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# taz.de -- Vietnam: „Wilder Kapitalismus“
> Vu Minh Anh betreibt die Reiseagentur Terra Verde in Vietnam und arbeitet
> unter anderem mit der taz zusammen.
Bild: Auf dem Markt in Saigon.
sonntaz: Sie arbeiten als Reiseveranstalter in Vietnam, Laos und Kambodscha
mit sehr vielen einheimischen Reiseführern, die Deutsch sprechen. Ist es
leicht, Guides mit deutschen Sprachkenntnissen zu finden?
Vu Minh Anh: Angesichts der stark wachsenden Zahl von deutschen Touristen
ist das Angebot an deutschsprachigen Reiseleitern nicht sonderlich groß. Es
ist zum großen Teil eine bestimmte Generation von Leuten, die in der DDR
studiert und dort gearbeitet hat und eigentlich in anderen Berufen
qualifiziert wurde. Deshalb ist es nicht immer leicht, gute Guides zu
finden. Oder es sind ganz junge Leute, die jetzt in Vietnam deutsch
studiert haben.
Wo haben Sie Ihr hervorragendes Deutsch gelernt?
Ich bin im September 1986 mit der Cap Anamur als Bootsflüchtling aus
Südvietnam in Hamburg angekommen. Da war ich elf Jahre alt. Ich bin dann
bei Adoptiveltern in Westdeutschland aufgewachsen und habe in Marburg
Ökonomie studiert, in Wien gearbeitet und schließlich in Toronto für die
deutsche Außenhandelskammer.
Warum sind Sie zurück nach Vietnam?
Abenteuer, Idealismus. Ich hatte den Eindruck, dort könnte ich einen
größeren Beitrag leisten als anderswo, denn die Gesellschaft befindet sich
in einem rasanten Wandel. Es gibt viele Möglichkeiten, etwas aufzubauen.
Sind Ihre Erwartungen eingetroffen?
Ich hatte Glück. Meine Firma läuft gut und ein nachhaltiges Reiseprojekt
ist eine Marktnische in Vietnam.
Was heißt nachhaltig für Sie?
In Vietnam gibt es keine nachhaltigen Konzepte. Hier herrscht
kapitalistischer Wildwuchs. Ich denke vor allem an soziale Nachhaltigkeit.
Wie können wir unsere Reisen so sozialverträglich wie möglich gestalten,
dass Land und Bevölkerung profitieren. Wir suchen Begegnungen und wollen
unseren Gästen wahre Einblicke in die Lebensverhältnisse geben. Wir wollen
zeigen, wie vielschichtig, wie unterschiedlich die vietnamesische
Gesellschaft ist.
War es schwer, sich wieder in Vietnam zu integrieren?
Als jemand, der in Deutschland aufgewachsen ist und der Rechtsstaatlichkeit
als etwas Selbstverständliches nimmt, fühlt man sich in Vietnam
unbehaglich. Man kann hier zwar schnell Geld verdienen, aber man reibt sich
an vielen festgefahrenen Strukturen. Wirtschaftlich geht es den Menschen
heute besser, gesellschaftlich sind wir leider nicht viel weiter gekommen.
Es gibt keine kritische Öffentlichkeit. Es fehlt die Zivilgesellschaft. Es
fehlt die Vision, wo wollen wir hin, wie können wir die Probleme lösen.
Was ist Ihre Vision?
Die westliche Demokratie, soziale Marktwirtschaft. Gerechtigkeit ist
Voraussetzung für eine demokratische Gesellschaft. Die Bereicherung weniger
wird langfristig die Solidarität, die jetzt noch durch die Familienverbände
da ist, untergraben.
3 Nov 2012
## AUTOREN
Edith Kresta
## TAGS
Vietnam
Reiseland Vietnam
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