Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Gewalt: Der Krieg in uns
> Die Ausstellung "War Games" zeigt Kriegsspielzeug aus 100 Jahren.
> Bewerten wollen die Kuratoren die gezeigten Exponate nicht - es geht
> lediglich um eine veröffentlichte Materialsammlung. Zu sehen ist diese
> derzeit im Volkskunde Museum Schleswig.
Bild: Kanonen aus verschiedenen Zeiten - Exponate der Ausstellung "War Games".
Laden, Ballern, Stöhnen, platzende Blutgefäße: Die Begleitmusik zur
Ausstellung „War Games“, die derzeit im Volkskunde Museum Schleswig zu
sehen ist, liefert „Counter-Strike“. Kommt zwar erst im letzten Raum, ist
aber zu laut, um es im ersten zu überhören.
Zu Beginn der Ausstellung eine Klärung der Frage, was die
Ausstellungsmacher Carsten Fleischhauer und Guntram Turkowski unter
„Kriegsspielzeug“ verstehen. Ein Mann mit Paintball-Gewehr, auch Erwachsene
spielen Krieg, Militärspielzeug, Kampfspielzeug, Strategiespiele, inklusive
Schach, gehören dazu. „Ganz klar“, sagt Fleischhauer, „Schach, das sind
unterschiedliche Einsatzkräfte mit unterschiedlichen Fähigkeiten, Krieg auf
abstraktem Niveau.“
Und dann haben wir da das „Spiel des Friedens“, denn parallel zur
Darstellung des Kriegsspielzeugs verweisen die Ausstellungsmacher auf die
pädagogischen Versuche, dem etwas entgegenzusetzen. Beim „Spiel des
Friedens“ geht es um Lösungsstrategien für internationale Konflikte. Wer
einen Konflikt löst, bekommt ein Puzzleteil, zusammengesetzt ergibt das
Puzzle – na? – eine Friedenstaube! „Wir haben das Spiel original verpackt
bei Ebay gekauft“, sagt Turkowski, „wer immer das geschenkt bekommen hat,
wollte es nicht spielen.“ Natürlich gehören auch Cowboys und Indianer zum
Thema.
## Militärische Erziehung
Für die deutschen Gesellschaften zwischen dem frühen 19. Jahrhundert bis
Ende des Zweiten Weltkriegs gab es ein pädagogisches Ideal: den preußischen
Offizier. „Die Erziehung sollte den Jungen zum Militär führen“, sagt
Fleischhauer und das Mädchen dazu, den Soldaten zu lieben. Schneidigkeit,
Uniform, Mut, Todesverachtung, die Verklärung des Vaterlands, wurden
spielerisch eingeübt.
Die Dominanz des Militärischen, im Kaiserreich auf dem Höhepunkt, schlägt
sich im Matrosenanzug nieder, im Kinderteller mit „Eisernem Kreuz“, in
Kindersoldaten in feldgrauer Uniform von Käthe Kruse, im
„Schützengrabengeduldsspiel“. In allen Varianten von grau: Anker-Bausteine,
aus denen Festungen gebaut wurden. Beim „Famos-Schießspiel“ schießt der B…
fragile Soldaten mit einer Kanone ab, darüber Zeppeline, die Bomben
abwerfen.
Im zweiten Raum links eine Vitrine mit Soldaten aus dem Material Elastolin:
Dänen, Preußen, Engländer, Franzosen. Darunter Bleisoldaten, mit denen sich
im 19. Jahrhundert Erwachsene vergnügten. Da ist ein Bastelbogen mit
Soldaten zum Ausschneiden und ein patriotisches Skatspiel mit Kaiser,
Tirpitz, Hugenberg, Ludendorff.
Gegenüber der optische Höhepunkt: Ein Elastolin-Schaubild des Krieges mit
Toten, Verwundeten, Flakgeschütz, Brieftauben, Kartentisch,
Entfernungsmesser, lustigen Soldaten bei der Katzenwäsche, einer
Behelfsbrücke, Lazarett, Gulaschkanone. Es stehen sich gegenüber: Krauts
und Tommys mit den passenden Panzern und ein paar französischen
Fremdenlegionären, indische und schwarze Soldaten eingeschlossen.
