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# taz.de -- Angriff auf Aleviten: Mob vor der Tür
> Eine alevitische Familie wird von sunnitischen Muslimen in Tempelhof
> bedroht.
„Ich habe einfach nur Angst um meine Familie“, sagt der schmale junge Mann
auf dem Podium. Dann erzählt er, dass die Familie seit dem Vorfall vor
einer Woche in einem Schockzustand lebe. Eine ältere Frau neben ihm wischt
sich die Tränen aus den Augen. Das, was die beiden erfahren mussten, kennen
die 200 Gäste im Cemevi, dem Gemeindehaus der Alevitischen Gemeinde zu
Berlin in Kreuzberg, nur aus den türkischsprachigen Medien.
Die Erzählungen der beiden Berliner Aleviten erinnern an Bilder aus Malatya
im Osten der Türkei. Vor fast drei Wochen skandierte dort ein Mob vor dem
Haus einer alevitischen Familie mehrere Stunden lang Parolen wie „Tod den
Aleviten“. Besonders im Ramadan fallen Aleviten in muslimischen Kreisen
auf, da sie nicht fasten und in Moscheen beten wie die Mehrheit der
sunnitischen Muslime. „Ich hätte nie gedacht, dass so etwas mitten in
Berlin passieren kann“, erzählt der junge Mann weiter.
Am Abend des 10. August sei ein privater Streit zwischen einer sunnitischen
religiösen Familie und der alevitischen Familie in Tempelhof eskaliert. Die
anfangs privaten Vorhaltungen gingen nach und nach in einen Angriff auf den
liberaleren, alevitischen Glauben der Familie über. Plötzlich sei eine
Gruppe von 25 bis 30 jungen Männern vor der Parterrewohnung der Familie
aufgetaucht und habe die Familie bedroht. Einige der Männer sind offenbar
nach dem Fastenbrechen aus einer Moschee in die Straße der Familie gerufen
worden. Bis Mitternacht habe sich die wütende Gruppe nicht vertreiben
lassen. Mehrmals hätten Anwohner die Polizei gerufen.
Erst Anfang dieser Woche hatte der Vorsitzende der Alevitischen Gemeinde,
Ahmet Taner, von dem Angriff erfahren. „Wir haben drei Tage lang überlegt,
ob wir damit an die Öffentlichkeit gehen sollen“, erzählt er. Beleidigungen
und Unterstellungen würde jeder im Raum kennen, berichtet Taner. Diese
abweisende Haltung den Aleviten gegenüber habe in der Türkei eine
jahrhundertalte Geschichte. Die öffentliche Debatte am Donnerstagabend
solle deshalb als Zeichen gegen Diskriminierung gewertet werden, so Taner.
Später betonen Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) sowie der
Abgeordnete Hakan Tas (Linke) die Vielfältigkeit Berlins. Zum Abschluss
zitiert Kolat sogar Rosa Luxemburg: „Freiheit ist immer die Freiheit des
Andersdenkenden.“ Tas kündigt an, den Vorfall im Innenausschuss zur Sprache
zu bringen.
17 Aug 2012
## AUTOREN
Ebru Tasdemir
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