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# taz.de -- Schreiben auf iPad und iPhone: Autokotdrecktour
> Apple ist dafür bekannt, viel richtig zu machen. Warum ist dann
> ausgerechnet die Rechtschreibverbesserung für iPads und iPhones so
> schlimm geraten?
Bild: Wenn eine merkwürdige SMS ankommt, steckt nicht immer ein Kind dahinter.…
Und dann ist da plötzlich dieses ü, immer wieder. Ich bin am Ende der Mail
angekommen. Ich tippe sie auf mein iPad, langsam muss ich los, zur Arbeit,
ich will nur schnell alles Gute wünschen. Alles G–u–t… Aber in dem Momen…
in dem ich das e tippe, verwandelt sich das u in ein ü. Alles Güte! Jedes
Mal.
Ich probiere es einmal, zweimal. Gut–e, Güte, Gut, Güte. Ich hämmere das e
in den Bildschirm, er soll das verdammt noch mal begreifen. Alles Gute! Es
geht der Freundin, der ich schreibe, nicht gut. Das muss doch hinzukriegen
sein. In meinem Zeigefinger beginnt so etwas wie Schmerz einzusetzen.
Eigentlich mag ich mein iPad. Eigentlich mag ich Apple. Ich weiß, dass das
nicht okay ist. Ein Konzern, der horrende Gewinne scheffelt, mich Unsummen
zahlen lässt und trotzdem die Gesundheit seiner chinesischen Arbeiter
gefährdet. Aber mein iPad ist schön, mein Macbook auch. Vor allem sind
beide so praktisch. Man macht sie an, und sie laufen.
Apple macht Produkte für Technikidioten, die es gern ein wenig hübsch haben
und dafür ihr Gewissen vergessen. Aber die eine Sache kriegen sie nicht
hin. Die Autokorrektur auf dem iPad, dem iPhone, sie narrt mich so, dass
ich mit meinem Zeigefinger ein Loch in den Touchscreen hämmern will. Gute
Güte!
Es ist Zeit für eine Entschuldigung, eine Erklärung, denke ich, und
schreibe Apple eine Mail. Warum macht ihr diese eine Sache so falsch? Ich
schreibe an die amerikanische Adresse, ich bin für einige Monate in
Kalifornien, könnte vorbeikommen, biete ich an, mir das erklären lassen.
Mir antwortet ein Martin aus Deutschland, der bei einer PR-Agentur namens
PRfection arbeitet. „Hallo Johannes, danke für die Anfrage und den Hinweis
bzgl. der Autokorrektur. Ein Besuch des Campus in Cupertino ist leider
nicht möglich, bzgl. der Autokorrektur haben wir den Hinweis an das
Entwicklerteam weitergeleitet! Beste Grüße Martin“. Och, Martin. Och,
Apple. Und könnte ich wenigstens mit einem Entwickler sprechen? „Nein, das
ist leider nicht möglich. Beste Grüße Martin.“
## „whitehouse“ wird zu „whorehouse“
Ich bin ja nicht der Einzige, dem es so geht. Die meisten anderen scheinen
das lustig zu finden. Auf Websites gibt es Hunderte Beispiele. Wie, mein
Bruder ist adoptiert? Nein, angenommen! An der Uni! Manchmal hat das iPhone
aus „Gary“ angeblich „fart“ gemacht, also „Furz“. Und aus „whiteh…
„whorehouse“.
Autokorrektur ist kein Gewinnerthema, nicht für Apple, aber auch nicht für
Google, Microsoft, Research in Motion oder HTC, alles Hersteller von
Smartphones oder Computersoftware. Wenn ich mich erinnere, wie die ersten
Word-Programme die sogenannte Rechtschreibprüfung erst im Nachhinein über
den Text laufen ließen, um rote Ringellinien unter manche Wörter zu setzen,
kommt mir meine Aufregung ja auch ein wenig kleinlich vor.
Aber wir leben doch in einer Zeit, in der uns Algorithmen mit hoch
personalisierter Werbung durch das ganze Internet jagen, uns die
passendsten Bücher aussuchen und die interessantesten Nachrichten, die fast
ohne unser Zutun Facebooks Börsengang ruinieren oder die Finanzmärkte. Das
muss doch besser gehen!
