# taz.de -- Schorsch Kamerun in Düsseldorf: Seltsam heitere Polonaise | |
> Schorsch Kamerun macht am Schauspielhaus Düsseldorf in Medienkritik. Sein | |
> „Sender freies Düsseldorf“ hatte eine schwungvolle Premiere. | |
Bild: Wider die existenzielle Reizüberflutung: Schorsch Kamerun mit mobilem En… | |
Verkommen die Rundfunk-Sendeanstalten heute immer mehr zum unverbindlichen | |
Dudelfunk, zur tönenden Werbefläche und zum narkotisierenden medialen | |
Grundrauschen einer überkommerzialisierten Welt? | |
Auch die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten müssen sich den Vorwurf | |
anhören, ihre einst vielfältigen Kulturformate mit kritischer | |
Berichterstattung systematisch auf affirmative Häppchen einzudampfen. | |
Speziell gegen die Programmreform des Kultursenders WDR 3, die bereits seit | |
Jahren im Gange ist und gerade wieder anzieht, regt sich seit Anfang des | |
Jahres Widerstand in Form der „Radioretter“-Initiative, deren offenen Brief | |
inzwischen 19.000 Unterschriften zieren. | |
Radioretter-Erstunterzeichner Lothar Fend – selbst ehemaliger WDR-Redakteur | |
– taucht nun auch in der Danksagung des Programmhefts von Schorsch Kameruns | |
neuester Theaterschöpfung auf. Die kam am Freitag unter dem Titel „Sender | |
freies Düsseldorf“ im Kleinen Haus des Düsseldorfer Schauspielhauses zur | |
Uraufführung, als sogenannte Konzertinstallation. | |
## Unbehagen an der existenziellen Reizüberflutung | |
Mit konkreter Kritik an einer konkreten Programmreform hält Schorsch | |
Kamerun, altgedienter Sänger der Hamburger Punkband Goldene Zitronen, viel | |
gefragter Regisseur und Spezialist fürs Freundlich-Subversive, sich | |
freilich nicht auf. Sein Unbehagen am pausenlosen Senden und an | |
existenzieller Reizüberflutung ist grundsätzlicherer Natur. Um es im | |
Mediensprech zu sagen: Kameruns Kritik richtet sich gar nicht erst an eine | |
klar umrissene Zielgruppe – die der Radiomacher etwa –, sondern an alle | |
Senderinnen und Sender, sprich: an die Generation Facebook und iPhone. | |
Auf der Bühne (Katja Eichbaum) sind sechseckige Waben aus Plexiglas | |
aufgebaut, die Sprecherkabinen und Tonstudios nachempfunden sind. Gewisse | |
Ähnlichkeiten mit dem WDR-Funkhaus am Kölner Wallrafplatz sind vermutlich | |
beabsichtigt. Zu Beginn ertönt ein monoton sphärischer, elektronischer | |
Sound, zu dem Karin Pfammater im geblümten Hosenanzug (Kostüme Aino | |
Laberenz) sediert wirkend eine lange Vermeidungs-Litanei herunterbetet: | |
„Ich versuche, mich zu beruhigen … Ich versuche, an den Stimmen | |
vorbeizukommen … Ich will auch nicht ständig begrüßt werden …“, heißt… | |
da. Und: „Ich werde versuche eigene Zeichen zu entwickeln.“ | |
Dann entwickeln sich auf der Bühne wuselnde Parallel-Ereignisse, die in | |
ihrer scheinbar unfertigen Beiläufigkeit wie improvisiert wirken. In der | |
einen Kabine wird geprobt, im Hintergrund findet ein Interview statt, ohne | |
dass der Ton übertragen wird, hier wird gebastelt, dort Zeitung gelesen, ab | |
und zu stimmt Schorsch Kamerun einen kleinen Song an. | |
Nebenher laufen auf drei Projektionsflächen Videos (Kathrin Krottenthaler), | |
die teils das abbilden, was für alle sichtbar in den Waben geschieht, aber | |
teilweise auch vorproduziert wurden. In diesen Streifen sieht man | |
Darsteller in sogenannten Morph-Suits ohne Gesicht, die unter bleiernem | |
Himmel durch die hässlichsten Konsum-Ecken Düsseldorfs hetzen und | |
Guerillamarketing betreiben oder in Comic-Kostümen über die Rheinbrücken | |
radeln. | |
Aber der Bühne tummeln sich derweil neben sieben Ensemblemitgliedern des | |
Düsseldorfer Schauspielhauses und Schorsch Kamerun siebzehn „Freie | |
Senderinnen und Sender“, stumme Experten des Alltags, deren Aktionen meist | |
schwer zu durchschauen sind. Einmal drängeln sie sich alle zusammen in eine | |
Wabe, was aber in der Lagebesprechung thematisiert wird, dringt nicht nach | |
draußen. | |
## Interview mit Süverkrüp | |
Dafür geht irgendwann das Live-Interview im Hintergrund auf Sendung: Bei | |
jeder Vorstellung werden es andere Gesprächspartner sein, am Premierenabend | |
kam der linke Liedermacher Dieter Süverkrüp mit der WDR-Redakteurin | |
Gabriele Gillen ins Gespräch. | |
Süverkrüp beklagte den Gute-Laune-Terror im Radio, den Wegfall längerer | |
Formate und das Gefühl „hier wird pausenlos Bärenbude gesendet“. Recht | |
unvermittelt bricht das Interview dann ab, zu konkret sind offenbar die | |
Anliegen. | |
So geht es knapp 80 Minuten fort, bis eine finale Polonaise mit allen | |
Beteiligten hinter einer schwarz geschmückten Anführerfigur mit Kofferradio | |
den Abend seltsam heiter beendet. | |
9 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Regine Müller | |
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