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# taz.de -- Nahverkehr: S-Bahn voll neben der Spur
> In Tegel entgleist ein S-Bahn-Zug, sechs Menschen werden verletzt.
> Mögliche Ursache: eine defekte Weiche.
Bild: Die entgleisten Waggons an der Strecke zwischen den Bahnhöfen Tegel und …
Das Bild erschreckt: Ein S-Bahn-Waggon schwebt der Länge nach schräg über
den Schienen, ein zweiter hat sich ins Gleisbett gebohrt. In der Luft liegt
Ölgeruch, die Gleise sind mit weißem Pulver bedeckt. Daneben zerfetzte
Reste der Stromschiene. „Die Fahrgäste hatten Glück“, sagt
Feuerwehrsprecher Rolf Erbe. Sechs Verletzte – das ist die vorläufige
Bilanz eines S-Bahn-Unfalls im Reinickendorfer Ortsteil Tegel. Die genaue
Ursache war am Dienstagabend noch ungeklärt. Sicher ist: Der Zug entgleiste
durch eine fehlerhafte Weiche.
Die S-Bahn der Linie S 25 war am Dienstagvormittag unterwegs nach
Hennigsdorf. Der Unfall ereignete sich wenige hundert Meter hinter der
Haltestelle Tegel, an dieser Stelle wird die Strecke eingleisig betrieben.
Als der Zug mit sechs Waggons um 11.45 Uhr kurz nach einem beschrankten
Bahnübergang eine Weiche passierte, stellte diese sich plötzlich um. Die
vier hinteren Waggons gerieten auf ein Nebengleis, zwei davon – der
mittlere Zugteil – sprangen aus den Schienen. Die S-Bahn GmbH ging davon
aus, dass der entgleiste Zug mit 40 Stundenkilometern unterwegs war.
## Besonnene Fahrgäste
Schon kurz nach dem Unfall traf die Feuerwehr mit einem Großaufgebot und
schwerem Gerät vor Ort ein. „Die Stimmung war sehr ruhig, die Fahrgäste
sehr besonnen“, sagte Feuerwehr-Sprecher Erbe. Fünf Passagiere seien mit
Prellungen und ähnlichen Verletzungen ins Krankenhaus gebracht worden. Der
Zugführer erlitt einen Schock, die restlichen der rund 50 Fahrgäste kamen
mit dem Schrecken davon.
Nach abgeschlossener Evakuierung begann die Spurensuche. Deutlich ist am
Unglücksort zu erkennen, wie sich direkt hinter der Weiche die Gleise auf
mehreren Metern verbogen haben. Warum die Weiche sich umstellte, während
der Zug über sie rollte, sollen nun technische Sachverständige klären. Per
Hubschrauber wurden Luftbilder des Streckenabschnitts gemacht.
Währenddessen leitete die Bundespolizei ein Strafverfahren gegen unbekannt
wegen gefährlichen Eingriffs in den Schienenverkehr ein. „Wir gehen aber
nicht von einer Manipulation aus“, sagte Sprecher Maik Gauer. Denkbar sei
betriebliches, aber auch menschliches Versagen. Verkehrssenator Michael
Müller (SPD) wollte sich am Dienstagabend vor Ort ein Bild von der Lage
machen.
Laut S-Bahn-Sprecher Ingo Priegnitz befindet sich der Abschnitt der S 25
zwischen den Bahnhöfen Tegel und Schulzendorf in einem normalen Zustand:
„Die Strecke wird regelmäßig überprüft.“ Was Priegnitz bestätigte: Am
Montagnachmittag war ein Blitz ins Tegeler Stellwerk der S-Bahn
eingeschlagen. Daraufhin sei die Strecke bis Betriebsschluss gesperrt
gewesen. Ob es einen Zusammenhang zwischen Blitz und Unfall gab, soll nun
geprüft werden. Anwohner hatten am Montagabend beobachtet, dass am
nahegelegenen Bahnübergang die Schrankenanlage verrückt spielte.
Auch wenn die Tegeler Entgleisung glimpflich ausgegangen ist und ihre
Ursachen ungeklärt sind: Politische Folgen dürfte der Unfall haben. Der
Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) steht seit Monaten wegen des
Flughafendebakels unter Druck. Der S-Bahn-Unfall ruft ihm und der gesamten
Landesregierung in Erinnerung, dass der Airport nicht die einzige
Großbaustelle im Land ist.
## Der Bahn droht Druck
Sollten die Untersuchungen allerdings ergeben, dass eine defekte Weiche den
Zug entgleisen ließ, dürfte sich der Druck auf die Betreiber noch einmal
spürbar verschärfen. Schließlich hatte der Eigentümer der S-Bahn GmbH, die
Deutsche Bahn AG, wegen des geplanten Börsengangs jahrelang
Wartungspersonal eingespart und Werkstätten geschlossen.
Nach dem Unfall in Tegel ist die Strecke erst einmal gesperrt. Noch am
Dienstagabend sollte die Bundespolizei den Gleisabschnitt freigeben, danach
könnte die Bahn mit den Aufräumarbeiten beginnen. Dem rbb-Inforadio sagte
ein Sprecher der Bahn, ein Hilfszug solle die aus den Schienen gesprungenen
Wagen wieder aufs Gleis ziehen. Vermutlich dauerten die Aufräumarbeiten
mindestens bis Mittwochmittag.
21 Aug 2012
## AUTOREN
Johannes Kulms
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