# taz.de -- Ferngesteuerte Spielzeuge: Männer mit Booten | |
> Im Hamburger Stadtpark gibt es einen See, an dem Männer Schiffe fahren | |
> lassen, die so aussehen wie echt, nur kleiner. Als Alibi haben sie ihre | |
> Söhne dabei, manchmal kommen Frauen mit. | |
Bild: Ferngesteuerte Boote im Hamburger Stadtpark: Wenn etwas hanseatisch ist, … | |
HAMBURG taz | Die Feuerwehr kommt, weil im Stadtpark einer zu doll grillt. | |
Das Planetarium sehen wir im Dunst. Viele feine Rauchschwaden davor. Und | |
viel Grün. Ein paar Leute sitzen im Schatten unter den Bäumen. Eine Frau | |
hält ihre Füße in den Teich. Kinder auch. Das Wasser ist lau. Mann – ist | |
das warm. | |
„Teich“ ist die offizielle Bezeichnung für den runden See im Stadtpark. | |
Erst kommt die Saarlandstraße, dann ein Blumenbeet, dann der „Teich“. Hat | |
eine Umfassung, auf der man sich niederlassen kann. | |
Immer abends, wenn das Wetter schön ist, ganz besonders an Wochenende, | |
sitzen hier mehr oder weniger junge Männer und lassen ferngesteuerte Boote | |
übers Wasser fahren. Wenn etwas hanseatisch ist, dann das. Manchmal sitzt | |
morgens um sieben schon einer da, allein und in sich versunken, guckt | |
seinem Schiff nach, das auf den Wellen schaukelt. Am frühem Nachmittag | |
werden es mehr. | |
Der Mann der Frau, die ihre Füße in den Teich hält, heißt Andreas und lässt | |
ein ferngesteuertes Speedboot übers Wasser flitzen. Macht eine riesen | |
Welle. Andreas ist 44 und von Beruf Techniker. Sein Speedboot, in orange | |
und schön mit Jägermeister-Werbeaufdruck, macht Gischt, und wenn es auf die | |
beiden kleinen Mädchen am anderen Ende des Teichs zurast, dann zucken die | |
ein bisschen, bevor Andreas in einer schönen Schlaufe backbord vor ihnen | |
abdreht. | |
Andreas weiß, wovon er spricht, denn er saß mal in einem richtigen | |
Speedboot: „Auf der Krim, das Problem war, der Fahrer hat das Boot nicht | |
wirklich beherrscht.“ Er beherrscht seines. | |
Da kommt Werner, der Nestor der ferngesteuerten Boote. Werner mit der | |
schwarzen Tragetasche, aus der ein weißes Segel oben rausguckt. Er packt | |
sein filigranes Segelboot vorsichtig aus. Der unvermeidliche Schnacker ist | |
auch da, der alles weiß und jeden kennt. Trägt Strohhut, raucht | |
Selbstgedrehte. | |
Andreas’ Boot im Maßstab 1:8 hat mit dem Modell, das er mal gekauft hat, | |
nur noch wenig zu tun. Das gepimpte Boot hat nun ein neues Design sowie | |
„Wasserkühlung und einen stärkeren Motor“. Der hat 16 Volt und gibt an | |
Entladestrom 80 Ampere ab. Den Fachleuten sagt das was. | |
Höchstgeschwindigkeit: über 60 Kilometer pro Stunde. Das sagt allen was. | |
„Kann man“, erklärt Andreas, „hier nicht ausfahren.“ Die Tendenz, sagt | |
Andreas’ Freundin, „geht zum Zweit- und Drittboot“. | |
Drüben kommen drei mit zwei Booten, die so schwer sind, dass sie per | |
Gestell gewassert werden. Blau und rot. Könnten Vater und Sohn sein und ein | |
Bekannter. Von der Silhouette her haben sie Versorgungsschiffe von | |
Bohrinseln dabei. | |
Die Männer strahlen mit der Sonne um die Wette. Jeder hier weiß, dass die | |
Söhne, wie bei manchem anderen auch, das Alibi abgeben fürs Hobby des | |
Alten. Als Väter müssen wir erwachsen werden, darüber tröstet das Spielen | |
hinweg. | |
Nach einer halben Stunde macht ein Holzboot, flach und sauschnell, zusammen | |
mit Andeas’ „Jägermeister“ den Teich unsicher. Die beiden Flitzer heben | |
dann und wann ab und dann patscht es ein bisschen, wenn sie wieder Wasser | |
unterm Bug haben. Ein paar Meter zur Saarlandstraße hin traben die Jogger | |
vorbei, Zunge klebt am Gaumen, sie würden gerne in den See springen, aber | |
tapfer, wie sie sind, laufen sie weiter. | |
„Es kommen viele hierher“, sagt Andreas’ Freundin, „und gucken nur zu.�… | |
Gucken ist sehr entspannend. Das machen Leute ja auch an der Autobahn, | |
sitzen da, und gucken, wie die Autos vorbeifahren. Oder bei Zügen, oder am | |
Flughafen, und an der Elbe. Kann man in einen Zustand zwischen Wachen und | |
Träumen geraten. | |
Werner hat sein Segelboot ausgepackt und seine Fernsteuerung aus dem | |
Handtuch gewickelt. Werner sieht ein bisschen so aus, als würde er die | |
Weltmeere aus eigener Anschauung kennen. Redet nicht gern. Ein Opa kommt | |
mit seinem Enkel und zwei großen Holzkisten. Alfred, der Opa, und Henrik, | |
der Enkel, haben den Raddampfer, den sie da mitgebracht haben, selbst | |
gebaut. „Das Original fährt auf dem Nord-Ostsee-Kanal“, weiß Opa Alfred. | |
Derweil ist noch ein gelb-schwarzes Teufelchen auf dem Wasser unterwegs, | |
klein und rasant, das sich ständig überschlägt vor Tempo: der | |
„Offshore-Warrior“. Er fliegt übern Teich, wenn er auf dem Rücken landet, | |
dreht er sich automatisch auf die richtige Seite und weiter geht’s. Opa | |
Alfred und Enkel Henrik drehen mit ihrem Raddampfer nur eine kleine Runde. | |
Technische Probleme. Ab nach Hause, weiter basteln. Werner entscheidet | |
sich, nachdem er alles ausgepackt hat, wieder einzupacken. Irgendwas ist | |
ihm heute nicht geheuer. | |
Andreas hat auch genug. Die hohe Leistung bezahlt sein | |
Hochgeschwindigkeitsboot mit relativ kurzen Fahrzeiten. Andreas’ Freundin | |
erlaubt sich die Abschlussbemerkung: „Nix kaputt gegangen.“ Worauf er | |
antwortet: „Heute nicht.“ | |
21 Aug 2012 | |
## AUTOREN | |
Roger Repplinger | |
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