# taz.de -- Die Wahrheit: Aufstand der Kleinen | |
> Legokisten, Rennautobettwäsche, Fernseher, Computer. Ein Besuch bei der | |
> neuen Gewerkschaft der Auflaufkinder. | |
Das Kinderzimmer von Max (9) aus Bielefeld ist so gewöhnlich eingerichtet | |
wie jedes andere Kinderzimmer der westlichen Zivilisation. Legokisten, | |
Rennautobettwäsche, Fernseher, Computer. | |
Und doch wurde hier am Wochenende ein Beschluss gefasst, der in der | |
Fußballbranche zu Aufregung führt: Zusammen mit Marvin (8), Leon (10), | |
Christian (9), Mirko (7), Sven (11) und Bastian (8) hat Max bei Kakao und | |
Gummibärchen die Gewerkschaft der Auflaufkinder (GAK) gegründet, die | |
weltweit erste ihrer Art. Die Wahrheit hat Max getroffen. | |
Auflaufkinder, das sind jene Jungen und Mädchen, die in der | |
Fußballbundesliga, bei Länder- und Europapokalspielen an der Hand der | |
Spieler aufs Feld laufen und während der Nationalhymne vor ihnen stehen, | |
damit die Athleten ihre Arme ablegen können. Ohne zu klagen, haben sie | |
bisher ihre Arbeit erledigt, nun aber haben sie genug. | |
„Die Vereine gehen davon aus, dass wir alles in Kauf nehmen, um unseren | |
Idolen nahe zu sein, aber diese Zeiten sind vorbei“, sagt Max, der auch | |
Vorsitzender der GAK ist. Es werde Zeit, dass die Arbeit des Auflaufkindes | |
auch als solche erkannt werde. | |
Seine Kritik speist sich aus mehr als dreißig Spielen, die er bereits als | |
Auflaufkind bestritten hat. Sie würden mies bezahlt, ihre Arbeitszeiten | |
seien unregelmäßig, häufig würden sie bei Spielen eingesetzt, für die sich | |
nicht mal die eigenen Fans interessieren. „Was habe ich davon, mit dem | |
Außenverteidiger von Paderborn aufs Feld zu laufen?“, sagt Max. | |
„Wir lassen uns nicht mehr mit ein paar Schokoriegeln abfertigen, wir sind | |
immerhin wesentlicher Bestandteils des Spiels“, sagt er und wischt sich | |
verärgert ein paar Kekskrümel aus dem Mundwinkel. Seine Mutter pflichtet | |
ihm bei und ergänzt mit sorgenvoller Miene: „Max hat manchmal kaum noch | |
Zeit, mit der Playstation zu spielen, weil er so häufig im Einsatz ist.“ | |
Ein großes Problem ist auch Korruption. Es seien mehrere Fälle bekannt, in | |
denen die Eltern viel Geld an die Vereine gezahlt hätten, damit ihr Kind | |
mit Thomas Müller oder Marco Reus auflaufen dürfe. „Wir fordern Transparenz | |
bei der Einsatzvergabe.“ | |
Die Vereine wehren sich gegen die Kritik der Auflaufkinder. „Es überrascht | |
uns, dass die bisher gute Zusammenarbeit einseitig aufgekündigt wurde“, | |
sagt der Personalchef eines Bundesligavereins, der nur anonym sprechen | |
möchte. | |
Ein anderer weist darauf hin, dass sein Verein die jedem Auflaufkind | |
zustehende Keksration auf zwei Packungen Prinzenrolle erhöht hätte. „Aber | |
die Vereine sind natürlich auch nicht auf Rosen gebettet“, gibt er zu | |
bedenken. Auch der DFB hat kein Verständnis für die Vorwürfe der | |
Auflaufkinder. „Die sollten sich lieber mal ansehen, wie die Situation in | |
China ist. Dort haben die Kinder nicht mal Umkleidekabinen“, sagt ein | |
Sprecher. | |
Das überzeugt Max nicht. Er will die mehr als 50.000 Auflaufkinder in | |
Deutschland mobilisieren. Und dann könnte die neue Gewerkschaft bald schon | |
Kampfmaßnahmen ergreifen. „Wir sind gerüstet! Alle Spieler stehen still, | |
wenn ein starkes Kind es will“, sagt Max mannhaft. Dann ruft ihn seine | |
Mutter zum Essen. | |
10 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Sebastian Dalkowski | |
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