# taz.de -- Die Wahrheit: Der Parolenschießer | |
> Aus dem Leben des Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück. | |
Bild: In seiner Freizeit züchtet Peer Steinbrück kernige Metaphern und steht … | |
Wenn man den kleinen Peer Steinbrück fragte: „Kleiner Peer, was willst du | |
denn werden, wenn du einst groß bist“, so bekam man ein bärbeißig | |
hingeraunztes „Sozialdemokrat!“ oder eine saftige Maulschelle zur Antwort. | |
Je nach Tagesform. | |
Denn Peer Steinbrück war schon in jungen Jahren der Sozialdemokratie | |
anheimgefallen, nachdem er eine Schellackplatte mit Arbeiterliedern von | |
Ernst Busch rückwärts abgespielt hatte und den geheimen Botschaften | |
(„Deregulierung des Arbeitsmarktes! Rente mit 67! Oder 87! Oder gar | |
nicht!“) erlegen war. | |
Im bürgerlich-ehrbaren Hamburg eckte der junge Steinbrück mit seinem | |
rücksichtslosen Sozialdemokratismus („Lockerung des Kündigungsschutzes!“) | |
natürlich an. | |
Vom Architektensohn und Urgroßneffen des Gründers der Deutschen Bank hatte | |
man mehr Benimm erwartet, doch der junge Rebell feuerte eine | |
sozialrevolutionäre Parole nach anderen („Es reicht nicht, allein über die | |
Interessenlagen von Rentnern und Hartz-IV-Empfängern zu reden“) aus der | |
Hüfte, bis er das humanistische Gymnasium verlassen und auf einer fiesen | |
Gesamtschule einem Abschluss minderer Güte entgegendämmern musste. | |
Anschließend weigerte er sich, wenigstens eine gut dotierte Stellung als | |
Pfeffersack in einem renommierten Gewürzhandel anzunehmen, denn als solche | |
pflegte die Hamburger Gesellschaft ihre missratenen Buben abzustellen, so | |
dass dieses Amt später von Ole von Beust bekleidet werden musste. | |
„Und wovon willst du denn leben, als Sozialdemokrat?“, hatte das Mütterlein | |
gebarmt und dem jungen Steinbrück wenigstens das Versprechen abgerungen, | |
keiner lukrativen Nebenbeschäftigung aus dem Weg zu gehen. | |
Beim Studium in Kiel lernte Steinbrück dann Wolfgang Kubicki kennen, der | |
ihn in seiner Auslegung des sozialdemokratischen Glaubens („Steuern auf | |
Veräußerungsgewinne abschaffen!“) bestärkte, aber dann bei der | |
Schwesterpartei FDP anheuern musste, weil der morsche Parteiapparat des | |
alten Dampfers SPD zwei Staatsmänner dieses Kalibers gar nicht getragen | |
hätte. | |
Dieser Apparat war ja letzten Endes schon mit dem Superminister Wolfgang | |
Clement überlastet, einem weiteren Mentor Steinbrücks, der den einstigen | |
Staatssekretär und nachmaligen Landesminister schließlich in die letzten | |
arkanen Geheimnisse der Sozialdemokratie nach Clement’schem Ritus | |
(„Marktwirtschaft rules o. k.!“) initiierte. | |
Nach unbestätigten Berichten soll Steinbrück dabei mehrmals den Namen des | |
dreieinigen Gottes („Privatisierung, Deregulierung und Flexibilisierung!“) | |
ausgerufen und sich mit einem Gummihuhn auf den Kopf geschlagen haben. Das | |
mit dem Gummihuhn kann aber auch bloß eine Legende sein. | |
Clement war es auch, der dem aufstrebenden Politiker Steinbrück günstig das | |
gebrauchte Bundesland Nordrhein-Westfalen überließ, damit der Neuling an | |
dieser ohnehin ziemlich ramponierten Industriebrache ein wenig das Regieren | |
üben könne, woran Steinbrück aber bald die Lust verlor. Die Wahlen übrigens | |
auch. | |
Beflügelt von diesem Erfolg wechselte Steinbrück in die Bundespolitik, wo | |
er alsbald politischen Genius aufblitzen ließ, indem er das | |
Finanzmarktstabilisierungsgesetz nicht von teuren und langsamen Beamten, | |
sondern vom flinken Anwaltsheer „Freshfields Bruckhaus Deringer“ schreiben | |
ließ, das zufällig vor dem Ministerium sein Feldlager aufgeschlagen hatte. | |
Seitdem sind die Märkte stabil, dass es nur so kracht, und Steinbrück | |
umweht vollkommen zu Recht der Nimbus des Finanzfachmanns. | |
Nicht wahr ist jedoch, dass Peer Steinbrück mit dem größten Staatsmann der | |
Deutschen verwandt ist, denn mit Helmut Schmidt verbindet ihn lediglich | |
eine tief empfundene Zweckbeziehung. 2011 veröffentlichte er mit dem alten | |
Kämpen die Raucherfibel „Zug um Zug“, die nur knapp den Lebenserinnerungen | |
der Margot Käßmann im Kampf um den „Most Boring Book Award“ unterlag. | |
Richtig dagegen ist, dass Steinbrücks Ahnherr Rudolf von Delbrück als | |
Reichskanzleramtschef beim zweitgrößten Staatsmann der Deutschen, Otto von | |
Bismarck, wirkte und auch von diesem Vorbild lernte Steinbrück viel über | |
den Umgang mit Sozialdemokraten. Außenpolitisch orientiert er sich jedoch | |
lieber an Wilhelm II., der mit launigen Sottisen und munteren Sprüchen halb | |
Europa vergrätzte und die Idee eines Weltkrieges überhaupt erst richtig | |
populär machte. | |
In seiner Freizeit züchtet Peer Steinbrück kernige Metaphern und steht gern | |
breitbeinig vor dem Spiegel. Nach der Bundestagswahl wird er den Titel | |
„Erhabener Imperialkanzler“ tragen und aus Gründen der Beinfreiheit ohne | |
Kabinett regieren. | |
6 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Christian Bartel | |
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