Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Überlebende von Mogadischu 1977: „Kinder werden nicht erschossen…
> Im Oktober 1977 entführte ein PFLP-Kommando ein Lufthansa-Flugzeug nach
> Mogadischu. Unsere Autorin saß als Kind damals mit in der Maschine.
Bild: Rückkehr der befreiten Geiseln der Lufthansa-Maschine „Landshut“: An…
„Und wer hat schon fünf Tage und fünf Nächte rund um die Uhr einen
Pistolenlauf, zwei Handgranaten und – bei den Ultimaten – zwei
Sprengladungen vor Augen gehabt, brutale Misshandlungen von Frauen,
Scheinexekutionen und die Erschießung eines mit erhobenen Händen knienden
Menschen aus zwei Meter Entfernung miterlebt!“
Mit diesem spektakulären Zitat bewirbt der Suhrkamp Verlag das Buch „Die
Überlebenden von Mogadischu“ des Journalisten Martin Rupps. Im Oktober 1977
hatten palästinensische Terroristen die Lufthansa-Maschine „Landshut“ mit
91 Insassen gekidnappt. Damit sollten unter anderem Mitglieder der RAF
freigepresst werden.
Von Palma de Mallorca ging der Flug über Rom, Larnaka, Aden und Dubai. Nach
fünf Tagen wurde die Maschine auf dem Flughafen der somalischen Hauptstadt
Mogadischu von dem Sondereinsatzkommando GSG 9 gestürmt, drei der Entführer
wurden erschossen, alle Geiseln befreit. Die Bundesregierung unter Kanzler
Helmut Schmidt hatte sich als nicht erpressbar gezeigt. Ein Happy End?
Martin Rupps räumt in seinem überaus lesenswerten Buch gründlich mit dieser
Einschätzung auf. Und das ohne Anschuldigungen und Sentimentalitäten. Er
hat Dokumentarfilme, Presseartikel und Archivmaterial der letzten 35 Jahre
gesichtet, Zeitzeugenberichte eingesehen sowie mit ehemaligen Geiseln und
einer Traumaforscherin gesprochen und kommt zu dem Schluss, dass die
Befreiung in Mogadischu keineswegs ein Happy End war.
Denn zurück kamen 90 traumatisierte Menschen, die nach ihrer Ankunft in
Deutschland einfach nach Hause geschickt wurden. Die Bundesregierung
kümmerte sich kaum um sie, zu Hause begegnete man ihnen mit Unverständnis.
Sie mussten um materielle Entschädigung und für psychologische Betreuung
kämpfen und blieben mit ihren Ängsten häufig allein. Dies alles stellt
Martin Rupps in seinem Buch eindrücklich dar.
## Meine eigene Geschichte
Ich habe mit diesem Buch auch meine eigene Geschichte gelesen. Als
Achtjährige hatte ich die Herbstferien 1977 mit meinen Eltern auf Mallorca
verbracht. Ich war behütet aufgewachsen, alles Böse wurde von mir
ferngehalten. Außer der „Sesamstraße“ durfte ich nur wenig fernsehen,
Grimms Märchen fand meine Mutter zum Vorlesen zu grausam. Und Kriege und
Katastrophen waren für mich sowieso ganz weit weg.
Das einzige politische Ereignis dieser Zeit, an das ich mich erinnere, ist
die Entführung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer. Sein Foto
mit dem Schild „Gefangener der RAF“ erschien alle paar Tage auf der
Titelseite unserer Zeitung. Hanns Martin Schleyer sah müde und traurig aus.
Er tat mir leid. Dass ich bald selbst in einer ganz ähnlichen Situation
sein würde, war jenseits meiner Vorstellung.
Viele „Landshut“-Insassen belastete nach ihrer Rückkehr die Reaktion von
Freunden und Verwandten. „Du hast sie doch nicht alle, du bist doch gesund“
ist das Kapitel überschrieben, in dem die Menschen erzählen, auf wie viel
Unverständnis und Hilflosigkeit sie stießen. Denn für sie war nichts mehr
wie vorher. „In mir hatte sich etwas verändert, und damit stimmte mein
Verhältnis zur alten Welt nicht mehr. Alles, was sicher geschienen hatte,
war wankend geworden, und ich fühlte mich wie im Krieg“, erinnert sich die
Chefstewardess Hannelore Piegler.
