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# taz.de -- Pioniere der Öko-Bewegung: „Das war eine Trotzreaktion“
> Vor 30 Jahren gründeten AktivistInnen aus Bremen und Hamburg die
> Umweltschutzorganisation Robin Wood – als Abspaltung von Greenpeace.
> Klaus Scheerer war dabei.
Bild: Passte den Greenpeace-Oberen nicht ins Konzept: Der Protest gegen Boehrin…
taz: Herr Scheerer, warum gibt es Robin Wood, wenn es doch schon Greenpeace
gibt?
Klaus Scheerer: Das ist ein unterschiedlicher Ansatz. Meine Frau und ich
haben ja 1978 Greenpeace Deutschland mitgegründet. Uns hat dann aber nicht
gefallen, dass die Kommandostruktur von oben nach unten lief. Greenpeace
International hat gesagt, welche Themen bearbeitet werden, und genehmigt,
wenn wir Vorschläge gemacht haben: ja oder nein.
Worüber haben Sie sich zerstritten?
Greenpeace Deutschland hatte damals die erste Aktion bei Boehringer in
Hamburg gemacht, die hatten ein relativ kleines Werk, das Lindan produziert
hat – ein Pestizid, bei dessen Produktion unheimlich viel giftige Abfälle
anfallen, sieben Tonnen pro Tonne Pestizide. Die Arbeitsschutzbedingungen
waren katastrophal. Das ging so weit mit den Emissionen, dass die
Gemüsebauern im Umland Verkaufsverbot hatten. Wir sind da auf dem
Schornstein gewesen. Danach ist das aber von Greenpeace International
gestoppt worden.
Warum das?
Die haben gesagt: Nee, das ist nicht unser Thema, Schluss. Und da haben wir
gesagt: Das kann’s nicht sein. Wir haben versucht, bei Greenpeace was zu
verändern, da war hier ein großes Meeting mit David McTaggart und der
ganzen Führungskorona, aber die haben uns abgebügelt. Die haben versucht,
uns quasi einzukaufen, indem sie einigen von uns Revoluzzern Posten
angeboten haben. Ich sollte zum Beispiel Trustee werden bei Greenpeace
Deutschland.
Trustee?
Vertrauensperson. Da hab ich gesagt, nee, das ist nicht, was wir wollen.
Wir wollten nicht die Leute verprellen, die an der Basis mitarbeiten. Wir
wollten, dass die Bewegung größer wird und dass aktive Leute sich
beteiligen mit ihren Ideen, sodass wir auch flächendeckender arbeiten
können. Und das war nicht der Ansatz von Greenpeace. Die wollten das immer
von oben unter Kontrolle behalten, und das ist im Wesentlichen heute noch
so.
Und dann haben Sie gesagt: Wir machen unseren eigenen Laden auf.
Das war eine Trotzreaktion, aber das waren nicht nur wir. Da war eine
Umweltgruppe in Kiel, in Köln ganz fitte Leute vom Kölner Volksblatt und
von der Katalyse-Gruppe, wo Chemiestudenten mitgearbeitet haben, in Bremen
waren Leute und in Berlin.
Was war Ihre erste große Aktion?
Das war am 23. Februar 1983, damals war der saure Regen noch ein Thema, und
da sind wir hier in Hamburg auf dem Michel gewesen. In Berlin ist ein
Kraftwerk besetzt worden, die Kölner waren auf einem Braunkohlekraftwerk
und die Kieler haben so ’ne Aktion gemacht, die auf die Luftverschmutzung
hinweist, mit Gasmasken und so weiter. Und in Bonn haben wir auf einer
Pressekonferenz das erste Robin-Wood-Buch „Saurer Regen“ vorgestellt.
Was haben Sie auf dem Michel gemacht?
Wir haben uns abends in den Turm einschließen lassen und dann morgens ein
großes Transparent ganz von oben runtergelassen, auf dem stand: „Rettet den
Wald“. Hauptpastor Hans-Jürgen Quest hat uns das zunächst übelgenommen, wir
konnten ihm unser Anliegen aber erklären.
Gegen die drei Millionen Unterstützer von Greenpeace ist Robin Wood klein …
Wir sind knapp 1.500 bundesweit.
