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# taz.de -- Schwuler Fußballer Justin Fashanu: „Er lebt in mir“
> Der schwule Fußballprofi Justin Fashanu nahm sich 1998 das Leben. Seine
> Nichte Amal pflegt sein Vermächtnis und will andere Fußballer zum Outing
> ermutigen.
Bild: Justin Fashanus kurzes Leben bewegt noch immer.
taz: Frau Fashanu, im April ist eine Biografie über Ihren Onkel Justin
veröffentlicht worden. Sind Sie damit zufrieden?
Amal Fashanu: Ich hatte bisher keine Zeit, es zu lesen. Aber ich möchte
schon wissen, was der Autor über meinen Onkel sagt. Ich glaube aber,
eigentlich sollte jemand aus unserer Familie eine Biografie über Justin
schreiben. Das sind die Leute, die wirklich wissen, wer Justin war.
In dem Buch wird eine Begegnung von Ihnen mit Ihrem Onkel erwähnt. Kurz vor
seinem Suizid suchte er Zuflucht bei Ihrer Mutter.
Das ist mir bis heute noch lebhaft in Erinnerung. Ich war als Kind sehr
faul, wollte weder lernen noch Hausaufgaben machen. Justin hatte diese
lustige Art, es zu schaffen, dass ich die Sachen tat, zu denen ich
eigentlich keine Lust hatte. So las er ein Buch, welches zu meinen
Hausaufgaben gehörte. Dazu gab es Erdbeeren. Auf einmal lief er zum
Kühlschrank und nahm eine Dose Schlagsahne. Er sprühte Sahne in das Gesicht
meiner Mutter und dann in meins. Es war ein riesengroßer Spaß! Und das
letzte Mal, dass ich ihn sah. Ein anderes Mal waren wir in Disneyland in
den USA und Justin besuchte uns. Ich liebte Justin! Er war mein
Lieblingsonkel. Alle wollten sein Liebling sein. Aber insgeheim war ich
sein Liebling.
In Deutschland reden Fußballer nicht über ihre sexuelle Orientierung. War
Justin da anders?
Er war sehr tapfer. Er besuchte einfach all diese Gay-Bars und Clubs. Es
war ihm egal, wenn man ihn als Gay bezeichnete. Er ging weiter in diese
Clubs. Heute gibt es keine Fußballer, die offen aussprechen, dass sie
schwul sind. Sie haben zu viel Angst: Angst davor, dass sie keine Sponsoren
mehr finden und dass man sie verurteilt. Wenn jemand so tut, als ob er
jemand anderes ist, wird es jeden Tag sein Gewissen plagen. Traurig ist
das!
Sollten sich schwule Fußballer outen?
Das ist doch, als ob ich sagen würde, ich sei nicht schwarz. Als ob ich
jeden Tag mein Gesicht weiß anmalen würde. Das ist doch bescheuert! Du
bist, wer du bist – dafür kannst du nichts. Ich hatte ein interessantes
Gespräch mit Gareth Thomas.
Dem Rugbyprofi, der sich als schwul geoutet hat …
Er ist fantastisch! Seine Geschichte ist die eines Mannes, der 25 Jahre
lang in Qual lebte und dann beschloss: Basta! Ich höre hier auf. Er
erzählte mir von seiner Frau, von seinem Coming-out und dass er nach seinem
Outing mehr Geld verdient als zuvor. Wir sind jetzt im Jahr 2012, heute
wird doch keiner mehr so behandelt wie Justin damals. Er musste erst mit
Rassismus leben und dann auch noch mit Homophobie. Das passiert doch nicht
mehr!
Sie haben für die BBC an einer Dokumentation über schwule Fußballer
mitgearbeitet. Wie kam es dazu?
Ich habe von einer Kampagne gehört, die Justins Namen trug. Ein Mann, der
aufgrund seiner Homosexualität misshandelt worden war, hat sie gegründet.
Ich beschloss mitzumachen und spielte bei einem Benefiz-Fußballspiel mit.
Als ich schwitzend im rosa T-Shirt am Spielrand stand, bat mich ein
BBC-Team um ein Statement. Das war der Beginn der Zusammenarbeit.
Haben Sie damit etwas bewirkt?
Wenn es die Sensibilität für das Thema erhöht hat, war es das schon wert.
Obwohl Justin ein Vorreiter war, hat sich seit ihm niemand getraut, sich zu
outen. Weil Justin nicht mehr hier ist, will ich es nun sein, die sagt: Du
bist nicht allein.
Bei Ihrem Onkel ging es nicht nur um Sexualität, sondern auch um seinen
afrikanischen Hintergrund.
Ich habe diese Woche drei Interviews zum Thema Rassismus gegeben. John
Terry, Patrice Evra, Anton Ferdinand, all das. Ich mache auch Kampagnen
gegen Rassismus im Fußball. Es ist so traurig, dass der Rassismus wieder
hochkommt. Ich glaube, es wird viele Generationen lang dauern, das
auszumerzen.