## Posttraumatische Belastungsstörungen
Viele der ehemaligen Geiseln litten unter Schlafstörungen, Angstzuständen,
Stimmungsschwankungen. Oft vermeinten sie ihre früheren Entführer wieder zu
sehen. Heute weiß man, dass dies Symptome posttraumatischer
Belastungsstörungen sind – ein damals nur wenig definiertes Krankheitsbild.
Hinzu kam, dass die Psychotherapie in den späten 1970ern noch lange nicht
so gesellschaftsfähig war wie heute.
Deshalb gingen die meisten „Landshut“-Passagiere zunächst zu ihren
Hausärzten, wie die Passagierin Jutta Brodt erzählt: „Ich bin dann […] zum
Arzt, weil ich diese Gesichtslähmung hatte. Mir ist dann aufgefallen, dass
der Arzt an meiner Geschichte viel stärker interessiert war als an der
Frage, ob ich krank oder gesund war. Er hat mich über die Entführung
ausgefragt. Ich war geschockt.“
Der 66-jährige Karl Hanke, von dem das eingangs erwähnte Zitat stammt,
notierte: „Einige meiner Zuhörer, meist weitgereiste und ’vielgeflogene‘
Männer, fanden es völlig unverständlich, dass 40 Männer, die es
schätzungsweise unter den 91 Geiseln gab, nicht imstande gewesen sein
sollten, mit nur vier Bewaffneten fertigzuwerden.“ Andere Passagiere
berichteten Ähnliches. Hanke folgert resigniert: „Dem Mitempfinden derer,
die nicht dabei waren, sind eben Grenzen gesetzt.“
## Mit Nylonstrümpfen gefesselt
Es waren nicht nur die ständige Bedrohung durch Waffen, die Schläge und
Beleidigungen durch die Entführer, es waren auch die oft unerträgliche
Hitze in einem Flugzeug, bei dem zeitweilig die Klimaanlage ausfiel, die
Enge auf den schmalen Sitzen, die nach ein paar Tagen überfüllten und
stinkenden Toiletten und das völlige Abgeschnittensein von der Außenwelt,
was die Menschen belastet hatte. Sie durften nur wenige Stunden am Tag
miteinander sprechen, nur mit Erlaubnis aufs Klo, sie wurden mit
Nylonstrümpfen gefesselt und mit Alkohol übergossen.
Für Menschen, die das nicht erlebt hatten, war es schwer, auf die
ehemaligen Geiseln adäquat zu reagieren. Ehen gingen in die Brüche,
Menschen fühlten sich von ihren Familien entfremdet, kapselten sich ab,
wurden arbeitsunfähig.
Als Kind habe ich das anders erlebt. Denn nach unserer Rückkehr wurde über
Mogadischu eigentlich nur wenig gesprochen. Wir gingen schnell zum Alltag
über. Vielleicht weil meine Eltern wie zuvor alles Böse von mir fernhalten
wollten. Ich durfte nicht einmal den Stern mit den Fotos vom blutigen Ende
in der somalischen Wüste ansehen. Meine Oma versteckte das Heft im Schrank.
Ich holte es heimlich heraus. Auch an Arztbesuche kann ich mich nicht
erinnern.
Nur in die Schule sollte ich erst mal nicht. Weil ich mich zu Hause aber
schnell langweilte, durfte ich dann doch wieder hin. „Wir dürfen dich
nichts fragen“, sagten meine Mitschüler. Nur meine Freundin Angelique
schenkte mir ein Buch mit der Widmung: „Ich freue mich, daß Du wieder zu
Hause bist und wünsche mir, daß Dir das Buch gefällt.“ Das habe ich bis
heute aufbewahrt. Mein Freund Gunnar wollte alles genau wissen. Nachmittags
auf dem Schulhof zeigte ich ihm, wie „Captain Mahmud“ dem Piloten Jürgen
Schumann eine Pistole an die Schläfe hielt und abdrückte. Gunnar sank zu
Boden und stellte sich tot.
