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# taz.de -- Annette Hillebrand über Frauen-Karrieren: "Dann gestalten die letz…
> Das größte Hemmnis für Frauen im Journalismus sind die verschiedenen
> Kommunikationsweisen von Frauen und Männern, sagt die Direktorin der
> Hamburger Akademie für Publizistik.
Bild: "Scheißspiel": Frauen können Männer-Kommunikation nicht nachahmen, sag…
taz: Frau Hillebrand, wie viele Frauen hat die Akademie für Publizistik in
den Volontärskursen?
Annette Hillebrand: Sicher 60 bis 70 Prozent, Tendenz steigend.
Journalistenschulen erleben das genauso bei den Bewerbungen.
Dann ist es ja nur noch eine Frage der Zeit, bis sie über die Hälfte aller
Chefredakteurs-Posten besetzen, oder?
Das glaube ich eben nicht. Vielleicht in 100 Jahren, wenn dann nur noch
Frauen in den Journalismus gehen. Dann müssen zwangsläufig Frauen auch die
Chefredakteurinnen werden. Aber das ist vor allem ein ganz beunruhigendes
Signal, weil das heißt, dass der Beruf für Männer nicht mehr so attraktiv
ist, und dass er an gesellschaftlicher Reputation verliert. Dass man damit
nicht mehr ordentlich Geld verdienen kann - das stört Frauen offenkundig
nicht so, wie es Männer stört. Die drehen dann ab und sagen: Gut, dann
werde ich eben Ingenieur oder Betriebswirt.
Die Volontärinnen, die zu Ihnen in die Akademie kommen - wollen die später
mal Chefredakteurinnen werden?
Ganz, ganz, ganz selten. Ich erinnere mich an eine Volontärin, die hier im
Kurs gesagt hat: Und ich will übrigens mal Chefredakteurin werden. Das war
eine Sensation. Es ist im Gegenteil so, dass, zum Beispiel, wenn das
Interview geübt wird, und man sich das dann im Plenum gemeinsam anschaut,
Frauen viel eher als Männer sagen: Oh, das hab' ich aber schlecht gemacht;
da hab' ich aber eine schlechte Frage gestellt. Es ist leider immer noch
so, dass Frauen dazu neigen, sich zu geißeln und zu bezichtigen und das
Mangelhafte zu sehen. Männer sind da robuster. Das ist ganz klassisch. Die
sind nicht so nah am Zweifel.
Woran liegt das?
Ich habe dazu eine Vermutung: Für den Journalismus interessieren sich ja
viele Menschen, die das Künstlerische und das Soziale daran schätzen: Ich
möchte schreiben, ich möchte fotografieren, ich möchte etwas gestalten, und
ich lerne ganz viele Menschen kennen. Das zieht vielleicht Persönlichkeiten
an, die nicht dieses Chef-Gen in sich haben, dass sie sagen würden: Ich
will das steuern, ich will Gewinn machen - das ist so ein bestimmter Typus,
der da rein geht. Wenn die dann gut sind und in eine Chef-Position berufen
werden, sind sie dafür gar nicht innerlich gerüstet.
Haben die jungen Frauen denn einen Begriff davon, dass es so was wie
Chefredakteurinnen gibt?
Ja, aber für 99 Prozent ist das unbedeutend. Das ist in ganz weiter Ferne,
das hat mit ihnen selbst nichts zu tun.
Wo wollen sie denn hin? In Schlüsselressorts wie Politik oder Wirtschaft,
die für Chefredaktions-Jobs qualifizieren?
Nein, das hieße ja, dass ich die Sache auch strategisch angehe; dass ich
einen Plan habe, weil ich weiß, im Ressort Wirtschaft oder Politik kann was
aus mir werden, da kann ich Karriere machen. Wir beobachten, dass Frauen
immer über das innere und das inhaltliche Interesse gehen. Was macht mir
Spaß? Wenn das dann das Ressort Gesellschaft ist, sind sie froh, wenn sie
da eine Heimat finden. Der nächste Gedanke: Ist das jetzt strategisch
klug?, der kommt gar nicht.
An welchem Punkt knicken Journalistinnenkarrieren?
