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# taz.de -- Wohnen für Alte: Im Seniorenpark
> Elektrische Rollläden, keine Treppen und eine Nachbarschaft voller
> Gleichgesinnter: Im niedersächsischen Meppen liegt Deutschlands erstes
> Dorf nur für Senioren. Ein Besuch.
Bild: Hat sich den Umzug nochmal überlegt: Josef Wulf, Architekt und Gründer …
MEPPEN taz | Die Bungalows am Heideweg in Meppen sehen gemütlich aus. Sie
haben einen kleinen Garten und heißen Immergrün, Goldmohn und Sonnentau.
Fast jedes Haus hat eine Garage, in der ein großes, bequemes Auto steht.
Die Siedlung liegt etwas abseits von der Innenstadt. Stress und Unruhe
sollen draußen bleiben, schließlich sind die Bewohner allesamt älter als 60
Jahre: In Meppen befindet sich das deutschlandweit erste Dorf nur für
Senioren.
In der ganzen Anlage gibt es keine einzige Stufe oder Schwelle, die
Rollläden sind elektrisch und in den Duschen der Häuser gibt es eine kleine
Bank zum Hinsetzen. Doch es geht nicht nur um die barrierefreie
Ausstattung. „Alte Menschen wollen so lange wie möglich frei und
eigenständig leben“, sagt Josef Wulf, der Gründer des Seniorenparks. Genau
das sei die Leitidee. „Hier bekommen sie so viel oder so wenig
Unterstützung, wie sie möchten“, sagt Wulf.
Josef Wulf ist 67 Jahre alt und kennt jeden Bewohner des Heidewegs
persönlich. Beim Rundgang hält er mal hier, mal dort an. „Hornickel, was
arbeiten Sie denn im Garten? Bespaßen Sie doch besser Ihre Frau“, ruft er
über ein Blumenbeet hinweg. Reiner Hornickel, ein hagerer, groß gewachsener
Mann mit freundlichem Gesichtsausdruck, lehnt sich auf seine Hake und
grinst. Er bearbeitet gerade die fünf Quadratmeter vor seinem Haus. Allzu
viel wächst dort noch nicht, aber der 67-Jährige ist ja auch erst vor zwei
Monaten mit seiner Frau hergezogen.
Sehr zufrieden seien sie hier, sagt Reiner Hornickel. „Es gibt keine
Treppen, der Boden ist eben und wir haben unseren kleinen Garten. Ist
perfekt.“ Vorher wohnte das Ehepaar in Eilenburg bei Leipzig, das ist 500
Kilometer von Meppen entfernt. Nur vier Stunden hätten sie über das Angebot
nachgedacht, sagt Hornickel. „Unsere Kinder, die können uns ja besuchen.
Nur eben nicht mehr so oft.“
Den Eindruck, dass Kinder und junge Menschen am Heideweg unerwünscht sind,
möchte Wulf vermeiden. „Ein Paar hat letztens die Enkel für zwei Wochen
aufgenommen, damit deren Eltern alleine verreisen können“, sagt er. Gestört
hätte die Kinder niemand. Aber auf Dauer sei eine so ruhige Nachbarschaft
schon angenehm.
Wulf verdient sein Geld als Architekt, für Interessenten hat er eine dicke
Mappe mit Beispielhäusern zusammengestellt. Das Bungalow-Modell Magaritte
etwa kostet 164.450 Euro – ein Rundumpreis für Grundstück, Anschluss- und
Baukosten. Prinzipiell konnten die Senioren aber als Architekt und Bauherrn
anstellen, wen sie wollten. Wulf unterbreitete lediglich Vorschläge. So
viel Freiheit wie möglich, so viel Hilfe wie nötig – das gelte auch beim
Bau.
Mittlerweile wird nicht mehr so viel gebaut am Heideweg. Alle Grundstücke
sind verkauft, die Bungalows stehen und unter den Bewohnern hat sich eine
Gemeinschaft gebildet, die gemeinsam grillt und Fußball schaut. Das ging
sehr viel schneller als erwartet, sagt Wulf. „Es gab eine enorme
Nachfrage.“
Das überrascht nicht, wenn man auf die Statistik blickt: Jeder fünfte
Deutsche ist über 65, bis 2060 wird es jeder Dritte sein. In den USA gibt
es den Trend zur Seniorenstadt schon längst, bereits in den 1960er Jahren
öffnete die erste „Sun City“ – eine komplette Stadt für Senioren samt
Freizeitanlagen, Restaurants und Hotels.
Diesen ghettoartigen Charakter wollte Wulf vermeiden. „20 kleine
Seniorendörfer sind besser als eine große Stadt voller alter Menschen“,
sagt er. Und so müssen die Bewohner für Einkäufe oder Arztbesuche noch
immer in die rund 1,8 Kilometer entfernte Innenstadt. Wem das zu mühsam
ist, kann eine sogenannte Kümmerin beauftragen, die sich zwei Stunden
täglich den Sorgen der Bewohner annimmt. Sie vereinbart Friseurtermine,
hilft beim Steuerbescheid und bestellt den Gärtner – so zumindest die
Theorie.
Denn die letzte Kümmerin hat ihren Job aufgegeben, eine neue hat Wulf noch
nicht gefunden. „Für die Arbeit muss man nervenfest sein“, sagt er. Der
eine Bewohner wolle den Gärtner täglich da haben, ein anderer nur einmal im
Monat. Lösen lasse sich das Problem nicht so leicht. „Senioren sind nun mal
keine Engel“, sagt Wulf und lächelt vielsagend. Ganz konfliktfrei wohnt es
sich auch am Heideweg nicht.
Dennoch liegen Wulf seine Senioren am Herzen. Bei dem Wohnprojekt gehe es
ihm auch um Gerechtigkeit, sagt er. „Für alles sorgt der Staat vor:
Arbeitslosigkeit, Pflegefälle – nur die, die ein ganzes Leben brav Steuern
gezahlt haben, wissen nicht, wo sie mit 65 hin sollen.“
Über 40 Gemeinden haben sich das Seniorendorf in Meppen bereits angeschaut,
die meisten zeigten sich interessiert. Wulf selbst plant Parks in zwei
weiteren Städten – Herzlake und Rothenburg.
Insgesamt möchte er sich aber etwas zurückziehen aus der Arbeitswelt,
schließlich hat auch er die 60 schon lange überschritten. Als Rentner, das
war einst sein Traum, wollte auch er sich im Meppener Seniorendorf
niederlassen. Ein Grundstück dafür hatte er schon reserviert. Nun hat er es
sich doch anders überlegt. „Ich wäre ständig Ansprechpartner für alles“,
sagt er. „Ich selbst würde meinen Ruhestand am Heideweg nicht genießen
können.“
5 Oct 2012
## AUTOREN
Lisa Kolde
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