# taz.de -- Die Wahrheit: Schöner sterben | |
> Die triste Woche des Todes in der ARD. | |
Bild: Ödwitzwart Nuhr, Margot Luther Käßmann und Weichwanze Beckmann (v. l. … | |
Zwei-, dreimal im Jahr bäumt sich irgendetwas im ARD-Innern auf – ist’s das | |
schlechte Gewissen, oder steckt ein Verantwortlicher dahinter, der sein | |
Volontariat ausnahmsweise nicht bei Springer absolviert hat? –, und man | |
sendet, statt minderwertiger Fußballspiele (irgendwer gegen irgendwas, das | |
ein „Sportfeinde 03“ im Namen trägt) oder inzestuös anmutender Hochzeiten | |
unansehnlicher Nachwuchskräfte aus den Reihen des europäischen Hochadels, | |
was mit Anspruch. Darüber steht dann „Themenwoche“, und ein jeder denkt: | |
Mensch guck mal, die ARD! | |
Themen sind ja auch ein schönes Thema. Diesmal, passend zum Novemberblues, | |
hieß das „Themenwochen“-Thema: „Ja, wir sterben gern!“ Oder so ähnlic… | |
„Themenwochen“-Thema und „Themenwochen“-Inhalt stehen – geschickt sin… | |
ja beim Fernsehen! – in einem thematischen Zusammenhang: Es geht ums | |
Totsein. | |
Die schönsten Plätze im Schaufenster teilen sich philosophische | |
Schlichtprosa mit Tiefgang, religiöser Quark mit Bärlauch, Metaphysik mit | |
amtlichem Zertifizierungssiegel und Praxistipps mit Aloe Vera. Und | |
natürlich: Humor! Denn mit Humor geht bekanntlich alles besser. So ein Tod | |
ist schließlich kein Beinbruch. Oder, um es mit dem Tagebuchverlierer | |
Martin Walser zu sagen: Das Leben ist zu kurz, um deutschen Wein zu | |
trinken. | |
Bei der ARD durfte die offenbar mit lebenslangem Auftrittsrecht | |
ausgestattete Trinität aus Margot Luther Käßmann, Anwanzer Reinhold | |
Beckmann und Staatskabarettist Dieter Nuhr ran. Subtil und kunstvoll | |
gebrochen zeigten die drei Lästlinge, was Tod durch Langeweile bedeutet. | |
Möge die Frage, ob denn die alte Käßmichel, der Beckmichel und der | |
Nuhrmichel noch leben, noch lange mit einem kraftvollen: „Ja, wir können | |
doch auch nichts dafür?“, beantwortet werden. | |
Das Beste am Tod ist, dass hinterher niemand in Talk-Runden erzählen kann, | |
wie es denn so war und ob das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt. Dazu | |
säftelt Axel Bulthaupt Übliches, darunter wird eingeblendet: „Ingeborg K. | |
(79): Ich starb in Würde!“ Wo immer das liegt; klingen tut’s nach | |
Niedersachsen: Würde an der Aller oder so. | |
Was kommt nach dem Tode? Die einen sagen: „Nix!“ Die anderen stemmen dann | |
entrüstet die Ärmchen in die Speckhüften und nehmen reflexhaft die | |
antrainierte Verbraucherrolle ein: „Abzocke! Ich leb doch hier nicht | |
jahrelang, um hinterher mit nix abgespeist zu werden!“ Passend dazu wird | |
ein Off-Kommentar eingespielt: „Hier ist der Gesetzgeber gefordert!“ | |
Die Verheißung des Paradieses ist das Kundenbindungsprogramm der Kirchen. | |
Funktionieren tut das selbstverständlich nur im Doppelpack mit der Hölle, | |
die es nicht nur bei den Christen gibt, sondern auch im Judentum und im | |
Islam. Der alte Witz, dass es in der Hölle zugeht wie in einem | |
All-inclusive-Urlaub auf den Malediven und nur für die Katholiken ein | |
Kessel mit siedendem Öl bereit steht, weil die das so wollen, stimmt | |
insoweit nicht. | |
Als Ungläubiger stellt einen das vor Probleme: Kann ich mir aussuchen, in | |
welche der drei Höllen ich komme? Oder muss ich mich vorher in einer | |
Ungläubigenverfügung festlegen, an welchen Gott ich nicht glaube? Gibt es | |
einen interreligiösen Verteilerschlüssel, ähnlich wie bei den | |
Asylbewerbern? Und erhält man, wenn man angekommen ist, Sachleistungen nach | |
dem Höllenbewerber-Leistungsgesetz? Wäre Höllenhopping möglich? | |
Eine besondere Faszination scheint von Nahtoderfahrungen auszugehen. Dein | |
Leben mag noch so öde gewesen sein – mit einer Nahtoderfahrung kann es | |
erheblich aufgewertet werden. Berichte sollten allerdings stets ein helles | |
Licht erwähnen, und dass sich alles ganz leicht anfühlt, man es sich dann | |
aber doch anders überlegt hat oder das Handy klingelte. | |
Der Tod wirft dabei ganz praktische Fragen auf: Wie enterbe ich richtig? Wo | |
findet die nächste DRK-Letzthelfer-Ausbildung statt und wann der | |
Do-it-yourself-Kurs „Witwe werden“? Und die Krankenkassen schreiben ihre | |
Versicherten an. Die sollen sich entscheiden, ob sie der Entnahme ihres | |
Herzens zu Transplantationszwecken zustimmen, oder ob man damit warten | |
soll, bis sie tot sind. | |
Ja, der Tod ist allgegenwärtig. Er lässt sich auch von der ARD nicht | |
schönplappern. Am besten kommt man mit ihm aus, wenn man ihn, so lange es | |
geht, ausblendet. Dem Sterben den Schrecken nehmen? Wozu? Wenn das Sterben | |
keinen Schrecken mehr hat, warum sollte man dann noch gegen das Töten sein? | |
24 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Robert Niemann | |
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