# taz.de -- Die Wahrheit: "Humor ist wie Musik" | |
> Ein Gespräch mit Mordillo, dem Meister der Knollenwesen. | |
Bild: Hat einen beispiellosen Merchandising-Boom ausgelöst: Zeichner Guillermo… | |
Im August dieses Jahres wurde der Cartoonist Mordillo 80 Jahre alt. Mit | |
seinen berühmten Knollenwesen hat der gebürtige Argentinier eine | |
universelle Bildsprache gefunden, die überall in der Welt gleichermaßen | |
verstanden wird. Derzeit bereitet der Zeichner seinen ersten Kinofilm vor. | |
Die Wahrheit traf Mordillo in Frankfurt am Main. | |
taz: Was wollten Sie als Kind werden? | |
Mordillo: Schon als Kind wollte ich Cartoonist werden. | |
Existieren noch Kinderzeichnungen von Ihnen, und wenn ja, kann man darauf | |
schon Ihren späteren Stil erahnen? | |
Nein, ich war damals noch weit davon entfernt. Ich beschränkte mich darauf, | |
andere Zeichner zu kopieren. Erst als ich zwölf war, habe ich zu mir selbst | |
gesagt: „Ab jetzt kopiere ich nicht mehr.“ Dann habe ich allerdings noch 25 | |
Jahre gebraucht, um zu meinem aktuellen Stil zu gelangen. | |
Hatten oder haben Sie Vorbilder unter den Cartoonisten? | |
Alle Cartoonisten, die ich kennen lernte, seit ich ein Kind war, haben mich | |
für meine Arbeit inspiriert, weil ich sie alle bewundert habe. Sie haben | |
mein Bewusstsein geprägt und mir gezeigt, was ich tun wollte. Sie alle sind | |
meine Meister. Und meine große Liebe. | |
Mit 31 Jahren zogen Sie mit nur 150 Dollar in der Tasche und ohne jede | |
Kenntnis der französischen Sprache nach Paris. Warum ausgerechnet Paris? | |
Bevor ich nach Paris ging, lebte ich 23 Jahre in Argentinien, fünf Jahre in | |
Lima und drei Jahre in New York. Nachdem ich am Abend des 19. September des | |
Jahres 1963 in Paris ankam, 150 Dollar im Beutel, ohne Sprachkenntnisse und | |
ohne irgendjemanden dort zu kennen – es war ein Freitag, und es hat | |
geregnet –, habe ich das gesamte Wochenende damit verbracht, durch Paris zu | |
laufen. Und am Montagmorgen versuchte ich, einen Job zu bekommen. Und ich | |
bekam einen Job bei einem Verlag. Am Montagmorgen! Das war eigentlich | |
unglaublich, aber ich bekam ihn. | |
Ich sprach zwar Englisch, doch kein Französisch. Ich hatte meine Arbeit | |
aber zuvor schon in New York gezeigt, und die sagten: „Okay! Das ist gut | |
für uns.“ Also begann ich mit ihnen zu arbeiten. Und ich ging auf eine | |
Sprachschule. Jeden Abend lernte ich Französisch, und morgens ging ich zum | |
Verlag. Ich hatte wirklich Glück. Eigentlich wollte ich nur eine Woche in | |
Paris bleiben und dann weiter nach London. Aber ich blieb dort 17 Jahre. | |
Warum enthalten Ihre Cartoons keine Sprechblasen? | |
Als ich mich entschied, meine Cartoons auf die Art zu machen, war ich ja | |
gerade in Paris. Und weil ich die Sprache noch nicht konnte, machte ich die | |
Zeichnungen durch die Umstände bedingt ohne Worte. | |
Wie würden Sie sich selbst charakterisieren? Lustig oder auch etwas | |
melancholisch? | |
Beides! Ich bin ein Melancholiker, der versucht, lustig zu sein und | |
Menschen zum Lachen zu bringen. Das ist wirklich wahr. | |
Viele Ihrer Figuren wirken auch einsam. Das Männchen etwa, das ganz allein | |
mitten in einem riesigen Labyrinth steht. Haben Sie selbst auch Erfahrungen | |
mit der Einsamkeit gemacht? | |
Andauernd. Ich glaube, dass wir alle alleine sind. Und ich glaube, dass wir | |
alle auf einer kleinen Insel sind, jeder auf seiner eigenen. Und sogar, | |
wenn wir umgeben sind von vielen Menschen, sind wir dennoch auf eine Art | |
alleine. | |
In Ihren Cartoons kommen viele Tiere vor, die aussehen, als ob sie denken. | |
Glauben Sie, dass Tiere etwas in der Art können? | |
Ich liebe Tiere wirklich sehr. Jemand fragte mich mal: „Was bringt dich zum | |
Lachen?“, und ich antwortete ihm: „Babys und Tiere. Ja, Tiere mag ich | |
wirklich, besonders Hunde und Katzen. Aber wir wissen ja überhaupt nichts | |
über Tiere. Und wir wissen erst recht nichts darüber, was sie denken. Und | |
vielleicht reden sie nicht mit uns, weil sie das wissen. Vielleicht, wer | |
weiß … | |
Ein großes Thema in Ihrem Werk ist auch die Liebe mit all ihren | |
Verwicklungen. Gibt es in der Liebe und um sie herum viele | |
Missverständnisse? | |
Die Liebe beinhaltet viele Dinge. Missverständnisse eingeschlossen. Durch | |
sie dreht sich die Welt. | |
Ist Humor eine universelle Sprache? Ein Mittel der Kommunikation, das | |
überall gleich funktioniert? | |
Ja, das glaube ich auf jeden Fall, weil wirklich jeder Humor braucht. Das | |
Leben wäre ohne Humor viel zu schwer und kompliziert. Aber ob jeder Humor | |
auf die gleiche Art versteht, das weiß ich nicht. Ein Eskimo versteht | |
vielleicht europäischen Humor nicht. Aber meine Cartoons zum Beispiel | |
werden auch in China und Japan veröffentlicht. Die Menschen dort sind zwar | |
so anders in ihrem Denken und in ihrer Kultur, aber sie verstehen mich. | |
Daher glaube ich, dass sie auf eine Art doch gleich denken. Wenn ich in | |
einem fremden Land einen Cartoon ohne Worte sehe, kann ich ihn verstehen. | |
Einen mit Worten würde ich dort nicht verstehen. Humor, speziell Humor ohne | |
Worte, ist in dieser Beziehung auch mit Musik vergleichbar. Musik ist ja | |
auch eine Art internationale Sprache. | |
Sie sind der berühmteste Giraffenzeichner der Welt. Haben Sie je eine | |
Giraffe gestreichelt? | |
Unglücklicherweise habe ich noch nie im Leben eine Giraffe gestreichelt. | |
Aber ich würde das sehr gern mal tun. Es ist aber nicht so einfach. Ich | |
müsste dazu wohl auf eine Leiter klettern. Es gibt zwar ein Foto von mir | |
mit einer Giraffe, aber darauf streichle ich sie leider nicht. Eine Giraffe | |
streicheln. Mein Traum! | |
Herr Mordillo, wir danken Ihnen für das Gespräch. | |
INTERVIEW: | |
27 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Corinna Stegemann | |
Corinna Stegemann | |
## TAGS | |
Mordillo | |
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