# taz.de -- Kommentar über Beschneidung: Schimäre des Säkularen | |
> Diese Gesellschaft ist nicht so frei von Religion, wie es viele gerne | |
> hätten. Der Staat kann Einfluss darauf nehmen, wie Beschneidungen | |
> vorgenommen werden. Mehr ist nicht drin. | |
Bild: Messer und Eichelschutz, die Beschneidungswerkzeuge von Rabbi Goldberg. | |
Die Beschneidung aus religiösen Gründen verträgt sich schlecht mit einer | |
säkularen Gesellschaft. Es handelt sich um einen Initiationsritus, bei dem | |
kleine Kinder in eine Religionsgemeinschaft aufgenommen werden, von der sie | |
nichts wissen und für die sie sich nie entschieden haben. Ähnliches gilt | |
für die Taufe, allerdings ist diese nicht mit einem medizinischen Eingriff | |
verbunden, der dazu noch schmerzhaft sein kann. | |
Ginge es darum, dass die Beschneidung medizinisch sinnvoll ist, wie manche | |
behaupten, wäre die Diskussion eine andere. Doch es geht um religiöse | |
Identität, genauer: um muslimische und jüdische Identität. Das macht es | |
schwierig, denn wenn Muslime und Juden die Beschneidung als nicht | |
verhandelbar ansehen, werden sie davon auch nicht ablassen – und wenn sie | |
dafür zum nächsten Hinterhof-Beschneider gehen. | |
Vielleicht ist an der Zeit anzuerkennen, dass diese Gesellschaft nicht so | |
säkular ist, wie es viele gerne hätten. Schließlich ist es ja auch nicht | |
verboten, seine Kinder religiös zu indoktrinieren – das garantiert die im | |
Grundgesetz verankerte Religionsfreiheit. | |
Letztlich kann es nur noch um Schadensbegrenzung gehen: Der Staat kann | |
Einfluss darauf nehmen, wie Beschneidungen vorgenommen werden und von wem. | |
Mehr ist nicht drin. Eine Gesellschaft kann nur so säkular sein wie die | |
Menschen, die in ihr leben. | |
17 Aug 2012 | |
## AUTOREN | |
Daniel Wiese | |
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