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# taz.de -- Geräuschkunst: Roboter spielen Rock
> Im Haus der Kulturen der Welt läuft derzeit das Themenwochenende
> „Unmenschliche Musik“. Den Besucher erwartet sehr viel Spaß und genialer
> Quatsch.
Bild: "Unmenschliche Musik" im Haus der Kulturen der Welt
Die Natur musikalisch auszudeuten hat eine lange Tradition. In der Musique
Concrète werden Umweltgeräusche zu Klangmaterial. Und für sogenannte Field
Recordings hört man mit dem Mikrofon ein vom Wind bewegtes Maisfeld ab oder
lauscht einem Eiszapfen beim langsamen Tropfen. Aufnahmen mit Walgesängen
sind Klassiker in der New-Age-Abteilung eines jeden Plattenladens. Es gibt
„Sounds of American Frogs“ genauso wie ein thailändisches
Elefantenorchester.
Auch das derzeit im HKW stattfindende Festival für „Unmenschliche Musik“ im
Rahmen des „Anthropozän-Projekts“ interessiert sich für die Klänge, ja d…
Musik, die die Natur hervorbringt. Die Europapremiere einer
„Gletschermusik“ wird angekündigt und ein Tiermusikexperte lädt zum Konze…
von Grillen.
“Unmenschliche Musik“ wird bei der viertägigen Veranstaltung aber noch
weiter gedeutet. Nicht nur der Natur gilt das Interesse, sondern es wird
der Frage nachgegangen, was denn Roboter und Maschinen für eine Musik
erzeugen. Ein Schlauberger könnte nun einwenden, diese von Robotern und
Maschinen erzeugten Klänge seien doch nicht unmenschlich, sondern
menschlich, weil Roboter und Maschinen vom Menschen konstruiert seien. Doch
derartiger Besserwisserei begegnet das Festival mit ziemlich starken
Gegenargumenten: Mit Humor und Selbstironie.
Ein Festival mit dem Titel „Unmenschliche Musik“ hätte auch auf
ambitionierte Kompositionen für Flugzeugturbine und Streichorchester oder
so etwas hinauslaufen können, stattdessen erwartet uns sehr viel Spaß und
genialer Quatsch. Die Thematik wird um mehrere Ecken gedacht, was dem
Festival nicht hoch genug angerechnet werden kann. Ein Dokumentarfilm führt
ein in die bizarre Welt von Raymond Scott, dem Erfinder der
Kompositionsmaschine „Elektronium“, eine klingonische Oper wird aufgeführt,
ganz in der nichtmenschlichen Sprache dieser ewigbösen Aliens, wie man sie
aus der Serie „Star Trek“ kennt.
Für die Kleinen wird der Workshop „Wir bauen ein Roboterorchester“
angeboten und der Berliner Improvisationsmusiker Nicholas Bussmann macht
aus der Quizshow „Erkennen Sie die Melodie?“ eine Art Turing-Test: Der
Zuhörer bekommt bestimmte Klänge vorgespielt und muss dann raten, ob ihr
Ursprung das Tierreich oder generell die Natur ist oder ob sie nicht
vielleicht doch einem Synthesizer entstammen.
“Unmenschliche Musik“ muss überhaupt nicht so unmenschlich sein, das
scheint die Message des Festivals zu sein. Die Druckluftroboter des
Berliner Künstlers Kolja Kugler beispielsweise, Alien-artige Schrottwesen,
die im Rahmen des Festivals täglich ein Konzert geben, machen fast schon
Rockmusik, etwa der E-Bass-Roboter. Und Rockmusik gilt ja eigentlich als
ziemlich menschlich. Sir Elton Junk, ein Roboter, der aussieht wie ein
Terminator nach einem Unfall, zappelt bei Inbetriebnahme eher herum, was
ein eindrucksvolles Ächzen seiner Glieder zur Folge hat und wirklich lustig
anzusehen ist.
Auch die „Mid Size Robots“, die auf einem kleinen Fußballfeld gegeneinander
antreten, sind ziemlich drollige Wesen. Sie sind auf dem Spielfeld
umherfahrende Kegel, die verzweifelt und oft ziemlich erfolglos versuchen,
den gegnerischen Kegeln den Ball abzunehmen und ihn in deren Tor zu
versenken. Auf ihnen sind Lautsprecher montiert, aus denen durch die
Bewgungen der Roboter entstehende Rückkopplungsklänge zu vernehmen sind.
Dieses Roboter-Soccer wird dann zwar doch etwas hochtrabend
„Klanginstallation“ genannt, eigentlich aber sieht man eher ein paar
verpeilt auf dem Spielfeld umhergurkenden Spaßrobotern zu, die seltsame
Geräusche von sich geben, was dann fast schon an ein richtiges Fußballspiel
erinnert. Wobei die Töne, die so manche Fußballer während eines Spiels von
sich geben, eindeutig unmenschlicher klingen als das nette Pfeifen der
Kickkegel.
Mensch, Du musst keine Angst haben vor unmenschlicher Musik, das erfahren
wir bei dem Festival. Unmenschliche Musik erweitert stattdessen unsere
Hörerfahrungen und eigentlich wollen wir gar nicht mehr ohne sie sein.
Ein Höhepunkt wird sicher noch am Sonntag sein. Dann interpretiert Jerry
Dammers von den Specials mit seinem 24-köpfigen Orchester Spatial A.K.A.
die Musik von Sun Ra neu – und der kam schließlich vom Planeten Saturn und
hat uns den Jazz von Aliens mitgebracht.
22 Feb 2013
## AUTOREN
Andreas Hartmann
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