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# taz.de -- Ticketsystem mit Schlupfloch: Deutsche Bahn schafft Jobs
> Inhaber von Monatskarten organisieren professionell Mitfahrgelegenheiten
> und verdienen bis zu 1.900 Euro im Monat. Besonders beliebt: die Strecke
> Hamburg-Berlin.
Bild: „Arbeitgeber“ Bahn: Mit einem Schlupfloch in den Pendler-Angeboten l�…
HAMBURG taz | Der Samstag ist für Achim Kröllwitz* der härteste Arbeitstag
der Woche. Acht Mal fährt er an diesem Tag zwischen Hamburg und Berlin hin
und her – das sind 2.300 zurückgelegte Kilometer und insgesamt 13 Stunden
Bahnfahrt.
Der 35-Jährige, der seinen richtigen Namen nicht nennen möchte, ist nicht
etwa Schaffner oder Lokführer. Ganz im Gegenteil: Dem Bahnpersonal geht er
möglichst aus dem Weg. Denn Kröllwitz bringt jeden Samstag bis zu 32
Menschen nach Berlin und Hamburg, ohne dass die Bahn davon profitiert.
Er und eine unbekannte Zahl anderer nutzen ein Schlupfloch in den
Pendler-Angeboten der Bahn. Die sogenannten DB-Schlepper kaufen sich
zunächst ein Monatsticket für die Strecke Hamburg-Berlin. Inhaber dieses
Tickets dürfen am Samstag bis zu vier Leute kostenlos mitnehmen. Diese
Regel machen sich die Schlepper zunutze. Auf Onlineportalen bieten sie
Mitfahrten für 15 bis 20 Euro an – also einem Bruchteil der 73 Euro, die
ein Bahnticket der Kategorie „Normalpreis“ für die Strecke Hamburg-Berlin
kostet.
Für die Ticketinhaber lohnt sich das Geschäft: Bei acht Touren und jeweils
vier Mitfahrern verdienen sie bis zu 640 Euro an einem Samstag, also bis zu
2.560 Euro im Monat. Zieht man die Kosten für das Monatsticket ab, bleiben
rund 1.900 Euro Gewinn – eine stolze Summe für nur vier Arbeitstage im
Monat.
Die professionellen Bahnfahrer sind vor allem auf der Strecke
Hamburg-Berlin unterwegs. Der Grund dafür: Die Verbindung gehört zu den
vielbefahrensten Deutschlands, gleichzeitig dauert eine Fahrt nur etwas
mehr als eineinhalb Stunden. Die Schieber können also an einem Tag bis zu
acht Mal hin und herfahren.
Legal ist diese Art von Verdienst nicht. Zwar sind organisierte
Bahn-Fahrgemeinschaften erlaubt, die sich die Kosten eines Ländertickets
teilen. Allerdings darf dabei niemand Gewinn machen. „Wenn wir eine
kommerzielle Mitfahrgelegenheit entdecken, entziehen wir ihr das Ticket“,
so ein Sprecher der Deutschen Bahn. Auch Mitreisende werden dadurch
plötzlich zu Schwarzfahrern, ganz egal, ob sie von der Unrechtmäßigkeit
wussten oder nicht.
In der Praxis gibt es jedoch ein Problem: Wie sollen die Schaffner
erkennen, ob ein Ticketinhaber von seinen Mitfahrern bezahlt wird oder
nicht? „Ich glaube, die Kontrolleure ahnen oft was“, sagt Kröllwitz.
Erwischt wurde er aber noch nie, denn „nachweisen konnten sie mir nichts“.
Die Bahn versucht deswegen einen anderen Ansatz: Sie will den Betrug
verhindern, noch bevor er stattgefunden hat. Dabei helfen ihr auch die
Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) der Angebotsbörsen für
Mitfahrgelegenheiten. „Eine gewerbliche Nutzung der Plattform ist nicht
erlaubt, deshalb löschen wir solche Angebote“, sagt Simon Baumann, Sprecher
des größten deutschen Webangebots [1][www.mitfahrgelegenheit.de].
Rund drei Prozent der Anzeigen auf Mitfahrgelegenheit.de sind
Bahn-Mitfahrgelegenheiten. Hamburg-Berlin ist dabei die meist frequentierte
Strecke. Ein Blick auf die Seite zeigt: Für Samstag, den 15. September, gab
es weit über 100 Bahn-Mitfahrgelegenheiten zwischen den beiden Städten,
viele davon mit identischem Text. Die Gruppe der Profis schätzt Baumann
trotzdem als relativ klein ein. „Es sind nur wenige Leute, die diese
Angebote einstellen.“
Diese wenigen wissen mittlerweile aber, wie sie das Portal austricksen
können. Sie legen mehrere Accounts an oder tarnen ihre Fahrten zunächst als
Auto-Mitfahrgelegenheit. Auch Kröllwitz umgeht das System, wo er nur kann:
„Wenn meine Anzeigen gelöscht werden, stelle ich abends halt wieder neue
rein – unter einem anderen Namen natürlich.“ Aufgeben, das steht für ihn
fest, werde er seinen lukrativen „Nebenjob“ nicht so schnell.
* Name von der Red. geändert
17 Sep 2012
## LINKS
[1] http://www.mitfahrgelegenheit.de
## AUTOREN
Lisa Kolde
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