# taz.de -- Die Wahrheit: Der homosexuelle Mann | |
> ...verliert einen Helden. Kommt ihm jetzt Klaus Wowereit abhanden? | |
… verliert einen Helden. Kommt ihm jetzt Klaus Wowereit abhanden? Als | |
„Bürgermeister auf Abruf“ wird er gerade unisono von den Medien | |
verabschiedet, auch wenn er unbedingt auf seinem Posten bleiben will. Der | |
noch vor dem BER-Debakel populärste Politiker Berlins steht jetzt ganz | |
hinten in den Sympathielisten, irgendwo zwischen Linken und Piraten. Und in | |
den Zeitungen nennen sie ihn jetzt „Bruchpilot“ und „Problembär“, „M… | |
ohne Machtbasis“ und „im Zweifel skrupellos“. Wowereits politische Karrie… | |
scheint beendet, auch wenn er am vergangenen Samstag noch den | |
Misstrauensantrag der Opposition überstanden hat. | |
Aber wie reagiert seine schwule Fanbasis? Lassen auch sie ihn jetzt fallen | |
wie eine heiße Kartoffel? Dabei waren sie doch stolz wie Bolle, als „einer | |
von ihnen“ ins höchste Amt der Stadt gewählt wurde, obwohl sein Coming-out | |
kurz zuvor weltweite Schlagzeilen machte. Schwul zu sein war plötzlich kein | |
Hindernis mehr auf dem Weg nach oben, sondern Voraussetzung für ein | |
besonders herzliches Verhältnis zwischen dem Regiermeister und der | |
Bevölkerung. | |
Kaum war er gewählt, setzte er – den zuvor niemand kannte in der schwulen | |
Gemeinde – sich an die Spitze der CSD-Parade und nahm seitdem die schwule | |
Klientel in der deutschen Homo-Hauptstadt ernst und zur Kenntnis. Der Mann | |
aus Lichtenrade lud jetzt seine Freunde mit auf die roten Teppiche der | |
Stadt, besuchte ihre Partys, stand zu ihnen selbst bei dem Folsom-Skandal | |
von 2005. Seitdem ist das alljährliche Straßenfest in Schöneberg Treffpunkt | |
für die Fetisch-Freunde aus aller Welt, denn nirgendwo sonst können sie | |
sich öffentlich so präsentieren wie in Wowereits Hauptstadt. | |
Damit hat er sich selbstverständlich nicht nur Freunde gemacht, aber alle | |
Anfeindungen von Opposition und Medien, die auch nur entfernt nach | |
Schwulenfeindlichkeit rochen, prallten an Wowereit ab. Er, der sich bis | |
heute immer noch und immer wieder Beschimpfungen und Beleidigungen wegen | |
seiner Homosexualität anhören muss, hat die Rolle des selbstbewussten | |
Schwulen nicht mehr aufgegeben seit seinem historischen „Und das ist auch | |
gut so!“. | |
Kein Prominenter in Deutschland, kein Politiker und auch sonst niemand hat | |
vor ihm so unmissverständlich über seine Homosexualität gesprochen. Alfred | |
Biolek und Hape Kerkeling mussten sich von Rosa von Praunheim vorführen | |
lassen, bei Ole von Beust erledigte der Vater den Job, und über Guido | |
Westerwelles Schritt aus dem Schrank sollte man besser schweigen. Nein, so | |
viel Mut wie Wowereit hat kein anderer bewiesen, und sollte es je eine | |
schwule Hall of Fame geben, er müsste der Erste sein, dem man dort ein | |
Denkmal setzt. | |
Wie auch immer das Flughafendrama für Wowereit enden wird – und es sieht | |
nicht gut aus für ihn –, den Spitzenplatz unter den schwulen Helden kann | |
ihm keiner nehmen. Das wird weder den Bewegungsaktivisten von einst noch | |
denen von heute gefallen, aber niemand sonst hat das öffentliche Bild des | |
Schwulen so nachhaltig positiv beeinflusst wie Klaus Wowereit. | |
15 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Elmar Kraushaar | |
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