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# taz.de -- Die Wahrheit: Putziges Geflügel
> Der Karlsruher Paläontologe Eberhard Frey gräbt gern nach uralten Knochen
> und kennt sich aus mit Dinosauriern, Drachen und Brathähnchen.
Bild: Eberhard Frey.
Nach ungesicherten Informationen aus gewöhnlich gut informierten Kreisen
starben heute vor genau 65 Millionen Jahren, also am Freitag, dem 18.
Januar 64997987 vor Christus, sämtliche Dinosaurier aus. Die Wahrheit nimmt
diesen denkwürdigen Tag zum Anlass, dem führenden deutschen
Dinosaurier-Experten, Professor Dr. Eberhard „Dino“ Frey einige Neuigkeiten
über die Urviecher zu entlocken.
Er wird von allen nur „Dino“ genannt. Eberhard Frey ist Chef der
Paläontologischen Abteilung des Staatlichen Naturkundemuseums Karlsruhe und
ein großer fröhlicher Mann, der mit seinen Erzählungen zu fesseln weiß. Den
Arbeitsplatz des 59-Jährigen ziert eine Skulptur aus runden Blechkeksdosen,
die vom Boden bis zur Decke reicht. Um die Ecke hängt ein Skelett.
Dino war schon mit drei Jahren fasziniert von Dinosauriern, denn sein Onkel
Manfred, bei dem er manchmal zu Besuch war, besaß Dinosaurier-Bücher:
„Diese Bücher waren aber eigentlich nicht gut für Kinder geeignet.
Dinosaurier-Bücher waren damals eher für Erwachsene. In einem Buch waren
Darstellungen von braunen Skeletten. Und die haben mich damals so tierisch
geängstigt, dass ich nachts aus Alpträumen aufgeschreckt bin und erst mal
unters Bett geguckt habe, ob da keine Skelette liegen.“
Heutzutage ist Dino häufig auf Expeditionen und Ausgrabungsreisen
unterwegs. Routine kehrt dabei nie ein, bis auf eine: „Die einzige Routine
ist die Unpünktlichkeit der Deutschen Bahn. Wenn alle Flüge von Mexiko nach
Deutschland pünktlich waren und ich stehe in Frankfurt auf dem Bahnhof,
dann kommt garantiert die Durchsage ’Dieser Zug hat leider eine Verspätung
von 20 Minuten‘. Die Arbeit selber aber wird nie zur Routine, das kann sie
gar nicht werden, denn es ändert sich ja ständig alles.“
Wie beispielsweise beim Fund eines riesigen Meeressauriers in Mexiko, der
heute als „Monster von Aramberri“ bekannt ist. Dabei gingen die Grabungen
anfangs nur schleppend voran: „Das war zuerst sehr frustrierend, denn wir
haben immer nur Krümel gefunden, mit etwas Glück mal etwas Größeres. Am
letzten Tag – wir hatten schon alles abgeräumt – saßen wir so da, und mein
Kollege schlug mehr spielerisch frustriert auf eine Gesteinsplatte. Da
machte es ’Peng!‘, und es platzte ein großes Stück davon ab. Die ganzen
Knochen lagen drin, beinahe in Reih und Glied. Das war natürlich
bärenstark!“
Wenn man Dino zuhört, scheint es, als ob Indiana Jones zum Leben erweckt
würde, obwohl der Karlsruher Professor noch nie ein wirklich gefährliches
Abenteuer erlebt hat: „Das einzige, was mir passiert ist, war, dass ich mir
einen Metallsplitter in den Zeigefinger geschossen habe. Und ich habe mir
auch schon einmal meine Spitzhacke ins Schienbein geschlagen. Man kann
natürlich auch vom Pferd fallen oder von einer Klapperschlange gebissen
oder von einem Skorpion gestochen werden. So etwas sollte man aber nach
Möglichkeit vermeiden.“
Zu den Nachfahren der Dinosaurier, den Vögeln, hat Dino ein durchaus
inniges Verhältnis: „Denken wir nur mal an die Brathähnchen! Eine schöne
Ausführung der Saurier.“ Aber dass die Riesentiere nicht mehr leben, ist
ihm schon ganz recht: „Es gäbe so viele Dinge, die man dann nicht mehr
machen könnte. Man könnte nicht mehr spazieren gehen oder Faltboot fahren.
Diese Tiere waren teilweise außerordentlich fitte Beutegreifer, für die ein
Säugetier in der Größe eines Menschen eher kein Problem gewesen wäre. Das
wäre unserem menschlichen Überleben nicht unbedingt förderlich.“
Dass es in vielen Kulturen sehr ähnliche Darstellungen von Drachen gibt,
obwohl nie ein menschliches Auge einen lebenden, urzeitlichen Dinosaurier
gesehen hat, kann Dino auch erklären: „Die größten Tiere, die auch schon
frühere Menschen kennen konnten und deren Knochen sie gesehen haben
könnten, waren vielleicht Elefanten oder Giraffen. Jetzt fanden sie
womöglich einen Knochen, der doppelt so groß war, was sollten sie machen?
Sie konnten diesen Knochen keinem lebenden Wesen zuordnen, also erfanden
sie eins. Und das waren dann entweder die Riesen oder die Drachen. Na, und
wenn man so einem Tier schon Fähigkeiten verleiht, die aus übergroßer Kraft
erwachsen sollen, warum soll dieses Tier dann nicht auch fliegen und Feuer
spucken können?“
Bei allem Realitätssinn mag Dino dennoch skurrile Fantasien: „Es gibt ja
Scheindokumentationen über Drachen. Die gefallen mir, weil sich jemand
Gedanken darüber macht, wie eigentlich die Flügel von einem Drachen
funktionieren sollen. Drachen haben meistens zwei Flügel und vier Beine,
also insgesamt sechs Extremitäten – und das gibt es bei einem normalen
Wirbeltier nicht. Aber dann schaut man sich Filme wie ’Dragonheart‘ an und
findet sie trotzdem putzig. Mein Gott, es muss ja nicht immer alles
stimmen.“
Dino lacht vergnügt. Er hat sein Hobby zum Beruf gemacht und täglich viel
Spaß bei seiner Arbeit, wie er sagt: „Und irgendwie bin ich inzwischen ja
auch selbst schon ein Fossil.“
18 Jan 2013
## AUTOREN
Corinna Stegemann
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