## Mit den Ängsten leben
Die Ängste kamen erst viele Jahre später und sind bis heute da: Ich steige
aus Zügen mit arabisch aussehenden Männern häufig wieder aus. Ich setze
mich nie mit dem Rücken zur Tür. In vollen Räumen werde ich schnell
panisch. Hält eine U-Bahn auf offener Strecke, scanne ich die Menschen ab
nach Freund und Feind. In bestimmte Länder würde ich eher nicht reisen und
ins Flugzeug steige ich nur in Ausnahmefällen. Ich habe gelernt, mit diesen
Ängsten zu leben.
Das Unverständnis allerdings, das Rupps beschreibt, erlebe ich heute viel
stärker als vor dreißig Jahren. Kommt das Gespräch mal auf Mogadischu,
stellt mein Gegenüber in der Regel ein, zwei kurze Fragen und wechselt dann
schnell das Thema. Danach wird nie wieder darüber gesprochen. Ist das
Unsicherheit – oder einfach Desinteresse?
Nur bei Flugreisen muss ich manchmal erklären, warum ich bei zu lauten
Passagieren oder unübersichtlichen Situationen in Panik gerate: „Nein, ich
bin nicht einfach hysterisch, mir ist mal was Schlimmes passiert.“
Diejenigen, die dann nach einigen wenigen Sätzen weiter gefragt haben, kann
ich an einer Hand abzählen.
Mir sind diese unbeholfenen Reaktionen peinlich und deshalb spreche ich
nicht gerne davon, mal „Landshut“-Geisel gewesen zu sein. Ich weiß auch
nicht mehr genau, wem ich das überhaupt erzählt habe. Durch das Buch von
Martin Rupps habe ich erfahren, dass ich mit diesem Verhalten und mit
meinen Ängsten nicht alleine bin. Das ist ein gutes Gefühl.
## Staatliche Entschädigung?
Ein interessanter Aspekt ist die Diskussion um staatliche Entschädigung.
Die „Landshut“-Passagiere mussten bald nach ihrer Rückkehr ernüchtert
feststellen: „Die Rettung ihrer Leben hatte zwar hohe Priorität, aber sie
war kein Ziel, das alle anderen Ziele staatlichen Handelns überragte. Die
Mitglieder von Bundesregierung und Krisenstab wogen vielmehr ganz rational
Risiken gegeneinander ab – zugespitzt formuliert: das Risiko, 87 Geiseln zu
opfern, gegen das Risiko, 13 Terroristen aus der Haft zu entlassen. Sie
entschieden sich gegen den wahrscheinlichsten Weg, die Geiseln unversehrt
aus der Maschine zu holen. Stattdessen wählten sie eine andere […]
Handlungsoption: ihre gewaltsame Befreiung. Bei ihr war sehr wahrscheinlich
mit Toten zu rechnen.“
Zu erkennen, dass die Regierung den Tod der Geiseln notfalls in Kauf
genommen hätte, war schon bitter. Hinzu kam das Gefühl des
Alleingelassenseins. In den Niederlanden hatten Psychologen bereits
erkannt, wie wichtig der Kontakt zu den Menschen nach einer Entführung war.
Aber 1977 suchte kein Regierungsmitglied das Gespräch.
Die Geiseln waren fünf Tage von der Außenwelt abgeschnitten gewesen. Nach
ihrer Rückkehr bestand dieses Gefühl weiter, wie „Landshut“-Passagier Rhe…
Waida erklärt: „Ich hätte es zum Beispiel unheimlich gut gefunden, wenn wir
nur einen kleinen Brief bekommen hätten, und da hätte drin gestanden:
’Schön, ihr seid wieder da.‘ […] Wir haben nichts bekommen […], das fi…
ich schlimm.“
## Brief von Helmut Schmidt höchstpersönlich
Diese Aussagen haben mich erschüttert. Denn anders als all diese
erwachsenen Menschen habe ich sehr wohl einen Brief bekommen, von Helmut
Schmidt höchstpersönlich. Martin Rupps zitiert ihn in seinem Buch. Mit
Datum 28. Oktober heißt es: „Offensichtlich aus Freude über die gelungene
Befreiungsaktion auf dem Flughafen von Mogadischu hat mir ein Mitbürger
einen Scheck übersandt. Der Gegenwert reicht aus, den Kindern, die in der
entführten Lufthansa-Maschine waren, eine kleine Freude zu machen.“
Die „kleine Freude“ war ein Fahrrad. Ich hatte aber schon eins, ich war ja
schon fast neun. Das Rad stand dann lange in der Garage, bis wir es
verschenkt haben. Meine Mutter hat sich damals ziemlich geärgert. Zum einen
darüber, dass man ja auch mal hätte nach Wünschen fragen können. Und zum
anderen, dass das kein Regierungsgeschenk war, sondern ein privates. Das
habe ich erst jetzt richtig begriffen. Aber ich hatte wenigstens ein
Fahrrad bekommen. Meine Eltern hingegen gar nichts. Keinen Brief, keine
netten Worte und natürlich auch kein Geld.
