# taz.de -- Die Wahrheit: Adlige und andere Kreaturen | |
> Adel verpflichtet, sagt man. Wozu, ist freilich nicht ausgemacht. | |
Adel verpflichtet, sagt man. Wozu, ist freilich nicht ausgemacht. Die weit | |
verzweigte fränkische Familie der Castell – die Fürstenhäuser | |
Castell-Rüdenhausen und die Erbgrafen von Castell-Castell – besitzt Wald, | |
schöne Weinberge, eine Privatbank und eine Hauszeitschrift, die Casteller | |
Nachrichten. | |
Die berichten über eine Fürstenhochzeit zwischen Gräfin Olga und ihrem | |
Prinzen Dominik auf zwei Seiten, fast wortlos, aber mit dreizehn Fotos, auf | |
denen die Vorliebe adliger Damen für exotische Kopfbedeckungen geradewegs | |
ins Auge sticht. Da gibt es pinkfarbene Hüte, die aussehen wie aus | |
Stacheldraht gefertigt, oder fahrradgroße Rundkonstruktionen, die beide | |
Schultern überdachen. Die Herren sind mit Fliege und Smoking ausgestattet. | |
Klar wird: Dem Dresscode ist der Adel allemal verpflichtet. | |
Die große Geschichte der Casteller Nachrichten erzählt das Leben der Gräfin | |
Stephanie, die vor 1989 in Berlin studierte, aber wegen der vielen Streiks | |
an der FU nach Wien wechselte, wo es ruhiger war und sie den Fürstensohn | |
Georg Khevenhüller heiratete. Der wurde Geschäftsführer einer | |
Dachpappenfabrik, und bald wohnte man in Bad Homburg, wo sich Adel und | |
Geldadel um „großzügige Häuser“ streiten, in denen man „größere | |
Veranstaltungen“ ausrichten kann. Neben dem Dresscode ist es der Hang zum | |
Großen und Größeren, dem der Adel verpflichtet ist. | |
Im Jahr 2000 war so viel Dachpappe verkauft, dass der adlige | |
Geschäftsführer den Laden übernahm und nach sieben Jahre weiterveräußerte. | |
Jetzt begann, was die Gräfin „die Neuausrichtung“ nennt. „Nach über 16 | |
Jahren Ehe zum ersten Mal gemeinsame Mahlzeiten unter der Woche und ’Papa | |
ante portas‘ …“ Was die drei Punkte andeuten, verpflichtet zum adligen | |
Beschweigen. | |
Der Verkauf der Dachpappenfabrik spülte echte Kohle in die Kasse. „Die sich | |
abzeichnende Krise in Europa“ besorgte den Rest – deshalb investierte man | |
„in Grund und Boden als nachhaltigen Sachwert“. Zum Dresscode und zum Hang | |
zum Großen gesellt sich der „Wunsch, Land zu bewirtschaften … da wir beide | |
aus Familien kommen, deren Grundlage die Land- und Forstwirtschaft ist“. | |
Blutverpflichtung also. | |
So wurden die Gräfin und der Fürstensohn „plötzlich Besitzer einer Estancia | |
(Farm) mit vielen Rindern“ – in Uruguay, wo man „selten Menschen, dafür | |
häufig anderen Kreaturen wie zum Beispiel Gürteltieren, Stinktieren, | |
Straußen und Echsen“ begegnet oder einem „Frosch in der Dusche“. Nur der | |
Uru ist halt auch da, „gefangen in Bürokratie und sozialistischen Utopien“, | |
die dazu führten, dass „bei uns viermal eingebrochen wurde“. | |
Aber „durch Telefon, E-Mail und Skype ist es leicht, Verbindung zu halten“ | |
zum adligen Anhang. Vorsorglich hat sich Georg in seiner Heimat Kärnten ein | |
„Basislager“ besorgt: „Einen Hof in schönster unverbauter Lage“, nahe … | |
Stammsitz der Familie Khevenhüller. Der adlige Apfel fällt halt nicht weit | |
vom Stamm, auch wenn er sich zwischendurch mit Urus, Stinktieren und | |
„anderen Kreaturen“ herumschlagen muss. | |
8 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Walther | |
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