# taz.de -- Touristische Auferstehung: Toskana selbst gemacht | |
> Das Reiseunternehmen TUI renoviert ein altes Dorf, | |
> um perfekte Toskana-Atmosphäre zu verkaufen. Ein Besuch in Castelfalfi. | |
Bild: Toskana – aber bitte authentisch! | |
Toskana. Urlaubsparadies der Deutschen. Zwischen Florenz und Pisa, mitten | |
in Castelfalfi, baut die TUI ein ganzes Dorf – 11 Quadratkilometer | |
„pittoreske“ Landschaft stehen zur Verfügung. Fünfmal Monaco würde hier | |
reinpassen oder 25-mal Vatikanstadt. Hier, mitten in Castelfalfi, baut die | |
TUI 18 Bauernhäuser, 41 Apartments. Außerdem sollen Villen, Townhouses und | |
drei Hotels entstehen. Rund 250 Millionen Euro investiert TUI. Das | |
Lieblingswort von Martin Schlüter, Projektleiter der TUI und | |
Geschäftsführer der Tunata di Castelfalfi, ist Authentizität. | |
Wer investiert, kann dabei sein: Die deutsche Maklerfirma Engel & Völkers | |
vermittelt Appartements. Kaufpreis je nach Ausstattung: ab 230.000 Euro | |
aufwärts. Man kann aber auch ab 1,2 Millionen Euro eine neu gebaute | |
Golfvilla kaufen oder ab 1,8 Millionen Euro ein eigenes Gehöft. Castelfalfi | |
ist Toskana-Idylle. Bilderbuchhaft. 11 Quadratkilometer ohne Menschen, | |
dafür Hügel, Zypressen und Wildschweine. Die erste Musterwohnung im | |
Dorfkern, dem Borgo, ist fertig: minimalistischer Stil, roter Putz, | |
Terracotta-Ästhetik. | |
Luxuriös ist es. Passend zur Lebensphilosophie von Castelfalfi: Einfaches | |
Leben auf höchstem Niveau. „Der Kunde bekommt alles, solange er zahlt“, | |
sagt Schlüter. Das beinhaltet ein Küchenservice, Wäsche waschen, Wohnung | |
putzen, Kinderbetreuung. Martin Schlüter wünscht, dass hier bald Deutsche, | |
Italiener, Russen, Schweizer friedlich zusammenleben werden. Einige | |
Italiener gibt es auch. | |
## Nur noch fünf Einwohner blieben | |
Bevor die TUI Castelfalfi kaufte, lag die Fläche brach. 1967 wurde | |
Castelfalfi von der Tuchhändlerfamilie Benelli aus Prato gekauft. Die | |
Familie ging bankrott und verkaufte 1980 das Borgo an Mailänder | |
Unternehmer. Drei Jahre dauerten die Verhandlungen mit den Behörden, bevor | |
das Unternehmen die Gegend zum Tourismusparadies mit Wohnungen, Schwimmbad, | |
Golf- und Tennisplatz ausbauen konnte. | |
Die große Restrukturierung wurde nur zur Hälfte fertig, da musste das | |
Geldinstitut, das das Bauvorhaben finanzierte, Konkurs anmelden. | |
Castelfalfi ging wieder an die Gemeinde zurück, die es zum Verkauf anbot. | |
Die TUI erwarb 2006 das Borgo, nachdem nur noch etwa fünf Einwohner das | |
Dorf bewohnten. | |
Castelfalfi gehört zur Gemeinde Montaione. Dort waren nicht alle | |
begeistert. Auch die linke Bürgermeisterin Paolo Rossetti war nicht von | |
Beginn an für das Projekt. Doch in den Verhandlungen rang sie der TUI | |
einige Zugeständnisse ab. Und auch die Naturschutzorganisation Legambiente | |
schaltete sich ein. „Das Zusammenspiel der deutschen und italienischen | |
Büros funktioniert wunderbar“, sagt Schlüter. Selbst Bürgermeisterin | |
Rossetti steht mittlerweile hinter dem Projekt. | |
Der Golfclub ist schon in Betrieb, doch nur wenige Spieler stehen auf dem | |
Platz. Martin Schlüter zeigt den Fairway und fährt mit seinem Golfcart über | |
den Platz. Er bremst, steigt aus und hebt ein auf dem Boden liegendes | |
Papier auf. Denn auf Sauberkeit legt er großen Wert. | |
## Am liebsten Italiener | |
Insgesamt 8.000 Olivenbäumen sollen Öl bringen, es gibt 400 Wildschweine. | |
Moderne Wasserspeicher und Aufbereitungsanlagen wurden installiert. Was | |
Martin Schlüter und seinem noch Authentizitätsfetischismus fehlt, sind noch | |
ein paar echte Italiener. Zwar arbeiten schon einige im Restaurant Il | |
Rosmarino, doch der TUI-Manager verspricht 250 weitere Arbeitsplätze, die | |
er am liebsten an Italiener vergeben möchte. | |
Trotz Authentizität, Nachhaltigkeit und Luxus kann so einiges schiefgehen | |
im Urlaubsparadies Castelfalfi. Es könnte zum Beispiel zum Altenheim für | |
Millionäre werden oder schlimmer noch: Die teuren Wohnungen könnten leer | |
bleiben – und der Traum von einem Multikultidorf der Gutsituierten platzen. | |
Angst hat aber keiner. Das Projekt ist schließlich durchfinanziert. | |
23 Feb 2013 | |
## AUTOREN | |
Enrico Ippolito | |
## TAGS | |
Toskana | |
Reiseland Italien | |
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