Geld floss schon, nur in andere Richtungen. So erhielt das arme Somalia
„von der Bundesrepublik Deutschland 1977/78 technische Güter und
’Warenhilfe‘ im Gesamtwert von 76 Millionen Mark.“ Bei der Warenhilfe
handelte es sich um Bargeld, insgesamt 25 Millionen Mark, von dem die
Regierung Somalias Waffen kaufen konnte. Die „Landshut“-Geiseln gingen leer
aus.
## Symbolische Anerkennung der Leiden
Dabei wollten sie vor allem eine symbolische Anerkennung der Leiden, die
fünf Tage Geiselhaft als politisches Faustpfand bedeuteten, wie Rupps
herausstellt. Es ging ihnen bei ihren finanziellen Forderungen aber auch um
ganz praktische Dinge, zum Beispiel um nötige Kuraufenthalte, wie Passagier
Everhard Wolf den Antrag auf Schmerzensgeld für seine Frau begründet: „Sie
leidet außerdem an einer bisher nicht vorhandenen Nervosität und
insbesondere an schrecklichen Schlafstörungen, die sich in Angstträumen und
schreckhaften Erwachungszuständen äußern.“
Dabei hatte es durchaus Überlegungen zur Zahlung von „Schmerzensgeld“
gegeben. Der SPD-Politiker Hans-Jürgen Wischnewski, der in Mogadischu die
Verhandlungen geführt hatte, hielt 5.000 DM für angemessen. Kanzler Schmidt
jedoch lehnte eine Zahlung ab. Er wollte das vom Bundestag 1976
verabschiedete Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten zur
Anwendung bringen. Die Bundesregierung sah sich, so Rupps, „in keiner
Bringschuld, sie formuliert für die früheren Geiseln eine Holschuld“.
Die Menschen mussten ihre Forderungen selber stellen und begründen, dass
sie eine Psychotherapie brauchen. Geprüft wurden die Ansprüche dann nicht
von der Regierung, sondern von den Landesversorgungsämtern – mit sehr
unterschiedlichen Ergebnissen. „Vielfach waren schon die Anträge dafür eine
Zumutung. Diese Formulare eigneten sich nicht für den Fall einer
Flugzeugentführung. ’Keine einzige Frage hat gepasst‘, erinnert sich Jutta
Knauff.“
## Vor allem ging es um Werbung
Es gab aber auch noch ganz andere Angebote. Ein Ponyhof lud uns Kinder für
die Ferien ein. Ich wäre da ganz gerne hingefahren, mir fehlte mit knapp
neun Jahren aber doch der Mut. Mit einer Freundin zusammen hätte ich mich
vielleicht getraut, aber das war natürlich nicht vorgesehen. Denn es ging,
wie meine Mutter mir erklärte, vor allem um Werbung und erst in zweiter
Linie um Spaß für mich. Ich blieb zu Hause.
Eine andere Einladung hingegen nahmen meine Eltern an. Zwei wunderschöne
Ferienwochen verbrachten wir 1978 im „Hotel Kürschner“ im österreichischen
Kärnten. Auch hier wären wir eigentlich – wie ich jetzt bei Martin Rupps
lese – zu Werbezwecken gewesen. Die offizielle Veranstaltung mit den
„Landshut-Geiseln“ aber fand erst im September statt, und wir waren ja auf
die Sommerferien angewiesen. So ist uns eine Werbeveranstaltung beim
Fremdenverkehrsamt erspart geblieben.
Ein Resumee des Buches von Martin Rupps ist sicherlich, dass die Befreiung
der Geiseln in Mogadischu nur am Rande das Happy End einer fünftägigen
Entführung war. Darüber hinaus war es für die meisten eine Zäsur, die ihr
Leben in ein „Davor“ und ein „Danach“ einteilte. Und das „Danach“ w…
zumindestens anfänglich, häufig geprägt von Krisen, Krankheiten, Ängsten
und Enttäuschungen.
