| # taz.de -- Kolumne Nullen und Einsen: Angst vor der Hirnfräse | |
| > Kostenlos online Fernsehen und dafür Klugscheißer-Spots und anderes | |
| > Product-Placement ertragen? Klingt voll fair. | |
| Bild: Schaut sie noch Werbung oder schon den Clip? | |
| Keinen Bock auf Werbung? Dein gutes Recht“ schreit mir in Großbuchstaben | |
| auf buntem Hintergrund entgegen, als ich mir auf der Homepage von ProSieben | |
| einen kurzen 1:30-Clip ansehen will. „Aber schon mal dran gedacht, wer das | |
| alles hier möglich macht?“ Ich soll doch bitte meinen Ad-Blocker | |
| ausschalten – damit bei ProSieben niemand verhungern muss, das | |
| Online-Angebot kostenlos bleibt. | |
| Lustig, dass sie gerade mir damit kommen. Nachdem ich aufgehört habe, | |
| Bekannte zu belehren, dass Wochenend-Shoppings in New York ökologischer | |
| Irrwitz sind (das muss nach meinem Easyjet-Kurztrip nach London gewesen | |
| sein), versuchte ich sie vom Ertragen von Online-Werbung zu überzeugen. Von | |
| irgendwas müssten sich Online-Medien doch finanzieren, bis es eine bessere | |
| Löung gibt, et cetera pp. Aber irgendwann hatte auch ich die Schnauze voll. | |
| Und Angst um meine geistige Gesundheit. | |
| Neun Mal habe ich kürzlich den gleichen Werbespot über mich ergehen lassen, | |
| um mir eine Product-Placement-verseuchte Castingshow online anzusehen. Ich | |
| will kein Auto! Auch wenn [1][mobile.de] mir wieder und wieder die Frage | |
| ins Gehirn zu fräsen suchte, welches Modell ich mir als nächstes wünsche. | |
| Für eine Sekunde wünschte ich mich zurück in die 50er, als man Werbung noch | |
| als „geheime Verführer“ fürchtete. Dann aktivierte ich den Ad-Blocker. | |
| Zack. Ruhe. | |
| Trotzdem sehe ich jede Menge Werbung im Austausch für kostenfreie Videos. | |
| Auf Youtube. Vor Aufnahmen von großäugigen Lemuren, vor dem Sprung von | |
| Felix Baumgartner vom Rand der Stratosphäre, vor den albernen Videos des | |
| Youtuber-Duos „Die Außenseiter“, deren Kanal mit 800.000 Abonnenten mehr | |
| Zuschauer hat als mancher digitale von ARD und ZDF. Das ist okay. | |
| Rhetorische Glanztiraden von Christopher Hitchens oder Vorträge von Slavoj | |
| Zizek kriege ich sogar werbefrei. | |
| Dabei verdient auch Youtube ordentlich Geld mit Werbung. Von Mutterkonzern | |
| Google – aber auch Dutzende Youtube-Stars, von denen viele Ältere noch nie | |
| gehört haben, können von den Einnahmen locker leben. Für seine Filmchen, in | |
| denen er stundenlang Computerspiele zockt und Millionen zuschauen, soll ein | |
| Youtuber namens Gronkh bis zu 60.000 Euro im Monat verdienen. | |
| Qualitätsfernsehen sieht anders aus. Aber die Jungen stehen drauf: Über 80 | |
| Prozent der Youtube-Zuschauer sind unter 30. So gesehen ist Youtube die | |
| Zukunft. Besonders, seit Youtube auch in Deutschland qualitativ | |
| hochwertigere Produktionen fördert, statt sich nur mit der Gema um | |
| Musikvideos zu fetzen. | |
| Klar: Aufwendige Kostümschinken und andere Hochpreisproduktionen bezahlt | |
| man so nicht. Aber das schrottige Tagsüber-Programm deutscher Sender könnte | |
| schon mal anfangen, sich zu fürchten. Was lief da zum Beispiel noch mal | |
| nachmittags auf ProSieben? Ein Klick – und auf meinem Bildschirm erscheinen | |
| wieder die bunt unterlegten Großbuchstaben. „Schau an, ein | |
| Wiederholungstäter, der noch immer Werbung unterdrückt“, klugscheißt mich | |
| ein weiterer Spot an. Wisst ihr was, ProSieben? Vergesst es einfach! | |
| 26 Oct 2012 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://mobile.de | |
| ## AUTOREN | |
| Meike Laaff | |
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