# taz.de -- Der Elektro-Auto-Hersteller: "Wir haben einen Vorsprung" | |
> Sirri Karabag ist Deutschlands erfolgreichster E-Mobil-Hersteller. | |
> Trotzdem fährt er privat einen Benz. Ein Gespräch über Autos und Energie | |
Bild: Nicht frei von Eitelkeiten: Sirri Karabag | |
taz: Herr Karabag, was für ein Auto fahren Sie privat? | |
Sirri Karabag: Ich habe ein Elektroauto, das ich im Winter und natürlich in | |
der Stadt häufig benutze, aber ich fahre auch ein recht großes | |
benzinbetriebenes Auto. Alles andere als ein Ökomobil. Aber dazu stehe ich. | |
Ich gehöre noch zur Generation, die mit lauten, schweren und kräftigen | |
Autos aufgewachsen ist. Das macht mir Spaß. Wenn es von meinem Benz eine | |
Elektrovariante gäbe, mit der gleichen Leistung und der gleichen Reichweite | |
für das gleiche Geld, dann würde ich die fahren. | |
Sie sind Deutschlands erfolgreichster E-Mobil-Hersteller. Was macht Ihr | |
Konzept aus? | |
Wir kaufen normale Fiat 500, bauen den Benzinmotor aus und verkaufen den. | |
An dessen Stelle montieren wir dann einen Elektromotor und alles was dazu | |
gehört. Dabei haben wir vieles selbst entwickelt. Zum Beispiel hat der 500E | |
einen Tank für Bioethanol, mit dem im Winter die Heizung betrieben wird. | |
Das ist ökologisch und erhöht die Reichweite des Autos. Wir arbeiten mit | |
großen Unternehmern zusammen, die einiges an Erfahrungen mitbringen. Wer | |
wäre zum Beispiel ein besserer Partner in Sachen E-Mobility als der | |
Gabelstaplerhersteller Still? | |
Haben Sie sich denn früher schon für E-Mobility eingesetzt oder sich für | |
die Umwelt engagiert? | |
Nein, gar nicht. Ich habe nie ein ökologisches Jahr gemacht oder | |
dergleichen. Ich bewundere es, wenn andere so etwas tun. Mein Ding war das | |
aber nie. Ich bin wirklich erst dazu gekommen, als Fiat mich als | |
Autohändler beauftragt hat, fertige E-Mobile nach Deutschland zu | |
importieren. Das lief damals nur mittelmäßig, vieles hat nicht geklappt. | |
Als der Vertrag auslief, habe ich dann selber weitergemacht und das | |
Geschäft ausgebaut. Wir haben daran geglaubt, dass wir das besser können. | |
Übrigens nicht nur ich allein, sondern auch meine Mitarbeiter. Das muss ja | |
auch mal erwähnt werden. | |
Was bringt mehr Spaß, Unternehmer zu sein oder etwas Gutes für die Welt zu | |
tun? | |
Beides für sich bringt gar keinen Spaß. Als Unternehmer hat man den Fokus | |
darauf, Geld zu verdienen, und wenn ich quasi als Öko unterwegs bin, habe | |
ich natürlich andere Ziele. Erst die Verbindung von beiden macht richtig | |
Spaß. | |
Hat Ihnen denn der Job vor dem 500E keine Freude bereitet? | |
Doch natürlich, aber es fehlte die Herausforderung. Aber unsere neue | |
Strategie hat dem Ganzen neue Impulse verschafft. Im Ernst. Meine | |
Motivation ist klar. Ich möchte gerne erfolgreich sein und das sind wir mit | |
unserem Konzept. In erster Linie bin ich Unternehmer, wenn ich dabei auch | |
noch etwas für die Umwelt tun kann, freut mich das umso mehr. | |
Wer soll denn die Autos kaufen? | |
In der Werbung hieß es, zumindest früher, Autokauf sei keine rationale | |
Entscheidung, sondern eine Frage der Emotionen. Ich glaube, da findet | |
gerade ein Paradigmenwechsel statt. Die ältere Generation fährt eben noch | |
gerne große Autos, so wie ich. Der neuen Generation ist es aber völlig | |
egal, wie ein Auto aussieht und wofür es steht. Die fragen sich, welches | |
Smartphone habe ich und welches iPad. Die benutzen eben die neuen | |
Carsharing-Angebote und fahren Smart. Das Auto als Statussymbol | |
funktioniert da nicht mehr. | |
Sie gehen davon aus, dass Ihr Konzept, in kleiner Serie Benziner in Stromer | |
umzuwandeln, ein Unternehmen mit Ablaufdatum sei. Die großen Anbieter | |
würden früher oder später mit eigenen Autos auf den Markt kommen und Sie | |
verdrängen. | |
Das habe ich gesagt, aber da ändert sich gerade etwas. Wir haben so viel | |
Erfahrung gesammelt und jetzt weiß ich, dass das noch lange dauern wird. | |
Die schaffen das gar nicht. Die Produktion würden die noch hinkriegen, aber | |
in der Entwicklung sind wir eigentlich weiter. Wir haben jetzt 20 Millionen | |
Erfahrungskilometer, das sollen die erst mal nachmachen. Und das größte | |
Problem bleibt das After-Sales-Geschäft. Nach deutschem Recht müssen die | |
Hersteller den Service garantieren. Wer soll das denn machen? Das fasst | |
doch kein Mitarbeiter einer Vertragswerkstatt an. Der wüsste ja auch gar | |
nicht, was er damit machen sollte. Das ist ja der Grund, warum wir das | |
deutschlandweit erste E-Auto-Servicenetz mit der Firma Still vereinbart | |
haben. Die haben eine enorme E-Mobility-Kompetenz. | |
Wann wird es so weit sein? | |