## Ein fester Halt im Leben
Für mich war Mogadischu keine Zäsur. Mein „Davor“ waren acht kurze Jahre,
das „Danach“ ist ein sehr viel längerer Zeitraum, ich habe wenig
Vergleichsmöglichkeiten. Mogadischu ist ein Teil meines Lebens, vermutlich
sogar ein sehr prägender. Und etwas, das immer „da“ ist, mal stärker, mal
weniger stark. Etwas Positives habe ich als Kind aber auch mitgenommen aus
diesen fünf Tagen: das Wissen um einen festen Halt im Leben.
Meine Eltern haben mir, obwohl sie sicher selber oft Todesangst hatten, in
diesen fünf Tagen ein Gefühl der Sicherheit vermittelt. Sie wussten, so
schien es mir als Kind, was zu tun war. Das machte mir Mut. In den wenigen
Stunden, in denen ich neben ihnen saß und wir sprechen durften, spielte
meine Mutter mit mir Stadt, Land, Fluss. Im Flüsterton, ohne Stift und
Papier natürlich. So war ich abgelenkt – und sie sicher auch.
Als alle Passagiere mit Nylonstrümpfen gefesselt wurden, drückte mich meine
Mutter in den Sitz zurück: „Für Kinder gilt das nicht!“. Und als Pilot
Jürgen Schumann direkt vor uns hingerichtet wurde und „Captain Mahmud“
brüllte: „Wer weint oder wegschaut, wird erschossen“, hielt meine Mutter
mir die Augen zu. Ich hatte furchtbare Angst, die Nächste zu sein. „Kinder
werden nicht erschossen“, versicherte sie mir ruhig.
## Ein vergessener Stoffaffe
Nach der Stürmung der Maschine durch die GSG 9 saßen wir hinter einer
Sanddüne in der somalischen Wüste, als ich plötzlich bemerkte, dass ich
meinen Stoffaffen Jacko im Flugzeug vergessen hatte. Er war die einzige
Konstante in fünf Tagen Chaos gewesen, hatte mich getröstet, wenn ich von
meinen Eltern getrennt wurde und war immer bei mir gewesen. Jetzt war er
weg. Ich war verzweifelt.
Mein Vater hat später in einem Interview behauptet, er habe reflexartig
reagiert, so wie immer, wenn ich Jacko irgendwo liegen gelassen hatte. Ich
glaube das nicht so ganz. Auf jeden Fall ging er noch einmal zurück in das
Flugzeug, aus dem er gerade mit Waffengewalt befreit worden war, um das
Tier zu holen. In einer Situation, in der die Erleichterung über die
Befreiung alles andere überlagert haben musste, nahm er meine Verzweiflung
über ein verlorenes Stofftier ernst.
Ich hoffe und wünsche mir, dass ich diese emotionale Sicherheit, die meine
Eltern mir als Kind vermittelt haben, an meinen Sohn weitergeben kann. Dann
wäre das alles wenigstens zu irgendetwas gut gewesen.
26 Oct 2012
## AUTOREN
Gaby Coldewey
## TAGS
Mogadischu
Flugzeugentführung
Rote Armee Fraktion / RAF
Rote Armee Fraktion / RAF
## ARTIKEL ZUM THEMA
Todesnacht von Stammheim: Neue Ermittlungen gefordert
Der Bruder von Gudrun Ensslin verlangt, dass die „Todesnacht von Stammheim“
noch einmal aufgearbeitet wird. Die Linkenpolitikerin Ulla Jelpke
unterstützt ihn.
Deutscher Herbst: Meine RAF-Erfahrung
Schleyer wird als Geisel genommen. Ein Flugzeug wird gestürmt. Terroristen
bringen sich um. Vier junge Menschen über ihren Bezug zur RAF.
40 Jahre Moderner Terrorismus: Im Zeichen des Orion
Die sogenannte Japanische Rote Armee beging vor 40 Jahren in Israel den
ersten Selbstmordanschlag des modernen Terrorismus: In Tel Aviv starben
damals 26 Menschen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.