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# taz.de -- Die Wahrheit: Ruf des Dämons
> Warum der neue Berliner Großflughafen selbst in einer Million Jahren
> nicht fertiggestellt werden wird.
Bild: Kein Wunder, dass der Flughafen toter als tot ist, wenn sämtliche verbli…
Meine Hände zittern. Ich habe nicht mehr viel Zeit. Da sind diese Schatten
wieder, und da ist dieses Schaben. Es kommt näher. Ich schreibe diese
Zeilen in den feinen Staub, der im fahlen Mondlicht, das durch die
wandhohen Fenster der Empfangshalle hineinleuchtet, die Fliesen hier wie
Mehl bedeckt. Was hat mich an diesen verfluchten Ort geführt? Es war ein
Zitat von Horst Amann, dem Technikchef dieser pharaonischen Baustelle, die
mal ein Flughafen werden sollte.
Er sagte: „Die Probleme sind leider Gottes nach dem, was wir jetzt wissen
und was wir sehr mühevoll in den letzten Monaten aufgedeckt haben, heftig,
sehr heftig. Und zwar gravierend, fast grauenhaft.“ Das waren seine Worte.
Warum zum Teufel konnte und konnte dieser verdammte Flughafen nicht
eröffnet werden? Was steckte wirklich dahinter? Warum erfuhr die
Öffentlichkeit nicht genau, was denn da so „fast grauenhaft“ war?
Als guter Journalist musste ich es herausfinden. Und so machte ich mich
eines eiskalten Abends – vor wie vielen Tagen? – mit dem Bolzenschneider am
Bauzaun zu schaffen. Aus den Augenwinkel sah ich eines dieser gelben
„Eltern haften für ihre Kinder“-Schilder, auf dem seltsamerweise ein
anderer Satz stand: „Lasst, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren …“
Als ich die nächtliche Landebahn überquerte, überkam mich ein Frösteln. Es
war, als wären da über mir schattenhafte Schwingen in den tief hängenden
Wolken. Als wollte etwas Großes landen, und zwar alle drei Minuten. Ich
nahm den Klappspaten zur Hand und machte mich an die Arbeit. Mein Verdacht
bestätigte sich nach wenigen Metern. Knochen. Alte Knochen. Die Baustelle
war also tatsächlich über einer verfallenen slawischen Kultstätte erbaut
worden.
Das erklärte einiges, zum Beispiel die Brandschutzanlage, die sich im
Ernstfall als tödlicher Glutofen erwiesen hätte. Oder die schemenhaften
Gestalten mit Handgepäck, die dort im Zwielicht eine einsame Gangway
hinaufstiegen, um im Nichts zu verschwinden. Aber es erklärte noch nicht
alles.
Ich lief weiter, angelockt von grellem Flutlicht. Dort wurde gearbeitet!
Erleichtert näherte ich mich den Männern, die auf einem Gerüst silberne
Rohre aus der Wand brachen. Aber irgendwas stimmte nicht. Ich rief sie an,
bekam aber keine Antwort. Arbeiteten ja auch schwer, die Kerle, und etwas
unbeholfen obendrein. Ich bemerkte es spät, und dann gefror mir das Blut in
den Adern. Ihr Atem. Er bildete keine Atemwölkchen.
Da drehte sich einer der Männer um und musterte mich gleichgültig aus
leeren Augenhöhlen. Dann stieß er einen Grunzlaut aus, der auch seine
Kollegen wie auf Kommando herumfahren ließ. Zombies. Hier arbeiteten
seelenlose Untote, die billigsten Arbeitskräfte am Markt. Das erklärte
einiges, zum Beispiel die verhedderten Gepäckausgabe-Bänder. Oder das helle
Kinderlachen, das durch die leeren Hallen wehte, in die ich mich nach
dieser Begegnung geflüchtet hatte. Aber es erklärte noch nicht alles.
Als mir die Zombies nicht mehr auf den Fersen waren, fand ich mich in der
Duty-Free-Zone wieder. Es roch nach Parfüm, und neben den Fahrstühlen hatte
ein Laden mit internationaler Presse sogar schon geöffnet! Ich griff nach
der erstbesten Zeitung und las: „Was du heute kannst besorgen, das
verschiebe nicht auf morgen.“ Immer wieder nur dieser eine Satz. „Haben Sie
etwas gefunden?“ Ich fuhr herum. Dort stand die Verkäuferin. Sie sah aus
wie Klaus Wowereit und sagte: „Ich kenne Sie! Sie sind der Hausmeister. Sie
sind es immer gewesen. Ich muss es wissen, denn ich bin schon immer hier
gewesen“.
Da öffneten sich die Aufzugtüren, und eine Welle warmen Blutes trug mich
davon. Das erklärte natürlich einiges, zum Beispiel die Tatsache, dass der
gesamte Flughafenkomplex langsam in den märkischen Sand sinkt. Aber es
erklärte noch nicht alles.
Als ich wieder zu mir kam, befand ich mich blutverschmiert auf einem
Förderband in einem Hangar. Das riesige Tor war verschlossen, und ein
unerträglicher Gestank wie von zertretenen Regenwürmern erfüllte die Luft.
Und Stimmen, manche davon menschlich, andere nicht. Sie riefen: „Es ist
nicht tot, was ewig liegt, bis dass die Zeit den Tod besiegt.“ Da war etwas
Schweres, Nasses, das von innen gegen das Tor klatschte. Und dann sprang es
auf.
Ich sah noch einen aufgeschwemmten Kopf mit tastenden Fangarmen, der einen
grotesken Leib krönte, der Ansätze von Schwingen zeigte … dann setzte sich
das Förderband gnädig in Bewegung. Unter dem Flughafen schlief Cthulhu. Der
unheimliche Dämon, der vor Millionen Jahren über die Welt kam. Die
Bauarbeiten haben ihn geweckt. Wir sind verloren.
Und das erklärt natürlich alles.
19 Jan 2013
## AUTOREN
Arno Frank
Arno Frank
## TAGS
Flughafen Berlin-Brandenburg (BER)
Stromkosten
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