# taz.de -- Neues Integrationskonzept: Eingliederung wird berechenbar | |
> Sonntagsreden oder konkret nachprüfbare Zielvorgaben: Das neue | |
> Integrationskonzept des Senats ist umstritten. | |
Bild: Sichtbar ohne Indikatoritis: Bei den Jüngeren klappt die Integration gut. | |
Der Hamburger Senat geht neue Wege bei der Integration von Zuwanderern. | |
Statt unverbindliche Konzepte zu entwickeln, hat sich die Hamburger | |
Regierung erstmals konkret messbare Ziele gesetzt. Ob Einbürgerungszahlen, | |
frühkindliche Förderung, Bildungs- und Berufschancen oder | |
Diskriminierungsabbau – 2015 sollen die Vorgaben einem ersten Controlling | |
unterworfen und dann Bilanz gezogen werden – Integration wird berechenbar. | |
13 Hauptziele hat die Landesregierung in ihrem Konzept formuliert, das | |
gemeinsam mit dem Integrationsbeirat erarbeitet wurde. Mehr Kita-Kinder, | |
mehr Abiturienten und mehr Verwaltungsangestellte mit Migrationshintergrund | |
will der Senat – all das ist genauso messbar wie die Zahl der | |
Einbürgerungen, die vor allem Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) steigern | |
will. | |
Der 80-seitige Bericht weist bereits erste Integrationsfortschritte aus, | |
auch wenn die Zahlenbasis der vergangenen Jahre noch recht mager ausfällt. | |
So ist etwa der Anteil der unter vierjährigen Kinder mit | |
Migrationshintergrund, die in einer Kita betreut werden, seit 2009 von 15 | |
auf 20 Prozent gestiegen – 2015 sollen es 25 Prozent sein. Die | |
Arbeitslosenquote von „AusländerInnen“ sank zwischen 2006 und 2009 von 25,4 | |
auf 20,4 Prozent und soll bis 2015 auf unter 12 Prozent gedrückt werden. | |
Dynamisch entwickelten sich zwischen 2010 und 2012 die Kennzahlen zum Thema | |
Einbürgerung. Die Zahl der entsprechenden Beratungsgespräche stieg um fast | |
50, die der Einbürgerungsanträge um gut 40 Prozent, nur die Zahl der | |
Einbürgerungen selbst kletterte um nicht einmal zehn Prozent. „Die | |
Verfahren dauern sehr lange, weniger bei den deutschen Ämtern, sondern bei | |
den Behörden des Herkunftslandes“, nennt Lioubov Kuchenbecker vom | |
Integrationsbeirat den Grund, warum die Zahl der tatsächlichen | |
Einbürgerungen stagniert. Sie selbst musste „monatelang warten“, bis die | |
Abgabe ihrer russischen Staatsbürgerschaft von den zuständigen Stellen | |
ihres Heimatlandes durchgewunken wurde. | |
„Es ist ein Fortschritt, dass der Senat sich nachprüfbare Ziele setzt“, | |
lobt Andreas Hieronymus, Geschäftsführer des Instituts für Integrations- | |
und Rassismusforschung“, warnt gleichzeitig aber vor einer „Indikatoritis�… | |
Es gäbe Diskriminierungen, die diese Indikatoren nicht abbildeten, zudem | |
nenne das Konzept zwar Ziele, beschreibe aber nur unzureichend den Weg | |
dorthin. | |
Ein Beispiel ist Bildung: „Wie Schulen mit rassistischen Beleidigungen | |
umgehen oder welche kolonialistischen Inhalte in Lehrbüchern auftauchen, | |
das sind Fragen, die im Integrationskonzept überhaupt nicht auftauchen“, | |
weist Ines Fögen vom Netzwerk Rassismus an Schulen auf Leerstellen des | |
Konzepts hin. | |
Bei der CDU löst das Integrationskonzept aus dem Hause Detlef Scheele (SPD) | |
die erwartbare Kritik aus. Ihr Abgeordneter Nikolaus Hauffler bewertet das | |
Konzept als „Gleichmacherei“, die die „individuellen Problemlagen von | |
Migranten“ ignoriere und sieht sie durch die | |
Anti-Diskriminierungsbemühungen „pauschal in eine Opferrolle von | |
Ausgrenzung“ gedrängt. | |
Für die Grünen hingegen verbirgt sich in dem Konzept „viel Sonntagsrede“. | |
Da werde „Antidiskriminierungsarbeit zum Schwerpunkt erhoben, gleichzeitig | |
aber die Arbeitsstelle Vielfalt dichtgemacht“ und die Gelder für diesen | |
Bereich auf insgesamt 20.000 Euro zusammengekürzt. „Bestehende | |
Einrichtungen sollen jetzt zusätzliche Antidiskriminierungsberatung | |
leisten, ohne die dafür erforderlichen Mittel zu bekommen“, sagt die Grüne | |
Filiz Demirel. | |
27 Feb 2013 | |
## AUTOREN | |
Marco Carini | |
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