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# taz.de -- Staudamm im Sudan: Als der Nil alles wegschwemmte
> Beim Bau des Merowe-Staudamms im Sudan verloren Tausende ihre Häuser. Nun
> wird gegen Mitarbeiter der Planungsfirma ermittelt.
Bild: Fehlerhafte Planung: der Merowe-Staudamm am Nil.
BERLIN taz | Die Zeugin war dabei, als das Land der Bauern überschwemmt
wurde. Ethnologin Valerie Hänsch sah die eingestürzten Häuser am Nil und
die toten Tiere, die im Wasser trieben. Sie besah, wie Kinder und
Erwachsene in ihren überfluteten Dörfern herumschwammen, um ein paar
Habseligkeiten zu retten.
Zwischen Juni 2008 und April 2009 wollte die Wissenschaftlerin der
Universität Bayreuth im Sudan eigentlich untersuchen, inwiefern die
Umsiedlung des Volkes der Manasir zu einem kulturellen Wandel führt. Die
Manasir sollten in neu gebaute Dörfer ziehen, weil der Nil im Sudan durch
einen Damm aufgestaut wurde.
Zum planmäßigen Häuserwechsel sei es aber nicht gekommen. „Die Manasir
waren überrascht und schockiert, wie schnell das Wasser stieg. Sie waren
nicht über den Zeitpunkt des Aufstauens informiert“, sagt Hänsch. Außerdem
betont sie: „Die Umsiedlungsprojekte waren größtenteils nicht fertig.“
Tragen Beschäftigte des Ingenieurkonzerns Lahmeyer International GmbH aus
Bad Vilbel, unter dessen Mitwirkung der Merowe-Staudamm gebaut wurde, die
Verantwortung für die Vertreibung mehrerer tausend Bauernfamilien? Unter
anderem dieser Frage geht die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main in ihrem
Ermittlungsverfahren gegen drei damalige Mitarbeiter des Unternehmens nach.
Mittlerweile haben die AnklägerInnen ZeugInnen beider Seiten vernommen.
Dies bestätigte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft der taz. Auch
Ethnologin Hänsch hat eine Aussage gemacht.
## Staudamm verursacht Überschwemmung
Hierzulande ist es eine Ausnahme, dass sich Firmenangehörige überhaupt im
Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen im Ausland juristisch
verantworten müssen. Die Sache ins Rollen gebracht hat das European Center
for Constitutional and Human Rights (Europäisches Zentrum für Menschen- und
Verfassungsrechte, ECCHR) in Berlin mit einer [1][Strafanzeige] [2][(taz
berichtete)]. Die beschuldigten Personen sollen „die Überschwemmung des
Nils durch den Bau und die Inbetriebnahme des Merowe-Staudammes
herbeigeführt haben“, so die AnwältInnen, die die Manasir vertreten.
„Dadurch sind rund 4.700 Familien ohne Vorwarnung aus ihren Häusern
vertrieben worden“, sagt ECCHR-Mitarbeiterin Miriam Saage-Maaß. Infolge der
unerwarteten Überschwemmungen sei es zu „Körperverletzungen, zur Zerstörung
von Wohnhäusern, öffentlichen Gebäuden, landwirtschaftlichen Geräten,
Nutzflächen und Nutztieren“, gekommen. Ein zentraler Punkt, den die
StaatsanwältInnen klären müssen, ist dieser: Haben die Beschuldigten die
Überschwemmung durch ihr persönliches Verhalten hervorgerufen, und damit
auch die Schäden verursacht?
## Umsiedlung von Bevölkerungsgruppen
Das ECCHR sieht dies als erwiesen an. Der Zeuge Jürgen Köngeter,
emeritierter Wasserbauprofessor der Uni Aachen, entlastet die
Lahmeyer-Mitarbeiter dagegen. Aufgrund langjähriger Erfahrung mit
Staudammprojekten im Ausland sagt er, dass die politisch heiklen Fragen der
Umsiedlung betroffener Bevölkerungsgruppen nicht in der Zuständigkeit der
Ingenieure lägen. Dies seien hoheitliche Aufgaben einer Regierung und ihrer
Behörden.
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Lahmeyer-Mitarbeiter dafür
verantwortlich waren, den Manasir mitzuteilen, wann die Überflutung
begann“, sagte Köngeter gegenüber der taz. Insofern seien die Beschuldigten
wohl nicht dafür verantwortlich zu machen, dass Schäden entstanden. Das
Unternehmen Lahmeyer und die Frankfurter Anwaltskanzlei Kempf & Dannenfeldt
wollten mit dem Hinweis auf das laufende Ermittlungsverfahren keine
Stellungnahmen abgeben.
22 Nov 2012
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## AUTOREN
Hannes Koch
Hannes Koch
## TAGS
Merowe-Staudamm
Sudan
Wasserkraft
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Sudan
Menschenrechte
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