Das geht vielleicht noch bis zur Ressortleitung, und dann setzt was ein wie
ein Naturgesetz: dass Männer anders kommunizieren als Frauen. Frauen können
nicht auf die Weise kommunizieren wie Männer und können das auch nicht
nachahmen. Angenommen, ich bin Ressortleitung und möchte eine zusätzliche
Stelle vom Chef. Dann würde ich als Mann erst mal in das Gespräch gehen und
sagen: Gestern, die Nationalmannschaft gegen Holland, haste geseh'n, war ja
wohl ein Scheißspiel, oder irgendsowas. Ich wüsste, wie ich das Warming up
mache, und dann komme ich mit meiner anderen Sache. Oder wir gehen abends
einfach um die Ecke und trinken ein Bier. Frauen können diesen
Gesprächseinstieg nicht machen - und abends Kneipe, Bier auch nicht. Die
Kommunikation in Hierarchien ist nach wie vor so unterschiedlich, dass es,
wenn Männer das Sagen haben, für Frauen wirklich schwierig ist, mit ihren
Anliegen durchzukommen, ohne dass sie sofort als nervig, als lästig
wahrgenommen werden.
Gilt das für alle Frauen?
Wir hatten neulich in einem Seminar über Personalführung eine Frau, die in
einer Sportredaktion gearbeitet hatte. Die wusste, wie man da kommunizieren
muss. Aber welche Frau arbeitet schon in einer Sportredaktion?
Was tut die Akademie für Publizistik, um Frauen im Journalismus zu fördern?
Wir machen Weiterbildungs-Seminare zu all dem, was man im Management können
muss, aber als Journalistin gar nicht wissen kann. Die werden - wie die
meisten Fortbildungen - mehr von Frauen besucht als von Männern. Und dann
machen wir ganz viel informelles Coaching. Wir halten mit unseren
Volontärinnen Kontakt und die rufen dann auch hier an, wenn sie Angebote
haben, und fragen: Soll ich? Wir sehen es als unsere Aufgabe, sie zu
bestärken, zu sagen: Mach das, zieh auch mal um, nimm diese Mühe auf dich,
wenn du da was erreichen willst.
So was hat ja immer auch mit Role Models zu tun. Haben Sie Schwierigkeiten,
Chefredakteurinnen zu finden, die in die Akademie kommen?
Ja, natürlich haben wir das. Wir machen das mit den Role Models anders: Wir
achten darauf, dass unter den Dozentinnen viele Frauen sind. Wenn da eine
Frau steht und Redigieren, kleine Texte oder die Nachricht unterrichtet,
dann heißt das ja auch schon was. Die müssen nicht alle Chefredakteurinnen
sein. Aber sie machen ihren Job richtig gut und können das, was ihnen
wichtig ist, auch vertreten. Das ist auch schon eine Botschaft.
Sind Frauen immer noch zu leise oder gar zu feige?
Nein, aber Frauen erheben oft innerlich einen großen Anspruch auf
universelle Gerechtigkeit: Das muss einfach über die Sache gehen, das ist
doch ganz klar. Häufig begreifen sie nicht, dass in der Kommunikation ganz
andere Dinge darüber entscheiden, ob jemand was kriegt oder nicht kriegt,
etwa bei Gehaltsverhandlungen. Weil die Kommunikation zwischen Männern da
einfach anders ist. Das hat nichts mit laut oder leise zu tun. Aber Frauen
sind manchmal zu ängstlich. Ich kenne mehrere Frauen in leitenden
Positionen in Hörfunk und Fernsehen, die attraktive Stellen mit Frauen
besetzen wollten und sich dann nur Absagen eingehandelt haben. Es ist nicht
so, dass immer nur der böse Mann das verhindert, sondern mindestens genauso
oft springt die Frau dann nicht, oder setzt sich gegenüber ihrem Partner
nicht durch, weil vielleicht ein Umzug damit verbunden wäre. Der Klassiker:
Die Frau sagt die Stelle ab und ein Jahr später geht sie mit dem Mann
irgendwo hin. Das passiert tatsächlich.
Und was ist mit den viel zitierten Männerbünden, die keine Frauen
reinlassen? Gibt's die gar nicht?
