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# taz.de -- Klimafolgen im Norden: Killerkeim im Meer
> In der Ostsee fühlt sich ein Bakterium immer wohler. Das am stärksten
> sich erwärmende Meer auf dem Globus beherbergt einen Erreger, der ab 20
> Grad Wassertemperatur tödliche Infektionen hervorrufen kann.
Bild: Tödliche Gefahr: Ab 20 Grad Wassertemperatur wird das Bakterium Vibrio v…
HAMBURG taz | Der Klimawandel ist Schuld. Wärmer werdendes Meerwasser
fördert die Ausbreitung bestimmter Bakterien und erhöht die Gefahr von
schweren Infektionskrankheiten. Das gelte vor allem für das mit dem
Cholera-Erreger verwandte Bakterium Vibrio vulnificus und für die Ostsee.
Das ist das Ergebnis von Untersuchungen, die ein internationales
Forscherteam vom Meeresinstitut im britischen Weymouth jetzt im Fachmagazin
Nature Climate Change veröffentlichte.
Das sei „einer der ersten Belege dafür, dass der Klimawandel
Vibrio-Krankheitserreger auch in gemäßigte Regionen vordringen lässt“,
schreibt Studienleiter Craig Baker-Austin. Wegen ihres relativ geringen
Salzgehalts und der überdurchschnittlich starken Erwärmung zählt die
deutsche Ostseeküste zu den gefährdetsten Gebieten weltweit.
Nach Angaben des schleswig-holsteinischen Gesundheitsministeriums gibt es
„noch keine Anzeichen für eine akute Gefährdung“ durch die
Krankheitserreger. In 800 Wasserproben, die im Sommer vorigen Jahres an
Badestellen vor den Ostseestränden gezogen wurden, sei das Bakterium nur
einmal nachgewiesen worden, sagt Behördensprecher Christian Kohl.
Leider würden Berichte „über neue Krankheitserreger, die eine größere
Gefährdung für die Menschen darstellen, zur Verunsicherung in der
Bevölkerung führen“, heißt es im aktuellen Faltblatt „Gesundes Baden in
Schleswig-Holstein“. Dabei sei „eine Beeinträchtigung der
Badewasserqualität unwahrscheinlich“. Dennoch weise das
Gesundheitsministerium über die Landesärztekammer die Mediziner im Land und
vor allem die Badeärzte in den Ostseebädern regelmäßig „über das
Krankheitsbild und die erforderliche Therapie“ hin, so Kohl.
Die Vibrio-Bakterien brauchen niedrige Salzgehalte und Wassertemperaturen
von mehr als 15 Grad, ab 20 Grad fühlen sie sich erst so richtig wohl.
Bislang war die Ostsee in weiten Teilen zu kalt, so dass die Erreger nicht
auf Dauer überleben konnten. Durch den Klimawandel hat sich dies jedoch
geändert. „Allein zwischen 1982 und 2007 sind die Wassertemperaturen in der
Ostsee um 1,35 Grad Celsius angestiegen – das ist siebenmal mehr als im
globalen Durchschnitt“, heißt es in der britischen Studie. Die Ostsee sei
damit „das sich am schnellsten erwärmende Meeresökosystem“ auf dem Globus.
Das warme Ostseewasser bietet den Krankheitserregern verbesserte
Lebensbedingungen. Sie können sich schneller vermehren und auch ihre krank
machende Wirkung nimmt zu, wie die Forscher berichten. Während der extrem
warmen Sommer 1994, 2003 und 2006 habe es an der Ostseeküste bereits
zahlreiche Berichte über infizierte Wunden und auch schwere Krankheitsfälle
gegeben.
So seien im bislang letzten besonders heißen Sommer 2006 zwei Personen vor
Usedom erkrankt und drei an der südschwedischen Küste. Zwei weitere
zunächst rätselhafte Krankheitsfälle 2004 in Mecklenburg, von denen einer
tödlich endete, werden im Nachhinein ebenfalls mit Vibrio vulnificus in
Verbindung gebracht.
Inzwischen ist der Erreger auch in der Nordsee nachgewiesen worden, obwohl
diese salziger und in der Regel kühler ist als das Binnenmeer im Osten. In
acht von 91 Proben an der niedersächsischen Küste wurde das Bakterium
entdeckt sowie bei routinemäßigen Lebensmitteluntersuchungen auch in
Nordsee-Garnelen, so das Landesgesundheitsamt in Hannover.
Die Ratschläge der Experten sind eher dürftig. Wer eine offene Wunde habe,
und sei es nur eine Schramme, solle lieber nicht baden gehen. Zudem erhöhe
jedes Grad mehr an Wassertemperatur die Infektionswahrscheinlichkeit um das
1,93-fache, so die britische Studie.
Die Wasserberichte am Donnerstag wiesen für die Nordseeküste Temperaturen
von 17 bis 18 Grad aus, für die Ostsee in der Lübecker Bucht 19 bis 20
Grad. Und der Sommer beginnt ja jetzt erst.
26 Jul 2012
## AUTOREN
Sven-Michael Veit
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