Tote deutsche Soldaten durften nur bis 1941 hergestellt werden, dann
lieferte der Krieg zu viele. Bald darauf wurde kein neues Spielzeug mehr
produziert. Es hatte sich herausgestellt: Der Zweite Weltkrieg war, anders
als von der NS-Propaganda behauptet, kein Kinderspiel.
Auch Brettspiele huldigten dem Krieg: „Kampfgeschwader vorwärts“, „Klar …
Gefecht“, „Wir fahren gegen Engelland“, die Realität bleibt nicht ganz
draußen. In den Jahren 1939 / 40 hieß ein Spiel „Adler Luftkampfspiel“,
etwas später „Adler-Luftverteidigungsspiel“. Zwei großformatige Fotos
zeigen Hitlerjungen, 13, 14 Jahre alt, an einem Strand, mit scharfen
Gewehren bei Schießübungen. Daneben „Pimpfe“ beim Tauziehen mit Gasmaske,
SA- und SS-Leute im Hintergrund amüsieren sich.
„Nun kommen wir in die friedliche Nachkriegszeit“, sagt Fleischhauer. Ein
amerikanischer Panzer des Jahres 1947, in Deutschland gebaut, exportiert in
die USA. Drei Jahre später im Bundestag eine Debatte über ein Verbot von
Kriegsspielzeug, wir sehen ein Flugblatt des sozialistischen
Jugendverbandes Die Falken: „Kauft kein Kriegsspielzeug“. Das Argument
gegen ein Verbot war nicht originell, zog aber: „Die in der
strukturschwachen Region um Nürnberg angesiedelte Spielwaren-Industrie mit
ihren Arbeitsplätzen“, sagt Fleischhauer. Turkowski nickt: „Wenn wir es
nicht bauen, baut es ein anderer, hieß es.“
Es wurde noch ein paar Jahre Zweiter Weltkrieg gespielt, nur nicht in der
DDR, da gab es etwas unbeholfen geformte NVA-Soldaten, die robben. Ende der
siebziger Jahre noch einmal der Versuch, den Krieg aus dem Kinderzimmer zu
bannen, vergeblich, denn vielleicht trägt das Spielzeug nicht den Krieg in
die Kinderzimmer, sondern nur den Krieg aus, der da sowieso tobt.
Letzte Abteilung: Gegenwart, das heißt Computer-Kriegsspiele. Die beziehen
sich nicht mehr auf einen konkreten Krieg, vermischen sich mit
Sciencefiction und Fantasy. Und hier haben wir nun endlich auch
„Counter-Strike“, Version von 2004. Ein Fenster ist „Star Wars“ gewidme…
die sehr liebevoll arrangierte Szene stammt aus dem dritten Teil der ersten
Staffel.
“Wir geben hier keine Antwort auf die Frage, wie Kriegsspielzeug
einzuschätzen ist“, sagt Fleischhauer, „wir stellen Material zur Verfügun…
um die Frage zu beantworten.“ Die beiden sind sich über das „Problem der
Faszination, das von diesem Spielzeug ausgeht“, so Turkowski, im Klaren.
Stimmt, von ein paar Spielsachen geht eine Faszination aus, auch auf uns
drei, alle Kriegsdienstverweigerer. Da ist eine Menge Krieg im Frieden und
in uns.
## „War Games. Kriegsspielzeug aus 100 Jahren“: bis 28. April 2013,
Volkskunde Museum Schleswig
14 Nov 2012
## AUTOREN
Roger Repplinger
## TAGS
Bundeswehr
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kita mit militärischer Unterstützung: Spielen in der Fregattengruppe
Die Bundeswehr setzt bei ihrer Attraktivitätsoffensive auf persönlichen
Kontakt – und macht dabei auch vor Kindern keinen Halt
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.