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# taz.de -- Wallenberg-Biografie zum 100. Geburtstag: Das lange Überleben eine…
> Raoul Wallenberg rettete Juden. Sein ungeklärtes Schicksal wurde während
> des Kalten Krieges interessant – für die CIA und das ZDF, wie eine neue
> Biografie nun ausführt.
Bild: Amerikanische Wallenberg-Briefmarke: Das Interesse der USA an Wallenberg …
Am 28. November 1977 berichtet Simon Wiesenthal, Jäger von Naziverbrechern,
in Rom sensationelle Neuigkeiten: Raoul Wallenberg ist am Leben. Ein Zeuge
habe ihn noch vor zwei Jahren in einer psychiatrischen Klinik in Irkutsk
gesehen. Dorthin verlegt worden sei Wallenberg kurz zuvor von einem
Gulag-Lager auf der arktischen Wrangel-Insel.
Die Nachricht war der Startschuss für eine regelrechte
Wallenberg-Renaissance. Das Schicksal des schwedischen Diplomaten, der in
den letzten Monaten des Krieges in Budapest mit seinen „Schutzpässen“
Zehntausenden Juden das Leben gerettet hatte und vermutlich 1947 auf
Anweisung Stalins in der Sowjetunion hingerichtet worden war, entwickelte
sich in den darauf folgenden Jahren zu einem stetig wiederkehrenden Thema
der internationalen Medien.
Ein Zufall war das nicht. Wallenberg habe US-amerikanischen Interessen
perfekt ins Konzept gepasst, meint die schwedische Journalistin Ingrid
Carlberg. Sie hat aus Anlass seines 100. Geburtstags am 4. August 2012 eine
umfangreiche Wallenberg-Biografie veröffentlicht. Und in der liefert sie
bislang unbekannte Hintergründe darüber, welche Rolle die USA in Bezug auf
den späteren Mythos Wallenberg spielten.
## Ist Wallenberg am Leben?
Mit seinem Verschwinden in der Sowjetunion war Wallenberg zumindest
außerhalb Schwedens – das sich auffallend wenig um sein Schicksal kümmerte
– bald auch aus dem Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit
verschwunden. Bis er Ende der 70er Jahre in den USA neu „entdeckt“ wurde.
Nach den „Realpolitikern“ Richard Nixon und Gerald Ford, die eine Politik
der Nichteinmischung in die inneren sowjetischen Angelegenheiten – das galt
auch für Menschenrechtsfragen – verfolgt hatten, habe sich für den 1977
angetretenen US-Präsidenten Jimmy Carter der Fall Wallenberg als „das
ultimative Beispiel für das Böse im Sowjetsystem“ angeboten, meint
Carlberg. Eine schon zu Stalin-Zeiten verstorbene Person hätte sich für
diese Rolle aber nur bedingt geeignet. Doch was, wenn der 1945
Verschwundene noch leben und in einem sowjetischen Gefängnis vor sich
hinvegetieren würde?
## Der Zeuge ein Lügner
Simon Wiesenthal wusste bald, dass der von ihm präsentierte „Zeuge“ ein
Lügner war und teilte dies auch in einem privaten Schreiben im Januar 1978
den Wallenberg-Angehörigen mit. In den USA hinderte dies aber weder
Politiker noch Medien daran, die Geschichte über einen möglicherweise noch
lebenden Wallenberg am Leben zu halten. Eine zentrale Rolle spielte dabei
laut Carlberg-Recherchen die CIA. Deren Budget für das Programm
„Menschenrechte in der UdSSR und Osteuropa“ sei kräftig aufgestockt worden.
Journalisten, die über Wallenberg berichten wollten, wurden großzügig
Reisen und andere Ausgaben finanziert. In einem internen Promemoria galten
sie als mögliche CIA-Rekrutierungsbasis, „publishing assets“, da sie meist
eine antisowjetische Haltung hätten.
Artikel und Filme wurden bestellt, gesponsert und im Detail inhaltlich
gelenkt. Ohne dass – so Carlberg – allerdings mit Sicherheit gesagt werden
könne, ob den betroffenen Journalisten die CIA-Steuerung wirklich bewusst
gewesen sei. Und hier kommt auch das ZDF ins Spiel. „Raoul Wallenberg
Personality Files“ der CIA belegten „eine ganz entscheidende Rolle“
(Carlberg), die das „ZDF-Magazin“ des Gerhard Löwenthal bei der Lancierung
eines angeblichen neuen Zeugen – Abraham Kalinski – für einen noch in den
70er Jahren lebenden Wallenberg spielte.
Zwar erwies sich auch Kalinski schnell als unglaubwürdig. Doch es seien
infolge des ZDF-Programms „massenweise Artikel“ in westlichen Medien über
diesen „falschen Zeugen“ erschienen und der Fall Wallenberg habe eigentlich
erst damit wirklich international Aufmerksamkeit bekommen, erinnert sich im
Carlberg-Buch der schwedische Diplomat Sven Hirdman, Exbotschafter in Tel
Aviv und Moskau. Die CIA zeigte sich mit der über das ZDF lancierten
Geschichte hochzufrieden. Intern wurde diese in einem Telegramm als
„CA-sponsor feature“ geführt, wobei CA für „covert action“, „verdec…
Aktion“ steht. Man hoffte, damit die antikommunistische Stimmung verstärken
zu können. Und das nicht nur in Deutschland, sondern auch in den USA oder
Schweden. „Die Raoul-Wallenberg-Angelegenheit ist auch weiterhin in
höchstem Maße anwendbar, um auf den Bruch von Menschenrechten durch die
Sowjetunion aufmerksam zu machen“, konstatierte das CIA-Hauptquartier 1980
in einem Telegramm.
## Interesse verschwand
Das Interesse der USA an Wallenberg verschwand so schnell, wie es gekommen
war. 1985 wurde Michail Gorbatschow in Moskau KP-Generalsekretär. „Auch für
die eingefleischtesten Kalten Krieger im US-Außenministerium“ habe nun der
Schwede Wallenberg nicht mehr auf die Agenda gepasst, schreibt Ingrid
Carlberg.
Wallenberg sei vermutlich am 17. Juli 1947 gestorben, stellte eine unter
Gorbatschow eingesetzte gemeinsame russisch-schwedische
Untersuchungskommission 2001 nach zehnjähriger Arbeit fest. Die
Hintergründe seines Todes sind aber nach wie vor ungeklärt.
24 Jul 2012
## AUTOREN
Reinhard Wolf
## TAGS
Schweden
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