er lacht. Sie müssen
halt seine ganze Performance verstehen, aufsaugen und umsetzten. Die Frauen
bekommen falsche Bärte angeklebt, tragen traditionell-konnotierte
„Männerkleidung“ wie Anzug und Hosen. „Man gibt seinem Körper ein Bild�…
sagt Torr.
Mit ihrem neuen Wissen ausgestattet, gehen die Frauen nach draußen. Als
Susann nach Hause zu ihren Eltern kommt, lachen ihre Mutter und ihr Vater
erst mal. „Du hast jetzt zwei Söhne“, sagt Susann zu ihrer Mutter, die ein
wenig verdutzt mit „Vergiss es! Ich will meine schöne Tochter zurück“
antwortet.
Und genau an dieser Stelle stößt Peters mit ihrem Dokumentarfilm „Man for a
Day“ an ihre Grenzen. Mehr erfährt man über Susanns Eltern nicht. Die
Regisseurin versucht, nah an den Frauen dran zu sein, schafft es jedoch
nicht so recht, in die Tiefe zu gehen. Das mag an den vielen
Protagonistinnen liegen. „Man for a Day“ wirkt fragmenthaft, gerade wenn es
interessant wird, schwenkt die Kamera zur nächsten Geschichte und zur
nächsten Protagonistin.
## An einigen Stellen bemüht
Gleichzeitig will Peters auch über Diana Torrs Leben erzählen, sie will
über die Geschlechterfrage nachdenken. Genau das wirkt aber an einigen
Stellen bemüht. Natürlich ist – hier verharrt Peters in alter
Judith-Butler-Manier – Geschlecht ein Konstrukt, doch was bewegt diese
Frauen wirklich, was nehmen sie aus dem Seminar mit – diese Fragen kommen
zu kurz.
Katarina Peters hätte sich vielleicht eher an ihre Freundin Diana Torr
halten sollen. Denn Torrs Leben ist aufregend genug. Im Jahr 1976 schließt
sie am Dartington College of Arts ihr Studium ab und geht nach New York.
Sie verdient ihr Geld als Gogotänzerin, ist schnell von den zehn
verschiedenen Tanzposen gelangweilt, kann ihr erlerntes Wissen jedoch für
ihre Performances nutzen. Torr hat sich intensiv mit dem Körper
beschäftigt, mit Gesten und auch mit der Geschlechterfragen. Sie ist
Mutter, Performerin und Intellektuelle. Sie weiß, worüber sie spricht.
Katarina Peters will allen Frauen und Diana Torr Raum bieten, das ist
ehrenwert, hilft jedoch dem Film nicht – im Gegenteil. Die Idee und
Geschichte sind gut, sie sind interessant und berechtigt, doch es hätte
mehr Progressives beigesteuert werden können als „Geschlecht ist ein
Konstrukt“, denn genau diese These erschöpft sich relativ schnell.
Man for a Day", Regie: Katarina Peters. Dokumentarfilm, Deutschland 2012,
96 Min.
18 Jul 2012
## AUTOREN
Enrico Ippolito
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