Vor 2020 auf keinen Fall. Und ich sage Ihnen was: Das erste E-Serienauto | |
kommt nicht aus der Automobilindustrie. Wie gesagt, die können das nicht. | |
Es wird ein Hersteller von Elektromotoren sein. Der Gabelstaplerhersteller | |
Still eben, mit dem wir zusammenarbeiten, hat die nötige Kompetenz. Und | |
gleichzeitig 1.500 Vertretungen in Europa. Die können das. Oder vielleicht | |
eine asiatische Marke. Aber passieren wird es natürlich, dass ein großer | |
Konzern auf den E-Mobile-Markt drängt. | |
2020 ist auch nicht mehr lange hin. Macht Sie das wehmütig? Sie bauen ein | |
Geschäft auf und müssen sich dann absehbar wieder zurückziehen? | |
Darüber habe ich noch nicht richtig nachgedacht. Das wäre tatsächlich etwas | |
traurig. Inzwischen denke ich aber, dass wir weiterhin im Geschäft bleiben | |
werden. Ich ging früher tatsächlich einmal davon aus, dass wir das ein paar | |
Jahre machen und es dann auch wieder lassen. Aber unsere Erfahrungen zeigen | |
eben, dass wir einen Vorsprung haben. Wir werden aber möglicherweise Teil | |
eines Konzerns oder Konsortiums werden. | |
Wie wäre es mit einer Verschwörungstheorie? Die Industrie will gar keine | |
E-Mobile haben. Um den EV1, den GM in den 90er-Jahren gebaut hat, ranken | |
sich Legenden. Die Autos wurden sogar zurückgerufen. | |
Mit Verschwörung hat das nichts zu tun. Die haben eben gesehen, dass sie | |
das nicht auf die Reihe kriegen. Da haben sie lieber einen Rückzieher | |
gemacht. | |
Warum sind die Konzerne noch nicht so weit? | |
Weil ihnen dazu einfach das Know-how fehlt. Außerdem werden die Konzerne | |
von irgendwelchen Aufsichtsräten gesteuert, die überhaupt keine Bindung zu | |
dem Unternehmen haben. Die interessieren sich für die | |
Bilanz-Pressekonferenz, die Aktionäre und ihr Konto. Darüber hinaus findet | |
wenig statt. Ich will da niemandem zu nahe treten. Das hat auch seine | |
Berechtigung. Aber um so ein Unternehmen umzubauen, muss man wirklich | |
Chuzpe haben. Dann muss man sich hinstellen und sagen: Jetzt wird zehn | |
Jahre lang keine Dividende bezahlt, jetzt investieren wir. | |
Ist das E-Auto denn überhaupt das Auto der Zukunft? Haben wir dafür | |
überhaupt die Ressourcen? | |
Wenn wir es intelligent anpacken, wird es das sein. Ein Beispiel: Wir bauen | |
jetzt Häuser und Siedlungen, die wir dezentral mit Energie versorgen und | |
diese selber zwischenspeichern. Zum Beispiel durch den 500E vor der Tür. | |
Regenerative Energien, ein Haus, ein Auto. Das ist das Geheimnis. Schauen | |
Sie sich die Städte in China an, die heute auf der grünen Wiese entstehen. | |
Die werden tatsächlich nach ähnlichen Konzepten designt. Da gibt es | |
Ladestationen für jedes Auto. Die ersten unserer Häuser werden übrigens | |
dieses Jahr vorgestellt. | |
Sie denken also auch allgemein über Energiesparen nach? | |
Es ist einfach absoluter Schwachsinn, wie derzeit Energie für die | |
Energiespitzen und angenommenen Verbrauchskurven produziert wird. Wir | |
müssen da umdenken. Und wer sagt denn, dass nicht morgen früh ein | |
Entwickler aufwacht und eine völlig neue Idee für einen Akku hat? | |
Vielleicht lässt ja einer seinen Kaffeefilter in der Bionade liegen und | |
sieht, dass er einen völlig neuen Akku erfunden hat? Anode, Kathode und so | |
... Überhaupt ist die Diskussion über externe Ladestationen nahezu | |
überflüssig. Unsere Autos laden sie an der Steckdose auf. Einfach so. | |
Technisch ist das überhaupt kein Thema. | |
Was ist an Ihnen typisch deutsch und was typisch türkisch? | |
Da gibt es sicher was aus beiden Welten. Deutsch ist an mir meine | |
Zielstrebigkeit und mein Wille, etwas zu schaffen, der türkische Anteil | |
meine Fähigkeit, Netzwerke zu knüpfen, auf Menschen zuzugehen. Das ist | |
enorm wichtig. Ohne dieses Netzwerk würde dieser Job nicht gelingen. Wir | |
arbeiten mit so vielen verschiedenen Zulieferern zusammen. Das ginge | |
wirklich nicht ohne. | |
Sehen Sie sich als Deutsch-Türke in einer Vorbildfunktion? | |
Nein, überhaupt nicht. Da bin ich einfach nur Unternehmer. Aber da gibt es | |
ja auch so viele, die beide Kulturkreise miteinander verbinden, bilingual | |
sind. In jedem Kulturkreis gibt es Leute, die Ihre Aufgaben sehr ernst | |
nehmen, und Leute, die es lieber laissez-faire angehen lassen. Darüber | |
denke ich nicht nach. | |
Bedeutet Ihnen die Öffentlichkeit viel und die Preise, die Sie erhalten? | |
Ja, das ist wichtig. Ich habe so viel vor, da ist Öffentlichkeit schon | |
hilfreich. Und es ist natürlich eine Bestätigung für mich. Wer ist denn | |
frei von Eitelkeiten? Ich bin da schon stolz drauf. | |
7 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Jan Wehberg | |
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