# taz.de -- Die Wahrheit: Rosiges Ende | |
> Weltuntergänge am laufenden Band. | |
Bild: Gebannt starrt der Mensch auf alle Katastrophenszenarien, die ihm seit Ja… | |
Noch gut zwei Monate gibt uns der Mayakalender auf diesem hübschen | |
Planeten, und schon so ziemlich jeder hat für den 21. 12. 2012 eine | |
Veranstaltung angemeldet. Und das, obwohl es sich bei dem Kalender um ein | |
Periodikum handelt, das noch vor kurzer Zeit in diesen Breiten kein Mensch | |
kannte. | |
Trotzdem weiß inzwischen jeder, dass das im Alltag schwer zu bedienende | |
Relikt der mesoamerikanischen Kultur unser aller baldiges Ende anzeigt. | |
Damit verbinden sich weltweit Hoffnung und Furcht, dass es diesmal endlich | |
klappen möge mit dem großen Finale. | |
Doch mit Weltuntergängen ist es wie mit entscheidenden Fußballspielen. Im | |
Vorfeld werden Experten, Coaches, Hellseher, Kraken und Orakel befragt, die | |
abwegigsten Statistiken werden bemüht und das Schicksal wird | |
heraufbeschworen; am Ende gewinnen immer die Deutschen. So auch beim | |
Weltuntergang. | |
Kürzlich wurde in der Dominikanischen Republik ein Deutscher erschossen, | |
der sich als Mitglied einer hochbewaffneten Sekte einer Polizeirazzia | |
widersetzte. Sein Sektenführer und selbsternannter Wunderheiler verspricht | |
seinen Anhängern schon seit Jahren regelmäßig den Weltuntergang. Neuerdings | |
verkündet er auch ein Datum – selbstverständlich den 21. 12. 2012. Doch | |
hätten nach der Apokalypse nur seine Jünger eine rosige Zukunft. Nun sitzt | |
der deutsche Guru im Gefängnis und darf dort weiter auf die Katastrophe | |
hoffen. | |
Vor einem solchen Ereignis treten stets tausende Vortragskünstler, Magier | |
und Heilsgelehrte auf, die die Zusammenhänge aufs Plausibelste darstellen | |
und Produkte anbieten, mit denen sich die letzten Tage der Menschheit | |
besser aushalten lassen; bis man einen Tag danach mit einem gewaltigen | |
Kater durch die Straßen wandelt und feststellt, dass alles noch dasteht wie | |
vorher. | |
## Statt der Sintflut kam der Euro, der nun selber wieder für | |
Endzeittheorien Pate stehe muss | |
Die Idee vom Weltuntergang ist so alt wie die Menschheit. Vor allem im | |
Christentum gehörte die Sehnsucht seit jeher zum Standardrepertoire, dass | |
der Erlöser zurückkehrt, ein Blutbad anrichtet und dann alles ordentlich | |
mit Wasser überschwemmt. So eng und miefig es beim kreuzbraven Gläubigen zu | |
Hause war, so hell und aufgeräumt sollte es im goldenen Jerusalem sein, wo | |
sich die Christen ihre Wohnblocks schon aufgeteilt hatten. | |
Aber kurz bevor es so weit war, bekamen sie doch oft kalte Füße. | |
Beispielsweise zur vorletzten Jahrtausendwende 999/1000, als Papst | |
Silvester II. den Weltuntergang voraussah und eine Panik in der Bevölkerung | |
ausbrach. Am nächsten Morgen ließ er mitteilen, aufgrund seiner Gebete sei | |
die Erde verschont geblieben. | |
Als Martin Luther die Bibel übersetzte, tat er dies stets im Bewusstsein | |
des drohenden Weltuntergangs. Gleich dreimal sagte Luther das Ende voraus, | |
nicht aber ohne seine Zuhörer unablässig aufzufordern, noch so viele | |
Apfelbäume wie möglich zu pflanzen. Noch heute vergammelt tonnenweise das | |
Fallobst, weil die ganze Gegend mit Apfelbäumen gepflastert ist. Auch sonst | |
wäre der Welt ohne Luthers fundamentalistische Ansichten einiges erspart | |
geblieben, zum Beispiel übertriebener Arbeitseifer und nicht zuletzt Margot | |
Käßmann. | |
Konkurrenz in der Häufigkeit der Weltuntergangsprophezeihungen machen | |
Luther vor allem die Zeugen Jehovas, ein Grund mehr, diese Leute nicht in | |
die Wohnung zu lassen. Liest man die Werke dieser unablässig | |
missionierenden Zeitgenossen, gelangt man zur Erkenntnis, dass die Endzeit | |
schon im Gange ist und die große Vernichtung auf Erden vermutlich noch am | |
selben Nachmittag losgehen wird. | |
Die einzige Möglichkeit, der Hölle noch zu entrinnen, wäre es, einen | |
Mitgliedsantrag auszufüllen. Da aber nahezu alle Religionen Ähnliches | |
behaupten, ist es gar nicht so einfach, sich zu entscheiden. Bekennt man | |
sich im letzten Moment zu Christus, wäre vielleicht Mohammed der Richtige | |
gewesen und man muss doch den Fahrstuhl nach unten nehmen. | |
Seit Beginn der neuen Zeitrechnung gab es fast in jedem Jahrzehnt | |
mindestens einen Experten, der das Ende voraussagte, wobei sich jeweils zu | |
den Jahrhundertwenden die Vorhersagen verdichteten. Eine wahre Flut von | |
Untergangsfantasien überschwemmte die Menschheit dann vor dem Eintritt ins | |
21. Jahrhundert. Statt der Sintflut kam nur der Euro, der aber nun selber | |
wieder für Endzeittheorien Pate stehen muss. | |
Der Mayakalender indessen wurde bislang selten herangezogen, um | |
apokalyptische Ereignisse zu begründen. Dabei waren die Maya angeblich | |
ausgewiesene Experten auf geradezu allen Gebieten. Populäre | |
Interpretationen von Ausgrabungen versichern, dass sie nicht nur begnadete | |
Bildhauer waren, sondern auch Mathematiker, Himmelskenner, Sportler und | |
Astronauten, die clevererweise schon circa 1.000 Jahre vor der von ihnen | |
selbst verkündeten Apokalypse von der Erde verschwanden, wahrscheinlich mit | |
befreundeten Außerirdischen. | |
Allein schon deshalb ist es denkbar, dass der Weltuntergang diesmal ein | |
rundum gelungenes Event wird, an das man sich noch Jahrzehnte später gern | |
erinnern wird. | |
23 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Gregor Mothes | |
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