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# taz.de -- ZDF-Krimi-Reihe „Der Alte“: Die Visage ermittelt
> Früher war Jan-Gregor Kremp auf Ganoven spezialisiert, nun ist der
> jüngste „Alte“ aller Zeiten. Das passende Gesicht für die Rolle hat er
> jedenfalls.
Bild: Vom Gejagten zum Jäger: Kremp im Nahkörpereinsatz.
Die Sache mit dem Alter muss man dem ZDF wohl doch noch mal erklären. Wer
alt ist, wird es ja nicht durch Reife oder Make-up allein. Alt ist man an
Jahren, und die hinterlassen Spuren im Gesicht. Wenn einer „Der Alte“
heißt, sollte das also tief blicken lassen – in Falten, in der Haut.
Nur: Richtig tief sind bei Jan-Gregor Kremp allenfalls die Augenringe. Aber
warum spielt der junge, ziemlich lässige, ziemlich alles Mögliche außer
alter Schauspieler dann bloß den ältesten aller TV-Kommissare im Land? Weil
das Attribut „für Chef im Sinne von Weisungsbefugnis steht“, beschreibt der
49-jährige Kremp seine neue Rolle als „Der Alte“ (Freitag, 20.15 Uhr, ZDF).
Weil es eine Floskel sei, um Hierarchien zu kennzeichnen. Und weil man mit
fast 50 „jedem die Führungsrolle abnimmt“.
Wobei man Jan-Gregor Kremp eigentlich alles abnimmt, seit er 1991 vom
Staatstheater Hannover vor die Kamera wechselte und nach kleineren Rollen
mit einer kaum größeren für Furore sorgte: in Detlef Bucks „Wir können au…
anders“. Sein Wegelagerer machte ihn bekannt, er stempelte ihn aber auch
ab. Denn in der Folge spielte der unrasierte Charakterkopf mit der Aura
zwischen Melancholie und Skrupellosigkeit meist Schurken.
## Flapsig, massig, liebenswert
Kremp wurde der Ganove vom Dienst, liebenswert in seiner flapsigen Art. Der
massige Typ aus dem Ruhrpott ist der ideale Verbrecher. Mit dem passenden
Gesicht. „Das taugt halt gut für Verbrecher“, sagt sein Träger und klingt
dabei nicht genervt. Warum auch: „Mit meiner Visage kann man noch viel mehr
anfangen.“ Das verstanden auch die Produzenten irgendwann.
Und so spielt er trotz Visage, trotz Druck, trotz Image bald auch diesseits
des Gesetzes alles Mögliche. Er spielt Travestieclubbetreiber („Mein Vater,
die Tunte“) und Köche („Die Quittung“), Krankenpfleger („Kammerflimmer…
und seit 2004, dem Einstieg als hessischer „Polizeiruf“-Ermittler, sogar
den Gegenpol der Gangster. In Serie. Von da an, Kremp lacht, „fragt man
eher, warum es ständig Polizisten sind“. Seine Antwort: Alles zu seiner
Zeit.
Zeit also für die Nachfolge der drei Vorgänger Siegfried Lowitz, Rolf
Schimpf, Walter Kreye, die alle jenseits der 60 in ihren
Kriminalhauptkommissar geschlüpft sind? Die selbst im Farbfernsehzeitalter
seltsam schwarzweiß wirkten? Als der Ur-Alte namens Köster 1977 die fiktive
Mordkommission München II übernahm, war der kleine Jan-Gregor noch
Gymnasiast im Rheinland. Und nun, zum Familienvater gereift, könnte seine
Serienfigur Richard Voss zum Assistenten der ersten Stunde, Gerd Heymann,
Papa sagen, so weißhaarig wie dessen Darsteller Michael Ande nach 35 Jahren
im Amt ist. Verrückte Fernsehwelt.
Die allerdings mag Veränderung noch weniger als Stagnation. „Ich musste
mich schon anpassen, um die Figur nicht neu zu erfinden“, sagt Kremp und
füllt sie daher in der Auftaktfolge „Königskinder“ nicht mit mehr Empathie
als Druck, „mal ruppig, dann humorvoll“. So erklärt der komikbegabte Kremp
seinen drögen Serienoldie, dem er etwas mehr Beweglichkeit verpassen will,
jedenfalls Leidenschaft, gar Liebe. So viel Inbrunst ist eine langfristige
Investition, denn trotz befristeter Verträge wird Kremp künftig vor allem
mit seinem Richard Voss identifiziert.
## Trompete und Klavier
Angst davor? Vor Festlegung? Nein, beruhigt Kremp sich und andere. Eine
Krimiserie werde seinen Spielraum eher erweitern. Für Musik etwa, die er in
Köln studierte. Kremp spielt Trompete und Klavier, er singt und ist solo
auf Tour und könne das mit dem neuen Alten im Jahr weit besser planen.
Überhaupt: Pläne. Die Gangstervisage Kremp mag es da sicher. Mit gut 50,
sagt seine Kollegin Johanna Gastorf, solle man sich anständig benehmen, um
sich nicht mehr positionieren zu müssen. Mit fast 50, stimmt ihr Mann Kremp
zu, „muss ich nicht mehr dauernd vortanzen, um zu zeigen, was ich kann“.
Nicht das Einzige, was das völlig unglamouröse Schauspielerpaar vereint.
Beide mimen oft Seite an Seite, beide haben einen Stall voller Geschwister,
beide mögen Applaus als „Nahrungsbestandteil des Künstlers“, wie Kremp
einräumt, beide „hassen den roten Teppich“, wie Gastorf einschränkt. Beide
sind Kämpfer – sie gegen das Branchendiktat unbedingter Schönheit, er gegen
sieben Schauspielschulabsagen. Und beide haben kein Problem mit dem Alter.
Das Alter, da ist dem ZDF also zuzustimmen, bleibt eben doch, was man draus
macht. Bei Kremp muss es eine Menge sein: Der Produzent hatte ihn schon vor
zehn Jahren als Lowitz-Erben im Visier. Kremp hatte keine Zeit. Schade
eigentlich.
14 Sep 2012
## AUTOREN
Jan Freitag
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