# taz.de -- Torhüter in der Fußball-Bundesliga: Frühreif auf der Linie | |
> Die Profiklubs kümmern sich immer besser um die Ausbildung ihrer | |
> Torhüter. Erfahrene Keeper in der Bundesliga werden selten. | |
Bild: Auslaufmodell: Hoffenheims Tim Wiese. | |
Ganz so hatte sich Timo Hildebrand seine Karriere wohl nicht vorgestellt. | |
Nachdem er sich als 21-jähriger Spund einen Stammplatz beim VfB Stuttgart | |
eroberte, sahen in ihm nicht wenige Experten den kommenden | |
Nationaltorhüter. Der Prototyp eines modernen Torwarts sei er, | |
reaktionsschnell, ballsicher und spielintelligent, frohlockten die | |
Fachleute damals. | |
Doch seit seinem Wechsel zum spanischen Erstligisten FC Valencia 2007 | |
geriet sein Aufstieg ins Stocken. Jahrelang wärmte er vor allem die | |
Ersatzbank, seine Karriere in der DFB-Elf endete nach sieben Länderspielen. | |
Inzwischen hat sich Hildebrand bei seinem aktuellen Arbeitgeber, dem FC | |
Schalke, wieder die Rolle der Nummer eins erkämpft. Der mit 33 Jahren | |
zweitälteste Schlussmann der Bundesliga kämpft nun gegen eine neue | |
Generation von Torhütern, die alle über die ihm einst exklusiv | |
zugeschriebenen Eigenschaften verfügen, sei es Marc-André ter Stegen (20) | |
bei Borussia Mönchengladbach, Ron-Robert Zieler (23) bei Hannover 96, Kevin | |
Trapp bei Eintracht Frankfurt (22), National- und Bayern-Torwart Manuel | |
Neuer (26) oder die vereinsinternen Konkurrenten Lars Unnerstal (22) und | |
Ralf Fährmann (24). | |
Das beste Beispiel für den Aufstieg der Jungen ist der Wechsel von Bernd | |
Leno (20) zu Bayer Leverkusen vor einem Jahr. Nachdem er sich während eines | |
Leihgeschäfts zum Stammspieler entwickelte, überwies der Werksklub acht | |
Millionen Euro Ablöse an den VfB Stuttgart, eine enorme Summe für einen so | |
unerfahrenen Keeper. | |
## Sicher bei modernen Bällen | |
Junge Torhüter seien heutzutage viel besser ausgebildet als ihre zehn Jahre | |
älteren Kollegen, erklärt Spielerberater Jörg Neblung. „Sie werden schon | |
sehr früh individuell gefördert, von Beginn an beidfüßig trainiert, | |
interpretieren ihre Rolle in der Mannschaft fast wie ein Libero und haben | |
gelernt, Spielzüge maximal schnell per Hand oder Fuß einzuleiten“, sagt er. | |
Außerdem seien sie mit den modernen Bällen groß geworden. | |
Ein großer Vorteil im Kampf um einen Stammplatz, da die heutigen | |
Spielgeräte aus Kunststoff im Vergleich zu älteren Modellen zu ganz anderen | |
Flugbahnen neigen. In seiner Kartei führt der 45-Jährige, der den Wechsel | |
des inzwischen verstorbenen Robert Enke im Jahr 2002 zum FC Barcelona | |
einfädelte, mehrere Torhüter älteren Semesters – einer davon ist Timo | |
Hildebrand. | |
Auch wenn sich sein Klient durch persönliche Probleme, Verletzungen und | |
Pech im Ausland letztlich nicht durchsetzen konnte, hält es der studierte | |
Sportwissenschaftler für wahrscheinlich, dass deutsche Torhüter schon bald | |
zu Exportschlagern werden. | |
## Die beste Ausbildung der Welt? | |
„Ich glaube, dass die deutschen Torhüter die beste Ausbildung in der Welt | |
genießen. Alle Torhüter, die in der Bundesliga zu den Top 5 gehören, sind | |
auf den Wunschlisten der großen europäischen Klubs“, sagt er. Allerdings | |
gilt Deutschland schon lange als Torhüterschmiede, und vielen ehemaligen | |
Torhütern wurde in der Vergangenheit bereits eine große Karriere im Ausland | |
prophezeit. Richtig erfolgreich waren aber nur wenige. | |
Einzig die Tatsache, dass die Bundesliga derzeit im Weltfußball „das | |
gelobte Land“ sei, sorgt nach Meinung von Neblung dafür, dass der Drang, | |
ins Ausland zu wechseln, bei vielen Talenten noch nicht so stark sei. Der | |
Grundsatz, dass ein Torhüter mit dem Alter immer besser wird, scheint | |
dieser Tage nicht mehr zu gelten. Bis vor vier Jahren war es noch völlig | |
normal, dass einige der Stammkeeper stramm auf die Vierzig zugingen. Das | |
Durchschnittsalter lag bei 28,8 Jahren. | |
Dann brach der Jugendwahn in den Vereinen aus. Der Altersschnitt in der | |
ersten Reihe der Torhüter fiel bis zum heutigen Tag um drei Jahre auf einen | |
Durchschnittswert von 25,8. | |
Als Hauptgrund für den Generationswechsel sieht Andreas Menger, der die | |
Torhüter des VfB Stuttgart trainiert, die verbesserten Rahmenbedingungen in | |
der Nachwuchsausbildung. Er kann aus der Praxis die These Neblungs | |
bestätigen. Die Einführung der Jugend-Bundesligen vor rund zehn Jahren habe | |
dafür gesorgt, dass sich junge Torhüter unter ähnlichen | |
Wettkampfbedingungen wie die Profis gegen ihre stärksten Konkurrenten | |
behaupten müssen und dadurch schon früh konstante Leistungen auf den Platz | |
bringen. „Sie haben heutzutage kaum Schwankungen“, sagt Menger. | |
Dennoch geht ihm der Hype um die jungen Torhüter etwas zu weit. „Sie müssen | |
erst mal über mehrere Spiele diese Leistungen in der Liga zeigen“, meint | |
er. Und Erfahrung sei für Torhüter grundsätzlich ja auch nicht die | |
schlechteste Eigenschaft. Das gelte auch für den Ex-Stuttgarter Timo | |
Hildebrand: „Er ist nach wie vor ein guter Torhüter“, findet er. „Und ein | |
guter Kerl.“ | |
18 Dec 2012 | |
## AUTOREN | |
Holger Vieth | |
## TAGS | |
Deutscher Fußballbund (DFB) | |
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