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# taz.de -- Krise beim Fußball-Zweitligisten: „Wir schlagen euch tot!“
> Der abgestiegene 1. FC Köln lässt den von Fans mit dem Tod bedrohten
> bedrohten Profi Kevin Pezzoni gehen. Damit setzt der Zweitligist ein
> fatales Signal.
Bild: Erstmal abgetaucht: Kevin Pezzoni.
KÖLN taz | Eigentlich kann es am Rhein niemanden ernsthaft verwundern, dass
nun der erste Fußballprofi zur Einsicht gelangt ist, nicht mehr für den 1.
FC Köln spielen zu können. Viel zu viel ist schon vorgefallen an diesem
abgründigen Fußballstandort, und doch war es „ein Schock“, wie
Abwehrspieler Christian Eichner sich ausdrückte, als der Zweitligist am
Freitagabend mitteilte, dass der Vertrag mit Defensivspieler Kevin Pezzoni
aufgelöst wurde.
Schon Karneval hatten FC-affine Gewalttäter Pezzoni die Nase gebrochen, am
vorigen Dienstag waren nun fünf Männer vor der Haustür des 23-Jährigen
aufgetaucht und hatten gedroht: „Komm raus, wir hauen dir eine rein.“ Auch
in einer Facebook-Gruppe mit dem Namen „Kevin-Pezzoni-und-Co-aufmischen“
wurde zur Gewalt gegen Spieler aufgerufen. Dort hieß es: „Weg mit der
Ratte!“ 445 User folgten dem Appell, der dann auf Druck des Klubs aus dem
Netz entfernt wurde.
Der Spieler habe am Ende vor jedem Pass gefürchtet, dass ein Fehler nicht
nur sportliche Konsequenzen habe könne, hieß es, „es sind Dinge
vorgefallen, die Kevin das Fußballspielen in diesem Klub nicht mehr
ermöglichen“, sagte Trainer Holger Stanislawski nach der 0:1-Niederlage
gegen Energie Cottbus und schilderte ein Beispiel: „Du kommst um halb zehn
mit deiner Freundin nach Hause und dann stehen da Leute vor der Tür. Sie
haben auch Zettel an sein Auto geklebt und ihm klargemacht, dass sie ihm
wehtun wollen. Damit haben diese Leute eine Grenze überschritten.“
Nun muss sich der 1. FC fragen lassen, ob er, indem er dem Druck von den
Rängen nachgibt, nicht ein fatales Signal setzt. Denn die Reihe der
Grenzüberschreitungen ist lang, nicht nur Pezzoni fühlt sich bedroht.
Eichner verließ das Stadion am letzten Spieltag der Vorsaison aus Angst vor
Übergriffen im Kofferraum des Autos seiner Eltern. Im April 2011
hinterließen Unbekannte eine brutale Botschaft auf den Werbebanden rund um
den Trainingsplatz: „Wenn ihr absteigt, schlagen wir euch tot!“
## Mitglieder der Ultra-Gruppierung „Wilde Horde“ vor Gericht
Im März griffen Kölner Kriminelle einen Bus mit Gladbacher Fans an. Steine
flogen, nur mit Mühe verhinderte der Fahrer einen schweren Unfall. Mit
etwas Pech hätten an diesem Tag wirklich Menschen ums Leben kommen können.
Und im April lauerten FC-Schläger dem Leverkusener Spieler Michal Kadlec
vor einer Diskothek auf und brachen ihm das Nasenbein. Und dass es sich bei
diesen Freunden der Gewalt nicht nur um fünf, sechs Einzeltäter handelt,
ist bei einem Prozess während der Sommerpause deutlich geworden.
Da standen zwei Mitglieder der Ultra-Gruppierung „Wilde Horde“ vor Gericht,
weil sie im Februar 2011 einen Polizisten verprügelt und schwer verletzt
haben sollen. Etwa 50 weitere Fans waren Zeugen des Angriffs gewesen, doch
keiner war bereit, gegen die Gewalttäter vor Gericht auszusagen.
Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn sprach danach von „kollektiver
Strafvereitelung“ und „übelsten gruppendynamischen Vorgängen“.
Der Klub selbst hat viel zu lange gebraucht, um die „Wilde Horde“, die die
Kriminellen in ihren Reihen schützt, vorzugehen. Ein Vorstandsmitglied hat
Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt. Einiges deutet sogar darauf hin,
dass das alte Präsidium die Unterstützung dieser auch auf
Mitgliederversammlungen recht einflussreichen Gruppe lange nutzte, um die
eigene Macht zu sichern. Es soll konspirative Treffen mit Anführern der
Gruppe gegeben haben, die Gewerkschaft der Polizei (GdP) erhob nach dem
Angriff auf den Polizisten schwere Vorwürfe gegen den 1. FC Köln.
„Wenn ein Verein Ultras öffentlich hofiert, obwohl bekannt ist, dass es aus
ihren Reihen in der Vergangenheit wiederholt zu massiven Gewalttätigkeiten
gekommen ist, stellt sich die Frage nach der Mitverantwortung des Vereins“,
sagte der nordrhein-westfälische GdP-Vorsitzende Frank Richter damals.
Dieser Vorwurf trifft so nicht mehr zu: Der „Wilden Horde“ wurden alle
Privilegien entzogen, und es ist auch nicht klar, ob die Drohungen gegen
Pezzoni wirklich aus dieser Gruppe kamen. Aber die Folgen ihres während
vieler Jahre wenig produktiven Umgangs mit Kriminellen im Klubumfeld haben
sie noch längst nicht in den Griff bekommen in Köln.
2 Sep 2012
## AUTOREN
Daniel Theweleit
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