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# taz.de -- Neckermann-Insolvenz: Die Onliner der Nachkriegsära
> Der Versandhandel Neckermann ist zahlungsunfähig. Mit dem Unternehmen
> stirbt ein Stück Heimatgefühl der bundesdeutschen Wirtschaftswunderjahre.
Bild: Inzwischen ist es 5 nach 12 bei Neckermann.de.
Ist diese Nachricht noch ein echter Aufreger? Grämt sich nun die halbe
Republik wie bei dem Bankrott der Drogeriekette Schlecker und sorgt sich um
die sogenannten Schlecker-Frauen? Nein, Überschriften wie „Versandhändler
Neckermann ist pleite“aus dem Manager Magazin Online provozieren allenfalls
Achselzucken.
Pleiten gibt’s überall, Krise ist allen Ökonomien innewohnend – und jetzt
hat es eben ein Unternehmen getroffen, das dem US-Finanzinvestor Sun
Capital seit 2008 gehört und für diesen keine lohnenden Umsatzzahlen mehr
erzielt.
In der Sprache der Betriebswissenschaft heißt das: „Insolvenz“. Zahlungs-
und Geschäftsunfähigkeit also. 2.000 MitarbeiterInnen (überwiegend
weiblich) sind von dieser Pleite betroffen; man darf davon ausgehen, dass
sie durch waches gewerkschaftliches Engagement nicht allzu hart auf die
Böden der marktwirtschaftlichen Tatsachen aufprallen.
Sagt diese unternehmerische Insolvenz mehr aus, als dass da eine Firma
nicht mehr profitabel genug ist? Klar, der Konkurs belegt auch, dass es
viele Konsumenten nicht mehr so luftig auf den Konten haben – vor allem
solche nicht, die weder Ramsch – Kik etwa – kaufen wollen, noch Zugang zu
Higher-End-Labels (Armani, D & G etc.) im textilen Bereich haben. Das
ästhetische Mittelmaß, für das Neckermann immer stand – nicht allzu fad,
vor allem aber nicht zu grell – verkauft sich nur zäh.
## Konsuminszenierung zieht
Das allerdings geht auch anderen Unternehmen so: Schlecker ist an einer
unternehmerischen Strategie gescheitert, die auf Sammelsurisches, auf das
Einerlei der Masse setzte. Nicht auf Konsuminszenierungen wie etwa das
Konzept ökoambitionierter Hipness, auf welches die florierende Hamburger
Drogeriekette Budnikowsky setzt.
Allerdings war und ist Schlecker nicht so sehr gründlicher und
grundlegender Bestandteil der bundesdeutschen Wirtschaftswunderära wie
Neckermann, das nicht nur ein Kaufhaus in Katalogform war, sondern neben
Quelle das Katalogunternehmen schlechthin. „Neckermann macht’s möglich“:
ein Satz, ein Musikjingle. Das zündete, das sitzt tief in allen Gemütern,
die hierzulande älter als 40 Jahre sind.
Neckermann, das war durch seinen Gründer Josef N. das Unternehmen, das die
schöne, neue, friedensstiftende Warenwelt über die Metropolen hinaus in
tiefste Täler und Ebenen brachte. Kataloge waren die Onliner der
Nachkriegsära.
Und ihr bester Werbeträger war besagter Josef N. selbst. Ein Mann, der
auratisch das Gegenteil heutiger Hedgefondsmanager verkörperte; kein
fit-alerter, powerpointschnarrender Funktionär des Kapitalismus. Eher ein
Mensch, von dem man glaubte, dass er bei gutem Cognac der Belegschaft im
Dezember persönlich den Weihnachtsmann gab.
## Neckermann, der Patriarch
Einer der über seine Passion, das Dressurreiten, der Nation Medaillen
schenkte und Ende der Sechziger das Sporthilfe-Leistungssportfördersystem
ins Leben rief: Neckermann, das war der Patriarch, der auf die Seinen
aufzupassen wusste – faktisch ein Arisierungsprofiteur, was allerdings
zeitgenössisch passend nicht gern erörtert wurde.
Jüngeren erschließt sich diese – fast könnte man sagen: Magie einer – Fi…
aus der reinen Lehre der sozialen Marktwirtschaft nicht mehr. Neckermann
ist aus der Mode, es ist fast bemitleidenswerter, sich auf diese Marke zu
beziehen, als auf das gänzlich unter Spießigkeitsverdacht stehende Kaufhaus
C & A. Dennoch bleibt das seltsame Gefühl, dass mit dem Neckermannversand
ein Stück Topografie von Heimatlichkeit der nach 1950 Geborenen planiert
wurde. Obwohl diese Marke für vieles stand, nur nicht mehr für: Verheißung.
19 Jul 2012
## AUTOREN
Jan Feddersen
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