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# taz.de -- Die Wahrheit: Hänsel, Gretel und Venus
> Neues aus Neuseeland: An Zufälle glaube ich nicht mehr, denn ich lebe in
> einem spirituell unterwanderten Land.
An Zufälle glaube ich nicht mehr, denn ich lebe in einem spirituell
unterwanderten Land. In Aotearoa steht alles in einem kosmischen
Zusammenhang. Matariki heißt unser Neujahr in der Jahresmitte – statt durch
Böller eingeleitet durch die Plejaden am Firmament. Nicht nur das schnöde
Weltliche zählt. Das liegt an der Maori-Mythologie und an der sauberen
Luft, denn unser Sternenhimmel wird nicht durch Raffinerieschwaden
vernebelt wie in der Kulturbegegnungsstätte Baku.
Kein Wunder – oder Zufall – also, dass das Goethe-Institut drei deutsche
Lyriker nach Neuseeland verschiffte, die sich dort den „Transit der Venus“
anschauen sollten. Nur auf der Südhalbkugel war zu sehen, wie der Planet im
Halbkreis vor der Sonne wanderte. Das kommt nur rund alle hundert Jahre
vor. Eigentlich konnten Uwe Kolbe, Brigitte Oleschinski und Ulrike Almut
Sandig durch ihre dunklen Solarbrillen am 6. Juni nicht viel erkennen. Und
dann war es auch noch meist bewölkt in Tolaga Bay, wo sich das
Sternenguckerspektakel abspielte.
Umso beeindruckender aber, erfuhr man unisono von den Berliner Abgesandten,
sei der Erstkontakt mit den Eingeborenen gewesen. Die Venus-Festivitäten in
Tolaga Bay, wo einst Südseeentdecker Captain James Cook anlegte, wurden vom
dortigen Maori-Stamm ausgerichtet. Sie stellten jede indische Großhochzeit
an Herz, Tanz und Trubel in den Schatten.
Die drei Deutschen müssen nun zusammen mit ihren neuseeländischen Pendants
eine transpazifische Himmelsbrücke bauen. Nächsten Monat werden die Verse
in der Literaturwerktstatt Berlin geschmiedet und auf Überseequalität
getestet. Das Finale wird in Frankfurt auf der Buchmesse präsentiert. Kein
leichter Auftrag: kosmische Inspiration auf Kommando. Das wurde in
Wellington deutlich, wo das multikulturelle Sextett das Ergebnis seines
ersten Workshops in einer Galerie vorstellte. An den Wänden hingen
Planetenfotos, die Ausstellung hieß „Dark Sky“. Es gab rundum kein
Entkommen vor Ranginui, dem Himmelsvater.
Ein Kniff der Dichtkunst wurde mir an dem Abend klar: Man muss nur
irgendwie einen Bezug herstellen, dann klappt es mit der
Bedeutungsschwangerschaft. Die Einheimischen lagen dabei deutlich vorne.
Chris Price erzählte von der Theateraufführung in Tolaga Bay, wo das
überdimensionale Bild einer der blauen Glasperlen gezeigt wurde, die einst
Captain Cook verteilt hatte. „Wie das Bild der Erde aus dem All“ habe das
ausgesehen. Ha! Neuseeland – douze points.
Brigitte Oleschinski hat immerhin einen „Alien“ im Repertoire: So nennt sie
den Schutzengel, der über ihrem Kinderbett hing und nun literarisch
verarbeitet wird. Wenn den deutschen Dichtern so gar nichts
Symbolträchtiges einfällt, hätte ich auch noch was anzubieten. Am gleichen
Abend trat in Wellington die martialische Metal-Band Hanzel und Gretyl auf.
Deren anglogermanischer Schlachtruf ist „Total shiza!“ (liebe
Literaturwerkstatt: keine Übersetzung nötig), und ihr Sound nennt sich
„intergalaktisch“. Kein Zufall.
20 Sep 2012
## AUTOREN
Anke Richter
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