Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Dutroux-Komplizin wird freigelassen: Vom Knast ins Kloster
> Die Exfrau des Kindermörders Marc Dutroux darf nach 16 Jahren in Haft
> unter Auflagen in ein Kloster ziehen. Ein Protestmarsch ist am Freitag
> geplant.
Bild: Bewährung: Für 120.000 Euro soll Michelle Martin im Kloster bewacht wer…
BRÜSSEL taz | Die Ehefrau des belgischen Kindermörders Marc Dutroux wird
nach Verbüßung der Hälfte ihrer Haftstrafe auf Bewährung freigelassen. Am
Dienstagnachmittag entschied der Brüsseler Kassationshof, dass Michelle
Martin ab sofort in einem Kloster in der Nähe der südbelgischen Stadt Namur
leben darf.
Eigentlich hätte sie noch weitere 14 Jahre im Gefängnis bleiben müssen.
„Wir haben eine Schlacht verloren, aber den Krieg noch lange nicht. Wir
werden weiter für eine Reform der belgischen Justiz kämpfen, damit so etwas
nicht noch einmal passiert“, sagte Jean-Denis Lejeune, der Vater eines der
Opfer von Marc Dutroux und Michelle Martin.
Die beiden hatten in den 90er-Jahren insgesamt sechs Mädchen und junge
Frauen entführt, vergewaltigt, zwei von ihnen ermordet und zwei weitere
verhungern lassen. Nach belgischem Recht haben Verurteilte Anspruch auf
Freilassung, wenn sie im Gefängnis gute Führung nachweisen können.
Michelle Martin war mit sechs solcher Anfragen gescheitert. Ende Juli gab
ihr ein Gericht recht. Zur Begründung hieß es, das Risiko, dass sie noch
einmal ähnliche Straftaten begehen könnte, sei „gering“. Sie habe
Fortschritte in der Therapie gemacht und zeige „Respekt“ gegenüber den
Opfern.
## Weder Wiedergutmachung noch Schadensersatz
Darüber können die Eltern der ermordeten Mädchen nur bitter lachen. Sie
haben seit der Verurteilung des Ehepaars keinerlei Wiedergutmachung
erhalten, auch keinen Schadensersatz, obwohl Michelle Martin dazu nach dem
Urteil verpflichtet wäre.
„Es geht uns nicht ums Geld, sondern ums Prinzip. Mit Respekt hat ihr
Verhalten jedenfalls nichts zu tun“, sagt Georges-Henri Beauthier, Anwalt
der Familie Lejeune. Die Tochter Julie Lejeune war von Dutroux entführt
worden. Während er in Haft saß, ließ seine Frau Julie und ein weiteres
Mädchen in ihrem Kellerverlies verhungern.
Entsprechend groß ist die Empörung in der belgischen Öffentlichkeit über
die vorzeitige Freilassung. Am vergangenen Sonntag haben rund 5.000
Menschen in Brüssel dagegen demonstriert. Ein weiterer Protestmarsch ist
für diesen Freitag im Städtchen Malonne geplant, wo Michelle Martin nun
Zuflucht in einem Kloster finden wird. Die dort lebenden elf Nonnen hatten
sich bereit erklärt, Dutroux’ Ehefrau aufzunehmen. Sie werde dort, erklärte
ihre Anwältin, mitarbeiten, um sich Kost und Logis zu verdienen.
Für die südbelgische Stadt ist das eine enorme Belastung. Der Bürgermeister
wollte keinerlei Details zu den Sicherheitsmaßnahmen öffentlich machen.
Medienberichten zufolge wird der Schutz von Martin allerdings rund 120.000
Euro im Monat kosten.
## Klage vor Menschenrechtsgerichtshof
Das Gericht hat der Verurteilten zwölf Bewährungsauflagen gemacht. Sie darf
zum Beispiel ihren Wohnort nicht ändern und sie muss ihre Therapie
fortführen. Außerdem ist ihr der Kontakt zur Presse und zu den Familien der
Opfer untersagt.
Die Revision am Kassationshof war die letzte Möglichkeit, in Belgien gegen
die Freilassung zu klagen. Nun will Jean-Denis Lejeune vor den Europäischen
Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg ziehen. Der Prozess dort wird
allerdings sicher einige Jahre dauern.
Politiker aus allen belgischen Parteien haben unterdessen zugesagt, nun
endlich die schon vor Jahren angestrebte Justizreform anzustoßen, um den
Opfern mehr Mitsprache bei der Entscheidung über vorzeitige Freilassungen
zu geben.
Die Familien der Opfer hoffen, dass diese Reformen möglichst bald kommen.
Denn auch Marc Dutroux hat sich bereits über seinen Anwalt zu Wort
gemeldet. Er hoffe sehr, ebenfalls bald das Gefängnis verlassen zu können,
sagte Dutroux nach der Freilassung seiner Ehefrau.
28 Aug 2012
## AUTOREN
Ruth Reichstein
## TAGS
Belgien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Justiz in Belgien: Dutroux beantragt Entlassung
Der verurteilte belgische Kindermörder Marc Dutroux beantragt unter
scharfen Sicherheitsvorkehrungen seine vorzeitige Haftentlassung. Die
Öffentlichkeit ist empört.
Kommentar Dutroux' Ex-Ehefrau: Eine Justizreform ist überfällig
Die Politiker in Belgien haben es seit dem Fall Dutroux versäumt, das
zweifelhafte Justizsystem zu reformieren. Dabei hatten sie dafür 16 Jahre
Zeit.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.