# taz.de -- Ozzy Osbournes Autobiografie: Madman gegen Hippie-Scheiß | |
> Seine Sache waren Teufelsintervalle und hart stampfender Bluesrock, | |
> später Fledermausköpfe. Ozzy Osbourne hat seine Autobiografie geschrieben | |
> - ein Knochenjob für den Koautor. | |
Bild: John Michael Osbourne leidet seit frühester Kindheit an ADS und noch daz… | |
Gleich am Anfang steht eine längere Aufzählung der inkriminierten | |
Substanzen, die er in den letzten vierzig Jahren einzeln und in Kombination | |
miteinander geschluckt hat, um zu erklären, warum sein Gedächtnis "nicht | |
unbedingt mit der ,Encyclopaedia Britannica' zu vergleichen" ist. Wer Ozzy | |
in den letzten zehn Jahren mal gesehen hat - und dank "The Osbournes" sind | |
das ja fast alle -, hat das auch "nicht unbedingt" erwartet. | |
Eine Autobiografie aber erst recht nicht. Es wird ein Knochenjob gewesen | |
sein für den Koautor Chris Ayres, aus den fahrigen Tonbandprotokollen diese | |
halbwegs stringente, anekdotenreiche, durchaus witzige Autobiografie zu | |
formen. Und eine respektable Rechercheleistung überdies. John Michael | |
Osbourne leidet seit frühester Kindheit an ADS und noch dazu an Dyslexie, | |
das heißt, er kann keinen Satz vernünftig zu Ende lesen, schreiben noch | |
weniger. Um seine Minderwertigkeitskomplexe zu überspielen, macht er sich | |
zum Affen. | |
Aus John Michael wird Ozzy - und die Nummer des Madman, des | |
durchgeknallten, unberechenbaren, aber stets unterhaltsamen Clowns schon | |
frühzeitig habituell. Seine schulische Karriere verläuft entsprechend | |
katastrophal. Die Chancen in der heruntergekommenen, noch in den Sechzigern | |
ziemlich kriegsversehrten nordenglischen Industriestadt Birmingham stehen | |
schlecht, schließlich findet er einen Job im Schlachthof. Tiere töten kann | |
er gut. Er watet im Blut, mutiert wie alle anderen Kollegen auch zum | |
sadistischen Drecksack mit merkwürdig abseitigem Humor. "Ich liebte den | |
Job." Dann die Beatles als Initiationserlebnis. Weil er kein Instrument | |
spielt, will er singen. Und auch schon mal aussehen wie ein Musiker. | |
Er macht sich Tattoos, läuft barfuß, trägt einen Wasserhahn um den Hals. | |
Tony Iommi, ein überregional bekannter Gitarrist, einer dieser vielen | |
Beinaheprofis, braucht mal wieder eine neue Band. Sie jammen zusammen, und | |
es klappt irgendwie, auch weil man sich ziemlich einig ist, welche Musik | |
man nicht spielen will. "Der süßlich Hippie-Scheiß, der die ganze Zeit im | |
Radio lief, ging mir auf die Nerven, und zwar gewaltig." Stattdessen einigt | |
man sich auf hart stampfenden, schweren Bluesrock, zähflüssig wie das | |
geschmolzene Erz aus dem nahe gelegenen Stahlwerk. Erste Erfolge auch | |
überregional. Eine Tour auf dem Kontinent. 1969 ein Arrangement im | |
Hamburger Star Club. Danach war die Band Black Sabbath voll ausgehärtet, | |
ein schwerer, schwarzer, matt schimmernder Block. Düstere | |
Tritonus-Akkordfolgen, "Teufelsintervalle", umgaben ihren Heavy Blues mit | |
einer unheimlichen Aura. | |
Ihre Musik vertonte die Okkultismus-/Satanismusmode, die beginnende | |
Desillusionierung und Depression in den ausgehenden Sechzigerjahren so | |
kongenial, dass schließlich auch die Plattenindustrie nicht mehr an dieser | |
Band vorbeikam. In einem Tag rotzt man das Debütalbum ins Mischpult, "Black | |
Sabbath" erschien im Februar 1970, wurde von den Kritikern fast einhellig | |
in der Luft zerrissen, wie alle weiteren Alben auch, aber die Plattenkäufer | |
waren klüger. | |
Mit ihrem Debüt und den folgenden drei Alben, "Paranoid", "Masters of | |
Reality" und "Vol. 4", schufen sie die Urmuster für ein paar neue Genres: | |
Heavy Metal, Black Metal, Doom Metal, Stoner Rock, Gothic. Ozzy hatte das | |
Glück, nach Tony Iommi noch einmal einen genialischen Musiker zu treffen: | |
Randy Rhoads. Mit ihm als musikalischem Herzen und Hirn beginnt er seine | |
Solokarriere gleich mit zwei ebenfalls zu Genreklassikern avancierenden | |
Alben ("Blizzard of Ozz" und "Diary of a Madman"). | |
Dann stirbt Rhoads, der Freund, tragisch bei einem Flugzeugunglück, und | |
diesen Tod, so scheint es, hat Ozzy nie richtig verwunden. Musikalisch | |
sowieso nicht. Brav werden noch all die kleinen und großen Skandale, | |
Abstürze, Gewaltexzesse, Entziehungskuren und weiteren Alben abgehandelt, | |
und natürlich kommt auch noch die Fledermaus angeflattert, der er den Kopf | |
abbeißt. Aber das ist jetzt nur noch ein langer, fast ein bisschen zu | |
langer Epilog. Die Luft ist raus - aus dieser Biografie, aber auch aus | |
seinem Leben. | |
FRANK SCHÄFER | |
8 Apr 2010 | |
## AUTOREN | |
Frank Schäfer | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |