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# taz.de -- Wahl in Kanada: Von der Uni ins Parlament
> Der frankokanadische Studentenführer Léo Bureau-Blouin organisierte
> Massenproteste in Québec. Jetzt soll er den Separatisten zu einem
> Wahlsieg verhelfen.
Bild: Bei Kanadas größten Studentenprotesten gingen im August in Québec Hund…
EDMONTON taz | In Kanada nennen sie ihn das „Babygesicht“, und tatsächlich
verbirgt Léo Bureau-Blouin sein jugendliches Alter nicht. Zwanzig Jahre alt
ist der Jurastudent aus Montréal, er trägt gern einen Dreitagebart und
wirkt manchmal so verstrubbelt, als habe er gerade seine Vorlesung
verpennt.
Doch Bureau-Blouin ist kein Bummelstudent, auch wenn er zuletzt nur noch
selten zum Pauken kam. Er ist aufstrebender Politstar und Hoffnungsträger
der Separatisten in seiner frankokanadischen Heimat Québec.
Am Dienstag wird in Québec eine neue Nationalversammlung gewählt, und
glaubt man den Umfragen, dann hat die Separatistenpartei Parti Québécois,
die langfristig eine Loslösung der Provinz von Kanada anstrebt, nach fast
zehn Jahren Opposition wieder die Chance auf die Macht. Das hat sie nicht
zuletzt Bureau-Blouin zu verdanken. Denn der steht wie kein anderer für die
wahlentscheidende Gruppe der Jungen.
Bureau-Blouin war bis zum Sommer Chef der wichtigsten
Studierendenvereinigung von Québec. Als solcher organisierte er die größten
Studentenproteste in Kanada seit Jahren maßgeblich mit. Hunderttausende
zogen über die Straßen, um gegen die drastische Anhebung der Unigebühren zu
protestieren. Monatelang bestreikten die Studierenden ihre Hochschulen,
lieferten sich Straßenkämpfe mit der Polizei, legten das öffentliche Leben
lahm und lösten eine politische Krise aus, an deren Ende jetzt Neuwahlen
stehen.
„Junge Menschen vertreten 10 Prozent der Wähler, werden im Parlament aber
nicht gehört“, kritisierte er. Also entschloss er sich, in dem umkämpften
Wahlkreis Laval für die Parti Québécois anzutreten. Seine Ämter im
Studentenverband legte er nieder, sein Studium an der Université de
Montréal will er aber fortsetzen.
## Verjüngung der Partei
Für die Separatisten unter Parteichefin Pauline Marois ist es ein
politischer Coup: Denn Bureau-Blouin hat alles, was die zuletzt etwas
ergraute Partei braucht: Er ist jung, gutaussehend, charmant, eloquent,
tatkräftig. Er vertritt das Versprechen der Partei, die Gebührenpläne und
die während der Studentenproteste erlassenen Notstandsgesetze wieder
rückgängig zu machen.
Bureau-Blouin wuchs in einer Künstlerfamilie in einer rein
französischsprachigen Kleinstadt auf und steht für eine neue Generation
selbstbewusster Frankokanadier, die ihr Kreuz bislang nicht zwangsläufig
bei der Parti Québécois machte. Seine Muttersprache empfindet der
leidenschaftliche Bücherwurm dank strenger Sprachgesetze nicht akut in
Gefahr. Anders als noch seine Eltern oder Großeltern, die wegen der
anglophonen Dominanz in Nordamerika noch in den siebziger und achtziger
Jahren um ihre Kultur fürchten mussten.
Dennoch strebt auch Léo Bureau-Blouin die politische Selbstständigkeit
Québecs an. „Die Unabhängigkeit ist unsere Chance, uns der Welt wieder zu
öffnen“, sagt er. Wie sehr viele Menschen in Québec vertritt er Ansichten,
die mit der anglophonen Mehrheit des Landes oft nicht in Übereinstimmung zu
bringen sind. Er befürwortet das Klimaschutzprotokoll von Kioto, aus dem
Kanada ausgetreten ist. Er will Reiche stärker besteuern, während die
konservative Regierung in Ottawa diese entlasten will. Nicht zuletzt
natürlich verlangt er eine Senkung der Studiengebühren, die andernorts Jahr
für Jahr weiter erhöht werden.
Jetzt muss Bureau-Blouin nur noch seinen Wahlkreis gewinnen. Dann ist er
der jüngste Abgeordnete in der Geschichte Québecs. Minister werde er zwar
nicht gleich werden, ließ seine Parteichefin durchblicken. Sie hat ihm aber
den Posten als Sonderbeauftragter für Jugendfragen versprochen, wenn die
Separatisten die regierende Liberale Partei besiegen, wie es die meisten
Beobachter erwarten.
Dann wird sich Léo Bureau-Blouin ganz persönlich um die Gebührenfrage
kümmern können. Seine Kommilitonen und Weggefährten von der Uni werden ihn
sicher beim Wort nehmen.
4 Sep 2012
## AUTOREN
Jörg Michel
## TAGS
Kanada
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