Ich glaube, dass die das gar nicht so böse und bewusst machen, sondern das
geschieht einfach. Das ist einfach Trägheit oder Gewohnheit. Man muss sich
ja nur die Runden auf den Kongressen angucken: Da ist jetzt neuerdings,
weil es allen aufgefallen ist, immer so eine Quotenfrau dabei. Aber alle
diese Themen, die sich um Onlinejournalismus und IT drehen, die so wichtig
geworden sind, sind mehrheitlich mit Männern besetzt. Und wenn wir nicht
die Quotendebatte hätten, wären da nur Männer.
Scheint fast, als hätte ProQuote schon was erreicht.
Ja, jetzt, wo das ein öffentliches Thema ist, bis rauf zur EU, kriegen
Frauen hoffentlich immer häufiger gute Stellenangebote. Dann müssen sie
aber auch zeigen, dass sie sie nehmen.
Sogar die Zeit hat nach Gräfin Dönhoff wieder eine Frau in der
Chefredaktion. Ein Erfolg der Quotendebatte?
Ganz sicher. In solchen Redaktionen, wo man nicht so dran gedacht hat, ist
man jetzt drauf gestoßen worden. Da liegt bei Stellenbesetzungen die
Frauenfrage jetzt einfach mit auf dem Tisch. Das ist ein Erfolg. Jetzt kann
keiner mehr sagen: Oh, hab' ich gar nicht dran gedacht. Wenn man dann aber
die Frau nicht findet, dann kann man nicht grundsätzlich sagen, dass der
böse Mann nicht gesucht hat, sondern dann kann es sein, dass er gesucht hat
und nicht fand, weil die Frauen es einfach nicht wollten. Das gibt's auch.
Müssen Frauen in der größten Presse-Krise aller Zeiten jetzt den Karren aus
dem Dreck ziehen?
Ja. Und sie müssen das weit gehend allein, weil es in der Branche ja
inzwischen mehr Frauen als Männer gibt. Ich bin nicht sicher, dass das
klappt. Ein Beispiel: Wir haben gerade ein Seminar „Datenjournalismus II".
Das ist für fortgeschrittene Nerds. Da sitzen 80 Prozent Männer im Seminar.
Aber nur, wenn Frauen sich für die technikgetriebenen Anteile im Beruf
begeistern und erwärmen, können sie auch was gestalten. Die spielen ja
jetzt schon eine wichtige Rolle und werden noch viel wichtiger werden. Wenn
Frauen sagen: Ich würd' mich eigentlich lieber auf das journalistische, auf
das pure Produkt konzentrieren; und alles was da dranhängt: die
Medienökonomie, die Mediennutzung, das interessiert mich nicht so, dann
gestalten Frauen da nichts. Dann werden die verbliebenen drei bis fünf
Männer gestalten.
Brauchen wir irgendwann Männerförderung?
Die Verlage haben bereits jetzt Schwierigkeiten, attraktive männliche
Bewerber zu bekommen. Das Problem kriegen sie in zehn Jahren. Und es ist
ein erhebliches Problem: Du musst ja eine gemischtgeschlechtliche Redaktion
haben. Wie will ich denn sonst guten Journalismus machen? Nur Frauen finde
ich überhaupt keine Lösung. Das ist ja nicht gut für die Leser, fürs Blatt.
Man muss sich Gedanken darum machen, wie der Journalismus ein attraktiver
Beruf bleibt, den engagierte, politisch interessierte Leute überhaupt
ergreifen wollen.
Werden wir in 20 Jahren die Männerquote fordern?
Wenn das so weiter geht, ja. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass neue
Formen des Journalismus entstehen, neue Präsentationsformen auf der
Grundlage von Erfindungen aus der Gaming-Branche, von den
Spieleentwicklern. Gekonnte Visualisierungen von Datenmengen. Wir werden
ganz andere Formen der Berichterstattung erleben, hoffentlich. Und ich bin
mir sicher, dass das für Männer attraktiv ist.
Werden die - männlichen - Tekkies dann am Ende wieder die Oberhand haben?
Das kann gut sein. Die Geschlechterdominanz ist so hartnäckig, dass ein
paar Jahrzehnte nicht viel ändern werden.
16 Nov 2012
## AUTOREN
Jan Kahlcke
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