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# taz.de -- Indischer Film „Gandu“ auf DVD: Auf Krawall gebürstet
> „Gandu“ fällt völlig aus dem formalisierten Rahmen des indischen Kinos.
> Sex, Gewalt, Drogen – die anarchische Bilderflut ist der bizarre
> Gegenentwurf zu Bollywood.
Bild: Ist in Indien nur mit Sondergenehmigung gestattet: Leidenschaftlicher Kus…
Dies ist kein Bollywoodfilm. Er hat auch mit dem Parallel Cinema, der
indischen Arthousevariante, rein gar nichts zu tun. Es ist überhaupt kein
Film, wie es ihn im indischen Kino je gegeben hätte oder, ginge es nach der
Zensur, überhaupt geben dürfte. In einem Land, in dessen Mainstreamkultur
schon ein Kuss zum Problem wird, da mögen die Saris noch so andeutungsvoll
fliegen oder sich schmiegen, kann ein Film wie „Gandu – Wichser“ derzeit
tatsächlich nur mit Sondergenehmigungen des Ministeriums regulär aufgeführt
werden.
„Gandu“, der Film, nimmt nämlich kein Blatt vor den Mund, er ist ein
richtiger Bastard, der keine Gefangenen macht. Sprunghaft, laut, schnell,
Schrift knallt ins Bild, digital billig gedreht in Schwarz-Weiß, die meiste
Zeit jedenfalls, gegen Ende gibt es eine Passage, die ist quietschbunt, und
sie ist außerdem pornografisch, stolz ragt da – und nicht zum ersten Mal –
Gandus Schwanz beim Sex mit einer Prostituierten.
„Gandu“ heißt Wichser, Arschloch, etwas Unflätiges dieser Art, und Gandu,
der Teenagerheld, der Protagonist dieses Films, nennt sich selbst so. Er
singt es und rappt es in Punk-Attitüde hinaus, das ist dann auch die
einzige Nähe zur Bollywoodform, dass es ganz rasant von Spielhandlung zu
Gesang geht und wieder zurück.
Gandu ist ein Underdog aus Kalkutta, ohne Job, sexuell und auch sonst
schwer frustriert, aggressiv, ziemlich allein, die Wut geht in die Musik,
und in den sehr unverblümten Texten, die Gandu rappt, spricht sie sich aus.
Beim Pornogucken im kahlen Zimmer holt Gandu sich einen runter, und wenn
seine Mutter Sex hat, stiehlt er sich wie ein Hund ins Schlafzimmer, robbt
über den Boden und klaut ihr, sie stöhnt und merkt nichts, das Geld aus der
Börse.
## Kein unmittelbar erkennbarer Sinn
Ein ganz schönes Elend, das Regisseur Q schildert, aber mit Sozialrealismus
lässt sich der Film von Anfang an kaum verwechseln. Zu wild treibt er es,
zu selbstbewusst setzt er sich und seinen Helden in Szene, zu rabiat
bürstet er Inhalt und Form auf Krawall, zu sehr ist von Anfang an alles
Fragment und in Fetzen.
Gandu beginnt eine Freundschaft mit Rikscha, der sein Geld, wie der Name
schon sagt, als Rikschafahrer verdient. Sie treiben sich rum, sie reißen
auch aus, hinaus aufs Land, sie nehmen Drogen, die so heftig sind, dass der
Film selbst zu trippen beginnt. Man weiß dann auch als Zuschauer nicht
mehr, wo hinten ist und wo vorne, gerät in Loops und
Wiederholungsstrukturen, und nicht alles ergibt unmittelbar Sinn.
Irgendwo auf dem Land vor einem Yggdrasil-artigen Baum kommt mit dem Auto
dann gar der Regisseur Q (eigentlich: Kaushik Mukherjee) in den eigenen
Film reingefahren, und Rikscha erklärt Gandu: das ist Q, der dreht einen
Film über dich. So einen Quatsch hat Gandu ja noch niemals gehört, im
Splitscreen stehen sie alle noch ein bisschen im Bild rum, dann fährt Q
auch wieder davon.
Q traut sich, Q liebt es drastisch, Q hat Witz und ist dreist, Q wollte
seiner Frustration Ausdruck geben und einen Film drehen, wie es in Indien
noch kei- nen gab, und es ist ihm gelungen. Völlig zu Recht verweist er in
Interviews auf sex- und experimentierfreudiges Körperkino aus Korea und
Japan und darauf, dass er hier kein Rad neu erfindet; trotzdem haut einen
das, wenn es aus Indien kommt, erst einmal um. Man hat das Gefühl, dass
hier etwas Neues beginnt, und sollte dem bewunderungswürdig
entdeckungsfreudigen Label Bildstörung danken, dass es den Film, der 2011
im Berlinale-Panorama lief, auf DVD herausgebracht hat.
## „Gandu - Wichser“ (Indien 2010, Regie: Q). Die DVD ist in
unterschiedlichen Editionen ab rund 19 Euro erhältlich
2 Aug 2012
## AUTOREN
Ekkehard Knörer
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