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# taz.de -- Die Wahrheit: Schweißer der Massen
> Neuer „Wetten, dass ..?“-Moderator vorgestellt.
Bild: Der neue Moderator wird während der Sendung auch ab und zu mal etwas zus…
„Übermotiviert, zudringlich, wichtigtuerisch, langweilig, albern“, so
urteilte die Presse nahezu unisono über Moderator Markus Lanz nach seinem
letzten Versuch, den Show-Dino „Wetten, dass ..?“ zu moderieren.
Das ZDF verkündet nun eine kleine Sensation: Nach der heftigen
Medienschelte haben die ZDF-Verantwortlichen – sonst nicht für übereiltes
Handeln bekannt – ungewöhnlich schnell reagiert: Markus Lanz wird keine
weitere Folge mehr moderieren. Ein Newcomer soll als Nachfolger eine
radikal neue Show präsentieren.
Der rhetorische Überflieger Markus Lanz, der es durch hunderte feinste
Variationen in der Intonation vermag, das Wort „Wow!“, jedwedem Kontext
anzupassen, werde vorerst in die Wüste geschickt. Weil Lanz vertraglich
längerfristig an das ZDF gebunden sei, habe man sich etwas einfallen lassen
müssen, verrät Chefredakteur Peter Frey. „Dem Mann muss mal die Fönfrisur
durchgepustet werden! Wir schicken ihn zum Mint 400, dem härtesten
Wüstenrennen der Welt. Der soll sich da mal richtig dreckig machen.“
Die Show werde nun von Josef „Jupp“ Kochanek, einem Schweißer aus
Hattingen, moderiert. Der präsentierte sich hochmotiviert auf der
kurzfristig einberufenen Presseveranstaltung. „Den feinen Herrschaften da
aus Holliwutt, denen werd ich was erzählen! Den ganzen Tag auf Trallafitti,
während wir malochen!“, brummt der resolute Mittvierziger als Begrüßung ins
Mikro und kratzt sich ausgiebig am Bauch.
Auch Cindy aus Marzahn und Atze Schröder werden keinen weiteren Auftritt
als Sidekick bekommen. Stattdessen will Kochanek seinen „Stift“ aus dem
Betrieb mitbringen. „Kaffeekochen und Bild-Zeitung kaufen kann der Stefan
besser wie die Hunziker“, kommentiert Kochanek knapp.
Die Devise für „Wetten, dass ..?“ laute ab sofort „weniger Glamour, mehr
Bodenständigkeit“, erklärt ein Pressesprecher und verkündet stolz, dass
Kochanek darauf bestanden habe, eigene Ideen einzubringen. Beispielsweise
werde der Promi-Talk eine ganz neue Dimension erhalten. Belanglosigkeiten
wie Lanz’ Frage an Halle Berry: „Tänzerin?“ sollen endlich der
Vergangenheit angehören. „Was interessiert mich, ob die tanzt?“, schnauft
Kochanek. „Kann die nen 12er Maulschlüssel richtigrum halten, das ist doch
hier die Frage!“
Das ZDF will das Showkonzept ganz dem Neuen aus Hattingen anpassen. Statt
Kuschelsofa soll es nun Stühle aus Stahl geben, die Kochanek selbst
anfertigen wird. „Dass da mal Zuch reinkommt!“, brüllt Kochanek – nun
schlecht gelaunt, da ihm der Veranstalter verboten hat zu rauchen und sich
erste Entzugserscheinungen bemerkbar machen. Ein Dame vom ZDF drückt ihm
schnell ein Nikotinpflaster auf den Unterarm. Kochanek atmet tief durch,
röchelt kurz asthmatisch, aber bekommt sich wieder unter Kontrolle.
Um Show und Moderator zusammenzubringen, werde die gesamte Bühnenkulisse
umgestaltet. „Herr Kochanek hat sich eine Werkbank als zentrales Element
gewünscht, damit er während der Sendung auch mal etwas zusammenschweißen
kann“, sagt Frey. „Wir glauben, das ist es, was unsere Zielgruppe wirklich
interessiert. Nicht eine völlig entfremdete, der harten Wirklichkeit
spottende Feel-Good-Veranstaltung mit albernen Spielchen, sondern der
nackte Arbeiteralltag.“
Die Wetten sollen in Zukunft rund um das Themenfeld Maschinenbau
angesiedelt werden. Wer entgratet eine komplette Stahltreppe mittels
800-Watt-Winkelschleifer innerhalb von zwei Minuten ohne Schutzbrille? Wer
schafft es, eine 50 Meter lange Verlängerungsschnur mit nur einer Hand zu
entwirren? Wer kann unterschiedliche Bohrergrößen rein an ihrem Geschmack
erkennen?
Auf Kochaneks ausdrücklichen Wunsch, werde die Sendung außerdem radikal
eingekürzt und Überziehungen der Sendezeit endlich der Vergangenheit
angehören. „Punkt 21:45 Uhr fällt der Hammer! Ich muss morgens um 5:30 Uhr
raus, da schlag ich mir doch nicht die Nacht um die Ohren!“
Bei aller demonstrativen Harmonie gibt es doch einen Streitpunkt. Die Gäste
seien das einzige Thema, bei dem das ZDF und Kochanek unterschiedliche
Meinungen hätten, gibt Frey zu. „Wir wollen eigentlich an den Stars
festhalten, aber Herr Kochanek wünscht sich Gastauftritte von seinen
Kollegen aus dem Schützenverein. Statt Rockstars wie Robbie Williams hätte
er gern die Coverband Hi-Five aus NRW als musikalische Untermalung.“
„Die Songs können die doch auch!“, ruft Kochanek, als ein paar
Unmutsbekundungen aus dem Publikum laut werden, die ihm seine Laune
vollends verderben. „Ich mach Mittag!“, verabschiedet sich das neue
Moderatorentalent prompt und lässt die Pressevertreter allein zurück.
13 Nov 2012
## AUTOREN
Nico Rau
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