Rechtschreibprogramme vergleichen Wörter mit den Wörtern in einem großen
Lexikon, das auf dem Handy oder dem Computer gespeichert ist. Wenn sie ein
Wort nicht kennen, bieten sie ein anderes an. Sie versuchen, den Kontext
eines Wortes zu erfassen. Ist ein apple gemeint oder die Firma Apple? Wenn
in einem Text von iPad und iPod die Rede ist, deutet das darauf hin, dass
es um das Unternehmen geht. Das Unternehmen mit der Lese- und
Rechtschreibschwäche. Aber haben die nicht einige Genies?
## Persönliche Wortschätze anlegen?
Ich sehe mir Apples Patente für Autokorrektur an. Pfeilzeichnungen,
ziemlich kompliziert, vor allem wenn man die Beschreibungen liest. Doch am
Ende geht es immer darum, Wörter zu vergleichen, ihr Umfeld. Das Schwierige
ist, dass jeder andere Wörter verwendet. Man brauchte also persönliche
Lexika, am besten bezogen auf bestimmte Personen, schließlich schreibt man
seinen Eltern anders als der Freundin. Man könnte persönliche Wortschätze
anlegen. Dafür müsste man sie für jeden Nutzer irgendwo im Netz speichern,
in der Wolke. Möchte ich, dass meine Mails analysiert werden, damit sich
die Autokorrektur verbessert – vielleicht?
Apple hat wohl mit einem Patent so etwas vor, da ist eine Wolke zu sehen,
und ein mobiles Gerät ist damit verbunden. Apple wird dafür bald ein neues
Betriebssystem für sein neues iPhone auf den Markt bringen. Sie planen
offenbar, die Tippgeschwindigkeit unserer Finger zu analysieren, um so die
Wahrscheinlichkeit zu messen, dass ein bestimmtes Wort und kein anderes
gemeint ist. Versehentliche Doppelklicks auf einen Buchstaben könnten die
Algorithmen so filtern.
Trotzdem: Gut und Güte? Ist doch stinksimpel. Ich lehne „Güte“ ab, ich wi…
„Gute“. Warum besteht dieses Programm so penetrant auf dem ü?
## Nicht im Nachhinein korrigieren, sondern vorher
Vielleicht liegt der Fehler gerade in dem Perfektionsanspruch, der nicht
nur in den Patenten, sondern in vielen Apple-Produkten steckt. So stilvoll,
so einfach zu bedienen, wie es nur geht. Sie müssen sich gedacht haben,
dass es praktisch wäre, wenn man geschriebene Wörter nicht im Nachhinein
korrigiert, sondern vorher erahnt, was jemand schreiben will, und ihm dann
hilft, das Wort zu finden.
So wie man bei Google „Autoscout“, dann „Autokette“, dann „Autokorso�…
vorgeschlagen bekommt, während man „Autokorrektur“ in den Suchschlitz
eingibt. Dann „Autokorrelation“. Und dann erst: „Autokorrektur“. Sie w�…
das Wort wohl am liebsten verstecken.
Wäre das nicht eine tolle Idee, müssen Apples Autokorrektur-Entwickler
gedacht haben. Das Wort ist schon da, bevor du es getippt hast. Voll
Zukunft.
Manchmal ist die Welt nur komplizierter, als Softwareentwickler sie sich
vorstellen. Es gibt so verdammt viele Wörter, die so unterschiedlichst
verwendet werden, dass das Vorausahnen ein Geschäft mit manchmal zu vielen
Unbekannten ist. Die nüchternsten unter den Autokorrektur-Diskutanten im
Internet schlagen deshalb vor, die Autokorrektur einfach abzuschalten. Ja,
natürlich. Aber dafür müsste ich nicht nur den Knopf dafür finden, ich
müsste auch meine Tastatur so benutzen, dass sie auf Tastendruck ös
produziert, üs, und äs. Die lasse ich im Augenblick immer aus ues und aes
autokorrigiert.
Meine Güte, in dem Fall ganz sinnvoll. Außerdem ist dieses
Einstellungsgefummel nicht der Grund, warum ich ein iPad habe. Das soll
doch einfach sein.
Ich tippe jetzt also immer einen Buchstaben zu viel. Alles Gutex. Dann
lösche ich ihn. So kann ich den Algorithmus überlisten. Nicht sehr
Apple-elegant. Aber es funktioniert. Nur wenn es manchmal sehr schnell
gehen muss, vergesse ich meine bisher nicht patentierte Technik wieder. In
diesem Sinne: Alles Güte!
30 Sep 2012
## AUTOREN
Johannes Gernert
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