# taz.de -- Clubsterben in Prenzlauer Berg: "Diese Leute machen alles kaputt" | |
> Pamela Schobeß und Lars Döring betrieben 15 Jahre das Icon in Prenzlauer | |
> Berg, dann mussten sie schließen. Nun feiert ihr neuer Club Gretchen in | |
> Kreuzberg seinen ersten Geburtstag. | |
Bild: Viel geredet wurde beim BMW Guggenheim Lab. Die Clubs sind trotzdem weg. | |
taz: Frau Schobeß, Herr Döring, in Ihrem neuen Club Gretchen erinnert | |
vieles ein bisschen an Ihren alten Club, das Icon. | |
Pamela Schobeß: Ja, darüber haben wir uns auch schon amüsiert: dass wir | |
wieder ein schönes Gewölbe haben. | |
Das klingt wehmütig. | |
Schobeß: Das Gretchen ist ein toller Ort, er ist viel größer und man kann | |
ganz andere Konzerte veranstalten. Der Club ist unser neues Baby. Nach | |
einem Jahr merken wir, dass das Gretchen für uns und für unsere Gäste eine | |
neue Heimat wird. Trotzdem: Für uns war es einfach unvorstellbar, das Icon | |
zu schließen. Wir waren sehr jung, als wir damit angefangen haben. Wir | |
haben alles da reingesteckt. Das Icon war unsere Familie. | |
Lars Döring: Ich erinnere mich zum Beispiel an die Konzerte der Youngblood | |
Brass Band im Icon. Die standen zu zwölft auf einer Bühne, die höchstens | |
zweimal drei Meter groß war. Das war eine tolle Atmosphäre. Die Musiker und | |
die Leute im Publikum sind immer gleichzeitig in die Luft gesprungen. Es | |
war beeindruckend. Sehr eng und heimelig. | |
In den Neunzigern wurde die Coolness eines Clubs daran gemessen, wie oft er | |
umgezogen ist. Ist es nicht Jammern auf hohem Niveau, wenn die Clubs heute | |
über Ortswechsel klagen? | |
Döring: Im Vergleich zu Städten wie New York oder London mag es Jammern auf | |
hohem Niveau sein, ja. Aber mit Berlin in den Neunzigern kann man die | |
Situation nicht vergleichen. Damals hatten wir ungeheuer viel Leerstand. Es | |
war überhaupt kein Ding, umzuziehen. Heute ist es nicht mehr so einfach, | |
eine Location zu finden und da schnell mal einen Club reinzusetzen. Das | |
geht schon wegen der Sicherheitsrichtlinien nicht mehr. Es ist teuer | |
geworden, umzuziehen. | |
Die Umzüge damals waren oft freiwillig? | |
Döring: Genau. Es ist eben etwas anderes, wenn man gezwungen ist, | |
umzuziehen. | |
Schobeß: Wir hatten im Icon anderthalb Meter dicke Wände, der Eingang war | |
im Hof einer Autowerkstatt, wir haben niemanden gestört. Aber dann wurde | |
die Autowerkstatt abgerissen. Sie haben einen Neubau in unseren Hinterhof | |
und direkt über unseren Eingang gesetzt. Wir haben noch darauf geachtet, | |
dass sich der Schall nicht überträgt. Die Nachbarn wurden also nicht durch | |
die Musik gestört, sondern nur durch die Leute, die vor der Tür standen. | |
Sie konnten im Sommer nicht mit offenen Fenstern schlafen. Darum haben sie | |
uns das Leben zur Hölle gemacht. | |
Döring: Es kommen immer mehr Leute in die Stadt, weil es hier so hip und so | |
frei ist und dann, nach einem halben Jahr, fangen sie an, Stress zu machen. | |
Das ist eine schlimme Tendenz. Die Mentalität in der Großstadt bewegt sich | |
Richtung Dorf. Diese Leute machen alles kaputt, weil sie meinen, sie hätten | |
alle Rechte der Welt, nur weil sie eine Wohnung gekauft haben. | |
Schobeß: Es gibt doch überall ruhige Ecken, sogar im Zentrum. Ich finde es | |
dumm, in eine Straße mit Clubs oder Kneipen zu ziehen und dann jede Nacht | |
die Bullen zu rufen, weil da überraschenderweise Leute auf der Straße sind. | |
Sie sind nicht mehr besonders gut zu sprechen auf Prenzlauer Berg? | |
Schobeß: Wir sind nicht mehr besonders gut zu sprechen auf die | |
Stadtentwickler. Sie nehmen Berlin die Freiräume für Kultur. | |
Döring: Die Politik hätte die Mittel, zum Beispiel durch Bebauungspläne | |
Freiräume zu schützen. Stattdessen hat sie die Stadt ausverkauft. Wir | |
Kreativen haben Berlin zu dem gemacht, was es ist. Und wir haben von der | |
Politik nie etwas zurückbekommen. Wenn sich diese Haltung nicht bald | |
ändert, haben wir ein Problem, denn dann ist Berlin nur noch arm und nicht | |
mehr sexy. Die Touristen kommen nur wegen der Lebendigkeit. Berlin hat | |
sonst nichts. | |
Was werden Sie machen, wenn die Gema-Reformen kommen, gegen die derzeit | |
Berlins ganze Clubszene protestiert? | |
Schobeß: Es wird uns treffen wie alle anderen, wir müssten 1.000 Prozent | |
mehr zahlen. Es wäre ein Desaster. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die | |
Gema das wirklich durchbekommen wird. | |
Warum nicht? | |
Schobeß: Die Gema möchte 10 Prozent der Eintrittsgelder, die man bei voller | |
Auslastung hätte – also auch, wenn es nicht voll ist. Bei uns | |
Clubbetreibern gehen aber oft die kompletten Türeinnahmen und mehr für die | |
Gagen an die Künstler drauf. Die Gema betrachtet uns Clubs wie Diskotheken, | |
und das ist nicht gerechtfertigt. Es ist hanebüchen. | |
5 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Susanne Messmer | |
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