# taz.de -- DIE WAHRHEIT: Sportlich gewirtschaftet | |
> Wie der DFB familientaugliche Unterhaltung sicherstellt. | |
Bild: „Breite Streuwirkung“: BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke se… | |
Es wäre ein Deal von historischer Tragweite in der 50-jährigen Geschichte | |
der Fußball-Bundesliga: Der Rüstungskonzern Singapore Technologies | |
Engineering (Stengg) soll neuer Sponsor von Borussia Dortmund werden. Das | |
Unternehmen, das unter anderem Streumunition herstellt, würde den | |
Dortmundern jährlich etwa 30 Millionen Euro zahlen. | |
„Haben Sie sich mal unsere Gegner in der Champions League angeguckt?“, | |
sagte BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke. „Real Madrid und Manchester | |
City! Das ist ein anderes Kaliber, da brauchen wir eine breite | |
Streuwirkung, sonst sind wir ja gleich am Arsch! Und komme mir keiner mit: | |
Ein Rüstungskonzern, das geht nicht“, äffte Watzke potenzielle Kritiker | |
nach. „Das ist doch albern!“ | |
Den Kontakt zu Stengg habe die Deutsche Fußball-Liga (DFL) vermittelt. | |
Deren Hauptaugenmerk liege auf der Erschließung des Asien-Marktes und zu | |
diesem Zweck habe man eine Repräsentanz in Singapur eröffnet, erklärte ein | |
Sprecher: „Die Region gehört zu den Kernmärkten der Bundesliga, und wir | |
sind am Ausbau lukrativer Medienpartnerschaften sehr interessiert.“ | |
Vorbehalte gegen den Dortmunder Deal wies Watzke zurück: „Singapore | |
Technologies Engineering profitiert nachweislich weder von Kinderarbeit | |
noch ist der Konzern im Pornografie-Geschäft tätig. Also halten Sie mal den | |
Ball flach.“ | |
Daher hätten sich DFL und Deutscher Fußball-Bund (DFB) auch entschlossen, | |
die Kriterien zur Vergabe von Sponsorenverträgen zu lockern. Liga-Präsident | |
Reinhard Rauball sagte: „Die Bundesliga begeistert Woche für Woche die | |
Menschen. Damit dies so bleibt, ist eine solide wirtschaftliche Grundlage | |
für die Vereine unverzichtbar.“ | |
Im Zweifelsfall müsse man der Rentabilität den Vorzug geben, um dringend | |
benötigte Einnahmen zu generieren. Die Entscheidung, den Passus über | |
„Grundsätze von Ethik und Moral“ aus den DFB-Vorschiften über die | |
Spielkleidung zu streichen, sei daher nur ein logischer Schritt. „Zumal sie | |
von der Realität eh überholt wurden“, so Rauball. Man akzeptiere längst | |
Sponsoren wie Mercedes Benz Bank, Volkswagen Bank, Commerzbank, Postbank, | |
Allianz oder Discounter wie kik, netto und NKD. „Die profitieren von | |
Nahrungsmittelspekulationen, von Landraub, sie investieren in | |
Rüstungsunternehmen, in Billiglöhne, Ausbeutung und Armut.“ Vor diesem | |
Hintergrund sei ihm die Aufregung um den neuen Sponsor von Werder Bremen, | |
den Hähnchenfleisch-Hersteller Wiesenhof, völlig unerklärlich. | |
Rückendeckung für die DFL-Reform kommt von Schalke-Vorstand Horst Heldt. Er | |
verwies auf die gelungene Kooperation mit dem russischen Gaskonzern | |
Gazprom. Dieser werde „als ganz normaler Sponsor wahrgenommen“, so Heldt, | |
„unsere Fans haben schnell gemerkt, dass Vorbehalte unbegründet sind und | |
Gazprom nichts anderes ist als ein ganz normales Wirtschaftsunternehmen. So | |
profitieren beide Seiten von einem ganz normalen Geschäft.“ | |
Wie aus Liga-Kreisen zu erfahren war, haben bereits weitere Vereine bei der | |
DFL um Akzeptanz neuer Sponsoren angefragt. Electricité de France (EDF), | |
Hauptbetreiber des Pannen-Reaktors Fessenheim, wolle demzufolge beim SC | |
Freiburg einsteigen. Fessenheim liege nur etwa 30 Kilometer von Freiburg | |
entfernt, da sei es naheliegend, vor Ort für die Ungefährlichkeit von | |
Atomkraft zu werben, sagte ein EDF-Sprecher. | |
Dem Verein Greuther Fürth liege wiederum eine Offerte der Beate Uhse AG | |
vor, die den bisherigen Partner, die Ergo Direkt Versicherung, ablösen | |
will. Im Vertragsentwurf heißt es: „Eine Kooperation mit Beate Uhse wäre | |
die folgerichtige Konsequenz aus der Affinität zu Freizügigkeit und | |
ungezwungener Geselligkeit, für die der vorherige Sponsor bereits steht.“ | |
Und der kriselnde Hamburger SV habe ein besonders interessantes Angebot | |
vorgelegt: der syrische Machthaber Baschar al-Assad wolle für seine | |
Baath-Partei auf den Trikots werben und sei bereit, dafür jährlich 50 | |
Millionen Euro zu investieren. | |
„Damit hätten wir Rafael van der Vaart mehr als im Sack“, frohlockte | |
Sportchef Frank Arnesen. Der Assad-Clan sei „im weitesten Sinne ein | |
Familienunternehmen“, das „mit Kritikern offen über alle Themen diskutiert | |
und an Verbesserungen der Lage in Syrien arbeitet“. Arnesen halte es für | |
eine „mutige Entscheidung Assads, diese Sponsorship einzugehen und damit | |
eine sehr öffentliche Plattform zu wählen“. Dies unterstreiche, wie ernst | |
es dem syrischen Präsidenten sei, für „Transparenz“ zu sorgen. Außerdem | |
bedeute der Name Baath übersetzt so viel wie Auferstehung oder Erneuerung. | |
„Und das passt in unserer Situation doch wie die Faust aufs Auge“, so | |
Arnesen. | |
Die DFL habe sich mit der Kooperation einverstanden erklärt, solange Assad | |
keine Werbung für starke Alkoholika oder Tabakwaren mache. | |
7 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
Tanja Kokoska | |
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