| # taz.de -- Neues Album von Rickie Lee Jones: Sie waren alle ein Teil von mir | |
| > Auf „The Devil You Know“ fühlt sich Songwriter-Ikone Rickie Lee Jones mal | |
| > wieder in Kollegen von Van Morrison bis Tim Hardin ein – leider etwas | |
| > ehrfürchtig. | |
| Bild: Versteckt sich nicht nur musikalisch: Songwriterin Rickie Lee Jones. | |
| Wenn man Mick Jagger und Keith Richards ihrer Männlichkeit berauben, aus | |
| ihrer Musik die teils überschäumende Virilität absaugen, „Sympathy For The | |
| Devil“ das Treibende und „Play With Fire“ das klassenbewusst Aggressive | |
| nehmen und stattdessen etwas Tastendes, Verletzliches, Berührbares beigeben | |
| würde – dann wäre man bei dem, was Ricki Lee Jones auf ihrem neuen Album | |
| mit den beiden Stones-Klassikern anstellt: Verschleppte Geisterlieder sind | |
| das, die aus einem gar nicht so fernen Jahrhundert herüberspuken in die | |
| Gegenwart. | |
| Jones singt mit einer verhuschten, verführerischen, irgendwie auch | |
| bedrohlichen Stimme, ein wenig so als wäre dieser Jagger’sche Teufel ein | |
| mephistophelischer Schmeichler, der mit Worten zu töten vermag. Ihre | |
| Stadiontauglichkeit wird den Stücken von der amerikanischen | |
| Songwriter-Ikone, die nun ein ganzes Album mit Cover-Songs vorlegt, | |
| jedenfalls gründlich ausgetrieben. | |
| „The Devil You Know“ ist nicht das erste Album, auf der sie sich mit den | |
| Kompositionen anderer Musiker auseinandersetzt. Obwohl Ricki Lee Jones seit | |
| ihrem viel beachteten Debüt im Jahr 1979 vornehmlich als Songschreiberin | |
| wahrgenommen wurde, hat sie immer schon live die Lieder von anderen | |
| gespielt, oder vielleicht sollte man doch besser sagen, dass sie sich die | |
| Lieder übergestreift hat und in sie hineingekrochen ist. | |
| Zwei Alben, die ausschließlich Coverversionen präsentieren, sind während | |
| ihrer Karriere entstanden: „Pop Pop“ (1991) und „It’s Like This“ (200… | |
| Von ihren ersten Auftritten an huldigte sie dem Great American Songbook, | |
| interpretierte höchst eigensinnig „My Funny Valentine“ oder „Makin’ | |
| Whoppee“, arbeitete immer wieder mit Jazzmusikern zusammen, die es seit je | |
| gewohnt sind, populäre Songs in ihre Idiome zu überführen. | |
| ## Reverenz und Ironiegeste | |
| „All diese Lieder, die eigenen und die von anderen, waren ein Teil von | |
| mir“, gab sie kürzlich dem New Yorker zu Protokoll. Und dass „Sympathy For | |
| The Devil“ nicht mehr Jagger und Richards gehört, wenn Rickie Lee Jones | |
| sich des Songs annimmt, kann man schon nach den ersten zwei Takten hören. | |
| Ihre Coverversion ist entweder Reverenz, Ironiegeste oder ein | |
| widerborstiges Abarbeiten an den Vorbildern, wie es auch Cat Power in den | |
| letzten Jahren zelebriert hat. | |
| Bei Rickie Lee Jones finden mehrere Impulse zusammen; ironisch ist sie | |
| allerdings nie. Fast zu ehrfürchtig kommen diese Versionen daher: Mit einer | |
| gewissen authentizistischen Inbrunst versucht sie, sich dem Wesen jedes | |
| Liedes zu nähern. Das klingt zuweilen, als würde da ein Stück auf den Altar | |
| gelegt und angebetet, und man wünschte sich, Jones würde auch mal | |
| blasphemisch sein und den heiligen Ernst der Zeremonie zugunsten einer | |
| größeren Leichtigkeit fahren lassen. | |
| Auf „The Devil You Know“ singt sie als Jazzsängerin ausschließlich Materi… | |
| von Rockmusikern, zu Standards gewordene Songs von Neil Young, Van Morrison | |
| und Donovan, von The Band, Theordore Anderson und Tim Hardin. So | |
| unterschiedlich Stücke wie „Comfort You“, „The Weight“ oder „Only Lo… | |
| Break Your Heart“ sein mögen, Jones überführt sie allesamt in eine | |
| eigentümlich feierliche Stimmung, die viel mit ihrer sehr flirrenden, | |
| kindlich-suchenden, zugleich extrem selbstbewussten Stimme zu tun hat. | |
| ## Keine echten Ausreißer nach oben | |
| Aber auch die Arrangements und sparsame Instrumentation leisten ihren Teil: | |
| Zurückgenommen wäre fast schon zu viel gesagt, behutsam und behäbig würde | |
| es eher treffen, mit dem Begriff puristisch wäre es neutral umschrieben. Es | |
| gibt auf diesem Album keine Ausreißer, die Tonlage wird konsequent | |
| durchgehalten, und Produzent Ben Harper – von dem einer der eher mediokren | |
| Songs auf dem Album stammt – ist daran wohl nicht ganz unschuldig. | |
| Vielleicht hätte Ricki Lee Jones auf ihren eigenen Instinkt hören sollen. | |
| In einem Interview erzählte sie, dass sie stets auf das reagiert, was sie | |
| eben zuvor gemacht hat. Wenn sie einen sanften Song spiele, möchte sie als | |
| Nächstes einen raueren, wuchtigeren folgen lassen. Wenn sie einen | |
| freundlichen interpretiere, solle danach ein gemeiner Song kommen. | |
| Nun dreht sich da allerdings eine sehr ruhige Platte, besonnen und | |
| geschmackvoll aufgenommen, mit schönen Momenten, kleinen Überraschungen, | |
| die vor allem Jones’ idiosynkratischer Stimme zu verdanken sind. Ein | |
| nettes, etwas gleichförmiges Album. Aber keines, das mit dem Feuer spielt | |
| oder gar irgendetwas entfacht. | |
| ## Rickie Lee Jones: „The Devil You Know“ (Concord/Universal Music) | |
| 26 Sep 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Ulrich Rüdenauer | |
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