Wird es bei Homophobie schneller gehen?
Hautfarbe kann man nicht verstecken. Du bist schwarz oder weiß und ich kann
das sehen. Aber Sie könnten schwul sein und es mir nicht sagen wollen. Ich
kann es nicht sehen, und so werde ich es nie wissen.
Es sieht so aus, als müsste man mit rassistischen und homophoben Rufen im
Stadion leben.
Was soll man gegen Affenlaute machen? Aber wenn ein Spieler einen anderen
rassistisch beleidigt und keiner etwas sagt, dann bedeutet das für andere,
dass sie weiter rumlaufen und „Hey du Nigger!“ sagen dürfen. Es sei denn,
man beschließt: Okay, wenn du etwas Rassistisches sagst, dann darfst du
niemals wieder Fußball spielen! Finito! Geh in Pension!
Sollte man das auch mit homophoben Bemerkungen so handhaben?
Das ist ein bisschen was anderes, weil nicht jeder wissen muss, mit wem man
nachts Sex hatte. Rassismus ist etwas, das jeder sehen kann. Hier muss man
ein Exempel statuieren. Mein Bruder ist zwölf und er sieht gerne Fußball.
Er meint jetzt, er sollte nicht so viel Fußball spielen, weil er schwarz
ist.
Kann man es jemandem übel nehmen, dass er seine sexuelle Orientierung
geheim hält?
Nein, viele fragen mich, ob ich schwule Fußballspieler kenne und wer sie
sind. Ich würde das niemals verraten. Aber ich will sie gleichermaßen zum
Outing ermutigen. Damit sie glücklich sind und die Leute sagen: Du bist
wirklich gut, als der, der du wirklich bist, und nicht als die Person, die
du vorgibst zu sein. Ich verstehe, dass der Druck groß ist, aber sie
sollten sagen: Ich bin eine starke Person, fuck it! Ich sage das, weil
Justin eine lange Zeit eben auch erst mal nicht offen lebte und er sich
aufgrund seiner sexuellen Orientierung Sorgen machte. Er hatte ja auch bei
Nottingham Forrest diesen Manager, Brian Clough, der Justin wie Dreck
behandelte und sein Leben zur Hölle machte, und so ging alles bergab.
Ihr Vater John Fashanu, auch er ein bekannter Fußballprofi, hatte so seine
Probleme mit Schwulen.
Was er damals gesagt hat, hat Justin bestimmt sehr getroffen. Mein Vater
war damals jung und irrational und wusste nicht, was er sagte. Für die
Fernsehdokumentation habe ich überhaupt das erste Mal mit meinem Vater über
Justin gesprochen.
Ihr Onkel wurde von den Medien ausgebeutet, Intrigen manchmal erfunden oder
überspitzt dargestellt. Er wurde regelrecht zum Outing gedrängt. Trauen Sie
den Medien noch?
Was gibt es schon zu verstecken? John und Justin, sie waren beide Fußballer
und im Rampenlicht. Auch mein Vater hat seine Bemerkungen über Justin im
öffentlichen Fernsehen gemacht. Ich selber habe keine Angst. Mit den Medien
muss man spielen. Die BBC hat mich gut behandelt und deshalb vertraue ich
ihr.
Was halten Ihre Mutter und Ihr Vater denn von Ihrer Dokumentation über
Justin?
Sie sind einfach nur stolz. Alle sind stolz, denn ich glaube, kein anderer
hätte es getan. Ich bin fast die Jüngste in meiner Familie. Vielleicht hat
Justin mir gesagt, es zu tun. Sehen Sie, ich trage gerade sein T-Shirt, er
lebt in mir.
Er muss Ihnen wirklich viel bedeuten?
Er bedeutet für mich alles!
So richtig haben Sie ihn aber erst nach seinem Tod kennengelernt.
Natürlich. Damals wollte man noch nicht einem 10 Jahre alten Mädchen
erklären, was Homosexualität bedeutet. Vielleicht tut man es heute, weil
die Zeit sich geändert hat.
Hat man Ihnen denn überhaupt erzählt, dass er verstorben war?
Viele Leute fragen mich, ab wann ich wusste, dass Justin schwul war. Wir
sind ja nach Madrid gezogen, und da hatte mich niemand mehr gefragt oder
darüber geredet. Was ich noch von seinem Tod weiß, ist, dass die Presse
überall war. Journalisten verfolgten mich zur Schule. Sie klopften in der
Nacht an mein Fenster. Sie versuchten sogar, sich auf die Beerdigung zu
schmuggeln. Die Medien waren total verrückt damals.
Ist nach der BBC-Dokumentation das Thema für Sie jetzt abgeschlossen?
Ich werde darüber reden, bis ich sterbe.
21 Nov 2012
## AUTOREN
Daniel Zylbersztajn
## TAGS
Homosexualität
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