Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Freundlich zu Schwulen
> Ein Hotel, das damit wirbt, „gayfriendly“ zu sein, hat nichts gegen
> Schwule und Lesben. ...
Ein Hotel, das damit wirbt, „gayfriendly“ zu sein, hat nichts gegen Schwule
und Lesben. Das jedenfalls ist die Bedeutung von gayfriendly in
Deutschland. Was aber bedeutet es in Apulien, Süditalien, wo der
demonstrativ heterosexuelle Mann bis heute unangefochtenes kulturelles
Leitbild ist?
Zunächst kann unser Strandhotel südlich von Bari gar nicht zeigen, was
alles an Randgruppenfreundlichkeit in ihm steckt, weil sich keine
Randgruppenvertreter blicken lassen. Doch dann, am dritten Tag, geschieht
es. Mit bis zum Bauchnabel ausgeschnittenen Shirts flipfloppen zwei junge
Engländer durch das Restaurant und lassen Zweifel erst gar nicht aufkommen
– ja, die sind gay. Tagsüber liegen sie einträchtig am Pool, sonst passiert
nichts. Das Personal ist gut geschult und lässt sich nichts anmerken.
Unsere Kinder, acht und elf Jahre alt, halten es wie die Ober und schenken
den beiden kaum Beachtung. Bis eines Tages, wir sitzen beim Frühstück, am
Tisch hinter uns nicht das schwule Pärchen wie normalerweise Platz nimmt,
sondern nur einer der beiden, einer fehlt. Ich mache mir sofort Sorgen.
Haben die Ober vorhin nicht so merkwürdig gegrinst? Braucht das Personal
möglicherweise einen Aufbaukurs, Thema: „Gayfriendly – jetzt auch
gewaltfrei“? Wo ist der zweite Engländer?
Dann taucht er aber endlich auf. Uff. Meine Tochter beugt sich zu mir und
flüstert: „Gestern hat der da den anderen geküsst, Papa!“ Ich reagiere
sofort: „Pass auf deinen Joghurt auf und kleckere nicht rum!“ – „Aber i…
esse doch gar keinen Joghurt!“ Stimmt. „Das war auch nicht konkret gemeint,
das war eine allgemeine Lebensregel!“, erwidere ich eilig. „Und außerdem
hat der eine den anderen nicht geküsst, sondern er hat ihm was ins Ohr
geflüstert!“
„Er hat ihn geküsst!“, insistiert meine Tochter. „Auf den Mund!“ Ich
überlege kurz. Eigentlich ist sie mit acht Jahren alt genug. Man kann mit
ihr schon vernünftig reden.
„Nun, weißt du“, sage ich, „Engländer sind bekannt dafür, dass sie Fl�…
und Küssen verwechseln. Es hat mit dem Nebel auf der Insel zu tun. Und Ohr
und Mund können sie schon gar nicht auseinander halten, die
Mund-Ohr-Schwäche, mouth-ear-disease, sprich das mal nach, du hast doch
schon Englisch, das ist eine typische Krankheit dort, es ist wie Elfmeter
verschießen oder wie Lamm mit Minzsoße oder wie …“
Plötzlich werde ich unterbrochen. „Es gibt Männer, die Männer lieben. Und
dann küssen sie sich auch!“ Das war meine Frau. Ich starre sie an. Wenn in
Situationen wie dieser der eine Elternteil dem anderen zuvorkommt, dann
bedeutet es nicht immer: „Ich weiß etwas, was du nicht weißt!“ Sondern es
offenbart sich, dass die Erziehungskonzepte eben doch nicht vollständig
deckungsgleich sind.
„Es gibt Männer, die Männer lieben. Und dann küssen sie sich auch!“ – …
sollen die Kinder denn mit einer solchen Antwort anfangen? Wie sollen sie
jemals ein normales Verhältnis zu Schwulen entwickeln? Ganz zu schweigen
von einem realistischen England-Bild!
6 Nov 2012
## AUTOREN
Robert Niemann
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.