Trotzdem sind Sie ziemlich bekannt.
Das kommt, weil wir immer pfiffige Aktionen gemacht haben. Und weil wir
sehr vorausschauend waren. Beim sauren Regen haben wir uns in unserer
Anfängernaivität gesagt, gut, in die Kraftwerke müssen
Entschwefelungsanlagen rein und Entstickungsanlagen, und alles ist gut.
Aber dann haben wir gemerkt, es war gar nicht gut, es musste noch viel mehr
gemacht werden. Da kam der Autoverkehr hinzu. Dann haben wir uns in die
Energiepolitik reingekniet. Dann der Luftverkehr, da haben wir schon in den
ersten Jahren drauf hingewiesen, dass das ein Riesenproblem fürs Klima ist,
als uns die großen Klimaforscher von heute alle noch ausgelacht haben.
Bei Greenpeace hat man Bilder im Kopf von Aktionen mit Schlauchbooten. Bei
Robin Wood sind es Transparente – und Floßfahrten. Warum Flöße?
Weil das einmal eine Sache ist, die ganz viel mit dem Wald zu tun hat, die
Nutzhölzer sind ja früher alle per Floß transportiert worden. Dadurch haben
wir dann Öffentlichkeit: Das Floß fährt die Flüsse runter, stoppt überall,
und dann werden Aktionen gemacht und Informationsveranstaltungen. Das ist
ganz erfolgreich.
Es ist aber nicht einfach, auf diesen Flößen zu fahren.
Wir haben Leute, die sich da auskennen.
Waren Sie nicht Kapitän?
Ja, ich habe das Kapitänspatent auf großer Fahrt. Ich habe im Lauf meiner
Jahre auf See erlebt, dass es mit den Walen immer weniger wurde. Früher sah
man überall in der Nordsee Wale, im Atlantik sowieso. Als sich die
Greenpeacegruppe Hamburg gebildet hat, hat sie eine Aktion vor meinem
Arbeitsplatz gemacht. Ich war nach meiner Seefahrtszeit beim Bundesamt für
Seeschifffahrt und Hydrografie. Damals ging es Greenpeace um die
Verklappung von Dünnsäure bei Helgoland, die Schollen hatten plötzlich
Geschwüre und der Fisch war fast unverkäuflich. Dagegen hat sich Greenpeace
damals gewendet. Da hab ich gesagt, Mensch, dass ist Klasse, was ihr macht,
und ich bin mit meiner Frau hingegangen.
Welches Ziel muss Robin Wood noch erreichen?
Wir sind gerade erst in der Anfangsphase. Die Umweltprobleme sind alle
bekannt, aber es wird zu wenig dagegen getan. Die großen Firmen haben sich
ihre Strategien erfunden, mit denen sie versuchen, uns weichzuspülen. Wir
haben gerade eine Kampagne laufen gegen die Palmölplantagen, für die in
Südostasien hektarweise Regenwald gefällt wird. Und hier werden dann
Margarine, Kosmetika, Öle, Fette, Biosprit, alles Mögliche daraus
hergestellt.
Und was tun Sie dagegen?
Wir waren kürzlich in Brake an der Unterweser, bei einer Fett-Raffinerie,
die für Unilever arbeitet, und haben da eine Blockade gemacht. Wir
versuchen darauf aufmerksam zu machen, damit solche Produkte vom Markt
kommen oder wenigstens zurückgedrängt werden. Früher hat man Margarine ja
auch nicht aus Palmöl gemacht, da wurden hier Sonnenblumen angepflanzt.
Aber dadurch, dass alles billig und Massenproduktion ist, ist es ein
Problem.
Auf Ihrer Homepage steht, dass Robin Wood ein Defizit hat. Muss man sich
Sorgen machen?
Jetzt ist es natürlich schwierig, weil wir fest angestellte Leute haben.
Aber im Grunde genommen hat uns das von Anfang an begleitet. Bei unserer
ersten Aktion waren wir so pleite, da haben wir Rosen, die wir gespendet
bekommen haben, an Gärtnereien und an Behörden verkauft.
11 Nov 2012
## AUTOREN
Daniel Wiese
Daniel Wiese
## TAGS
Greenpeace
Luftverschmutzung
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