# taz.de -- Fernsehfilm „Das andere Kind“: Im bestmöglichen Sinne spröde | |
> Verfilmungen von Charlotte Links Büchern standen in der Vergangenheit für | |
> Kitsch. Dass es besser geht, zeigt „Das andere Kind“ – dank Marie Bäum… | |
Bild: Zumutungen und Brüche hätten sie an der Rolle der Leslie interessiert, … | |
Das neue Jahr ist gerade mal wenige Stunden alt, und hier kommt schon die | |
erste Fernseh-Überraschung 2013: Die Produktionsfirma teamWorx und die | |
Weichzeichner-Experten von der ARD Degeto haben aus einem Bestseller von | |
Charlotte Link einen Zweiteiler gemacht – und der ist richtig gut geworden. | |
„Das andere Kind“ ist die erste Link-Verfilmung im Ersten, und sie ist ganz | |
anders als die kitschigen Link-Filme, die das ZDF in den vergangenen Jahren | |
im Programm hatte. Links Romane gehören vielleicht nicht zur Hochliteratur, | |
sind aber immerhin oft spannend. | |
Doch auch die Autorin selbst war mit den ZDF-Produktionen nicht zufrieden | |
und wollte keine weiteren Verfilmungen ihrer Bücher mehr zulassen. Bis | |
teamWorx-Chef Nico Hofmann sie überzeugte, es noch einmal darauf ankommen | |
zu lassen. | |
## Zwei Stränge | |
„Das andere Kind“ (Regie: Grimme-Preisträger Urs Egger) erzählt auf zwei | |
Zeitebenen eine Geschichte um Schuld und Verdrängung. Sie beginnt mit dem | |
Besuch der Londoner Psychologin Leslie Cramer (Marie Bäumer) in ihrem | |
Heimatdorf im Norden Englands, wo der Mord an einer Studentin für Unruhe | |
sorgt. Einige Tage später wird Leslies Großmutter (Hannelore Hoger) | |
ermordet aufgefunden. | |
Diese hatte auf der Verlobungsfeier von Leslies Freundin (Bronagh Gallager) | |
deren zukünftigen Gatten (Fritz Karl) als Versager beschimpft. Er könnte in | |
beiden Fällen der Täter sein. Als Leslie persönliche Aufzeichnungen ihrer | |
Großmutter in die Hände fallen, stößt sie auf eine Geschichte aus dem | |
Zweiten Weltkrieg, die auch ihr Leben beeinflusst hat. Sie hat zu tun mit | |
dem Schicksal Londoner Kinder, die aufs Land geschickt wurden, um vor den | |
deutschen Bomben sicher zu sein. | |
Gedreht wurde in der Umgebung von Newcastle, so ist der Look des Films | |
wunderbar britisch und die rauen Seiten dieser Gegend passen zur | |
Erzählweise des Zweiteilers. Er ist im guten Sinne spröde, besitzt eine | |
gewisse Härte, aber auch gelungene komische Momente. Außerdem bietet er | |
vielschichtige Charaktere auf, die von exzellenten Darstellern gespielt | |
werden. | |
## Handlungsstrangfigur | |
Allen voran Marie Bäumer, die in letzter Zeit viel zu selten zu sehen war. | |
Dabei hat sie erst gezögert, diese Rolle anzunehmen: „Meine Figur hat etwas | |
Passives – die Dinge geschehen um sie herum und sie reagiert darauf. | |
Ich hatte ein bisschen Sorge, dass das eine langweilige | |
Handlungsstrangfigur wird, die man braucht, um alles andere drumherum zu | |
erzählen – aber dann wurde mir klar, dass diese Frau viele menschliche | |
Brüche in sich trägt und sich und ihren Mitmenschen einiges zumutet“, sagt | |
sie. | |
„Außerdem wusste ich, dass unser Regisseur bei seinen Filmen immer für | |
Reibungen sorgt, es bei ihm nie an der Oberfläche bleiben wird – und das | |
ist mir wichtig.“ | |
## Der Glamourfaktor | |
Ein Glück für die Zuschauer. So sehr Marie Bäumer die deutsche | |
Schauspielerin mit dem größten Glamourfaktor ist, so sehr kann sie diesen | |
bei ihrer Arbeit komplett ablegen. Ihre etwas biedere Leslie blickt in | |
menschliche Abgründe, will Contenance bewahren, kommt aber mit der Dramatik | |
der Ereignisse zusehends schlechter zurecht – und all das nimmt man Bäumer | |
jeden Moment ab. | |
Vier Filme hat Bäumer 2012 gedreht, unter anderem den ZDF-Dreiteiler „Das | |
Adlon. Eine Familiensaga“, der ebenfalls noch im Januar ausgestrahlt wird. | |
Was die nächste Zeit bringen soll, will sie sich nach den vergangenen | |
arbeitsamen Monaten in Ruhe überlegen: | |
„Ich habe zu vielen Dingen Lust: Ich möchte weiter Schauspielschüler | |
unterrichten, schreiben, vielleicht auch wieder Regie führen, und ich freue | |
mich auf meinen nächsten Film. Ich habe den Eindruck, dass für mich im | |
Moment vieles möglich ist – und das ist ein gutes Gefühl.“ | |
Vielleicht sieht man sie ja schon bald auch wieder in einem Link-Film – | |
teamWorx hat sich die Rechte für zwei weitere Roman-Verfilmungen gesichert. | |
„Das andere Kind“, 2./3.Januar, 20.15 Uhr, ARD. | |
2 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Sven Sakowitz | |
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