# taz.de -- Streit der Woche: „Glotze an und berieseln lassen“ | |
> Für Volker Herres von der ARD hat das Fernsehen eine „rosige Zukunft“, | |
> der „Cicero“-Feuilletonchef nennt es patriarchal, leistungsbesessen und | |
> zynisch. | |
Bild: Sieht so die Zukunft aus? Menschen mit Fernseher. | |
BERLIN taz | Volker Herres, ARD-Programmdirektor, blickt in eine „rosige | |
Zukunft“ des Fernsehens – trotz Internet. Kein Medium hätte je ein anderes | |
völlig verdrängt. „Das Fernsehen der Zukunft ist eine ständig verfügbare | |
Informationsquelle, umfassende Videothek und Heimkino in einem“, | |
kommentiert er im Streit der Woche der sonntaz. | |
Philipp Laude, hauptberuflich YouTuber sieht das anders. „Das klassische | |
Fernsehen, wie man es kennt, hat keine Zukunft mehr. Von technischer Seite | |
ist es veraltet.“ 320 Millionen Mal wurden die Videos angeklickt, die er | |
zusammen mit Matthias Roll, Oguz Yilmaz und Philipp Laude produiziert. | |
[1][Y-Titty] heißt der YouTubeKanal, auf dem sie Comedy machen. Ihre | |
Sketche, inszenierten Apple-Produktpräsentationen und Liedparodien schauen | |
sich über eine Million Abonnenten an. Täglich kommen fünftausend neue dazu. | |
Als sogenannte Partner des Videoportals können die drei von den | |
Werbeeinnahmen leben. Während sich das öffentlich-rechtliche Fernsehen mit | |
der neuen Gebührenordnung wieder mal unbeliebt macht, das Privatfernsehen | |
sich in unzähligen Formaten inszenierter Realität ergeht, kommen die | |
Innovationen aus dem Netz. | |
## „Patriarchales Privatfernsehen“ | |
Alexander Kissler, Leiter des Kulturressort bei Cicero und Autor des Buches | |
„Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“ kommentiert: „Das | |
Privatfernsehen ist patriarchal wie Dieter Bohlen, leistungsbesessen wie | |
Heidi Klum und zynisch wie das Dschungelcamp.“ Das habe keine Zukunft. Auch | |
für die öffentlich-rechtlichen sieht er kein Morgen: „Sie wollen | |
Zwangsfinanzierung durch alle und Werbeeinnahmen zugleich, weil sie ihrem | |
Produkt nicht trauen.“ | |
Felix Wesseler von der Firma Filmpool, die TV-Formate wie den Tatort und | |
„Berlin Tag & Nacht“ produziert, glaubt an die Zukunft des | |
klassisch-linearen Fernsehens. „Kein Medium vermag es wie das Fernsehen, | |
Geschichten zu erzählen und dabei Menschen miteinander zu verbinden. Sei es | |
das Gespräch auf dem Schulhof über "Berlin - Tag und Nacht" oder die | |
Diskussion im Büro über das gestrige Champions-League-Spiel.“ | |
„Eventfernsehen“ nennt Sabine Haas, Medienpsycholgin, das | |
sozial-verbindende gleichzeitige Schauen eines Formats. Nicht zu | |
unterschätzen sei aber auch der Faktor, sich berieseln lassen zu wollen. | |
„Eskapismus ist immer noch ein zentrales Motiv für die Fernsehnutzung und | |
wird auch künftig ein Kernmotiv bleiben.“ Niemand wolle ständig neu darüber | |
entscheiden, was geguckt wird. | |
Philipp Laude von Y-Titty bemerkt, dass auch auf YouTube die Clips länger | |
werden. „Die Leute wollen sich auch mal zurück lehnen und nicht im | |
Minutentakt neu entscheiden, was sie sehen.“ Wie genau solche Trends und | |
Gegentrends die Zukunft des Fernsehens mitgestalten werden, weiß jedoch | |
keiner der Streitenden. | |
Jessica Kastrop, Journalistin und Fußball-Moderatorin bei Sky, ist davon | |
überzeugt, dass Fernsehen zukünftig mobiler konsumiert wird. „Die | |
Schnelllebigkeit unserer Gesellschaft fordert immer mehr Flexibilität - was | |
zunehmend auch die Ansprüche an die Freizeitgestaltung verändert. Ich | |
möchte selbst bestimmen können, was ich wann sehe.“ | |
## Niesende Pandas | |
Philipp Käßbohrer von der Bildundtonfabrik ist wenig optimistisch. Obwohl | |
er selbst eines der erfolgreichsten TV-Formate des letzten Jahres | |
mitentwickelt hat: Roche&Böhmermann. Zusammen mit Matthias Schulz hat er | |
dafür 2012 den Förderpreis des Deutschen Fernsehpreises gewonnen. Auf | |
ZDF.kultur gestartet, wandert Roche&Böhmermann ab der dritten Staffel, die | |
im März anläuft, sogar ins ZDF-Hauptprogramm. | |
Freundliche Worte für das Fernsehen hat Käßbohrer trotzdem nicht. Aus einer | |
„einst aufrichtigen Haltung hat sich ein Programm entwickelt, dass das | |
Medium stets zu verbergen versucht und sein Publikum glauben machen möchte, | |
Fernsehen sei eine Art bessere Realität.“ Die Generation Internet wolle | |
sich nichts mehr vormachen lassen, dürste nach Authentizität und gucke | |
deshalb YouTube. Aber „vielleicht sollte es jemand geben, der diese Inhalt | |
sortiert“. [2][Niesende Baby-Pandas] seien schließlich auch keine Antwort. | |
Die sonntaz-Frage „Hat das Fernsehen noch eine Zukunft?“ beantworten | |
außerdem der Medienökonom Daniel Hürst und Taz-Leserin Anne Blankemeyer. | |
26 Jan 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://www.youtube.com/user/YTITTY | |
[2] http://www.youtube.com/watch?v=cMTU-yZiShA | |
## AUTOREN | |
Tobias Oellig | |
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